27.04.2014

Projekt

Der Queen Elizabeth Olympiapark London

Foto: Anthony Charlton © Crown Copyright

Das Rückgrat des Queen Elizabeth Olympiaparks im Londoner Osten bildet der renaturierte Fluss Lea zusammen mit anderen Wasserläufen, die den Olympiapark mit Olympiastadion, den Wohngebieten, Parks und Grünräumen der Umgebung verbinden. Als gestalterische Vorbilder dienten der Olympiapark in München sowie die Erneuerungen an Barcelonas Stadtküste für die Sommerspiele 1992. Die Landschaftsarchitekturbüros LDA Design und Hargreaves Associates planten 102 Hektar Freiraum, von denen 45 Hektar als Ausgleichsflächen für das Olympiagelände ausgewiesen sind. Über 700 Einzelprojekte wurden umgesetzt, um Lebensräume von Tieren und Pflanzen zu erhalten. Nicht nur die Menschen sollen von dem Park profitieren. Dieser ist als „produktive Landschaft“ konzipiert: In ihm wird Regenwasser gesammelt, gespeichert und gereinigt. So schützt er 5.000 umliegende Grundstücke vor Hochwasser.

Queen Elizabeth Olympiapark London, Foto: Anthony Charlton © Crown Copyright
Olympiapark mit Olympiastadion London, Foto: Anthony Charlton © Crown Copyright
Satellitenansicht Queen Elizabeth Olympiapark London, Foto: © Crown Copyright
Olympiastadion London, Foto: Anthony Charlton © Crown Copyright
Grünflächen im Queen Elizabeth Olympiapark London, Foto: Anthony Charlton © Crown Copyright
Flussläufe Queen Elizabeth Olympiapark London, Foto: Anthony Charlton © Crown Copyright
Der renaturierte Fluss Lea im Londoner Osten, Foto: © Crown Copyright
Queen Elizabeth Olympiastadion London, Foto: David Poultney © Crown Copyright
Wohngebiet Queen Elizabeth Olympiapark London, Foto: Anthony Charlton © Crown Copyright

Olympia holt Stratford zurück in die Stadt

Im nördlichen Teil des Parks dominieren offene Feuchtgebiete, Wälder, Rasenflächen und eindrucksvolle Landschaftsräume, die zum ländlich geprägten Teil des Lee Valley Regional Parks überleiten. Im Süden begrenzen drei Wasserläufe den Park, der dort einen städtischen Charakter hat. Ein Lustgarten in der Tradition von Vauxhall und Ranelagh Gardens ist Ausflugsziel für die zahlreichen Besucher, die in Stratford erwartet werden – und der als das Ost-Londoner Äquivalent für die beliebte Uferpromenade an der South Bank im Stadtzentrum gilt. Attraktionen wie die London 2012 Gardens, die sich fast einen Kilometer entlang des Waterworks River erstrecken und die 115 Meter hohe Stahlskulptur „ArcelorMittal Orbit“, ein bizarres Wahrzeichen mit Aussichtsturm der Künstler Anish Kapoor und Cecil Balmond, bleiben erhalten. Den Hauptweg beleuchten ungewöhnliche Lichtmasten, an denen Windräder angebracht sind.

Bei den Pflanzkonzepten legte man viel Wert darauf, Ästhetik mit Biodiversität zu verbinden. Daher berieten James Hitchmough und Nigel Dunnet, beide Professoren an der Sheffield University, der Ökologe Peter Shepherd und die Gartendesignerin Sarah Price die Landschaftsarchitekten bei den Planungen. Ökologische Prinzipien, die William Robinson bereits 1870 in seinem Buch „The Wild Garden“ veröffentlichte, bilden die Grundlage für die Pflanzungen in den London 2012 Gardens. Daneben sind sie vom „New German Style“ beeinflusst, wie etwa den Pflanzungen im 1983 fertiggestellten Münchner Westpark und den Pflanzenkombinationen aus dem Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof in Weinheim aus den 1980er-Jahren. Auch das Konzept der großflächigen „neuen Staudenpflanzungen” mit heimischen Wildstauden, die in den „heemparken“ im niederländischen Amstelveen erprobt und von dem Pflanzenspezialisten Piet Oudolf weltweit verbreitet wurden, sind integriert. All dies beruht auf dem übergeordneten Konzept für die Olympischen Spiele in London: Nachhaltigkeit und das Bestreben, ein Vermächtnis zu hinterlassen. Die Hinterlassenschaften der Spiele werden ein neuer Park – so groß wie der Hyde Park und Kensington Gardens zusammen – und neue Stadtquartiere sein.

Bei der Wahl des Standorts für den Olympiapark setzte sich Ken Livingstone durch, der zum Zeitpunkt der Bewerbung Londons Bürgermeister war: Stratford war lange ein vernachlässigter Stadtteil im Osten Londons. Livingstone versprach „einen kompakten und nachhaltigen Park, der einen heruntergekommenen Stadtteil wieder mit London und Europa verbindet sowie die Stadterneuerung im Osten von London ankurbelt“. Ihm lag besonders daran, die Investitionen in Infrastruktur und Erneuerung privat finanzieren zu lassen, was auch gelang.

Der Olympiapark liegt im Lower Lea Valley, der Wiege der industriellen Revolution in London und nahe des Entwicklungsgebiets Thames Gateway. Die britische Regierung beabsichtigt, die Stadt und ganz Südost-England mit diesem 65 Kilometer langen Korridor im Osten Londons durch Wachstum zu fördern, zu erneuern und besser zu erschließen. Das multidisziplinäre Planungsbüro EDAW, jetzt Teil des Unternehmens AECOM, wurde mit dem „Lower Lee Valley Opportunity Area Framework Plan“ beauftragt, einem Rahmenplan, der das Maß der Entwicklung und den planungsrechtlichen Hintergrund des Parks bestätigte. EDAW/AECOM empfahl, den Fluss Lea, ökologische Ansätze und die Wasserstraßen als Ausgangspunkt der Planung zu nehmen und die Entwürfe für das Lea Valley, den Olympiapark, die Verbindungen im Lee Valley Regional Park, das East London Green Grid und die Thames Gateway Parklands auf diesen Elementen aufzubauen. Anschließend beauftragte man das Büro, den Masterplan für den Olympiapark zu erstellen.

Da der Schwerpunkt der Planung auf dem Ausbau der Infrastruktur lag, wurden drei ineinander greifende Masterpläne ausgearbeitet und verabschiedet: Einer für die Spiele, einer für die Nachnutzung des Parks und einer, um die neuen Quartiere für bis zu 100.000 Einwohner in den nächsten 20 bis 25 Jahren zu entwickeln. Nur diejenigen Sportstätten, für die es einen realisierbaren Businessplan gibt, sollen erhalten bleiben; alle anderen Bauten sind temporär oder im Bestand untergebracht. Im Grunde wurde der Park ausgehend von der späteren Nutzung entwickelt und lediglich an die Bedürfnisse während der Olympischen Spiele angepasst.

Olympiastadion London mit Nachhaltigkeitsfaktor

Um die Sportstätten und Infrastruktur für die Zeit während und nach den Spielen zu bauen, wurde die Olympic Delivery Authority (ODA) ins Leben gerufen. Zu ihren Aufgaben gehörte es, Gebäude abzureißen, Altlasten zu entsorgen, Stromleitungen unter die Erde zu verlegen, ein Blockheizkraftwerk zu bauen, Verkehrswege auszubauen sowie eine neue Infrastruktur für Strom, Trinkwasser, Abwässer und Telekommunikation im Olympiastadion und den Spielstätten, im Park und im öffentlichen Raum zu installieren. Innerhalb des Zeitplans und des veranschlagten Budgets von sechs Millionen Pfund wurde der Park fertiggestellt. Drei Viertel dieser Ausgaben flossen in bleibende Infrastruktur.

Die Olympischen Spiele 2012 sind die ersten, deren CO2-Fußabdruck analysiert wurde. Es stellte sich heraus, dass der Bau von Austragungsstätten und Infrastruktur den größten Teil des CO2-Ausstoßes verursacht. Diese Erkenntnis veranlasste die ODA, den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit zu legen. „Towards a One Planet Olympics“, eine Partnerschaft mit den gemeinnützigen Organisationen World Wide Fund For Nature (WWF) und BioRegional, bildeten die Basis der Bewerbung, des Masterplans und des Pflege- und Erhaltungsplans. Im Rahmen dieser Kooperation wurde der ganzheitliche Ansatz der ODA gestärkt und eine Prioritätenliste zusammengestellt. Sie enthält wichtige Aspekte wie Gesundheit, Sicherheit, Gestaltung, Zugänglichkeit, Nachnutzung, Nachhaltigkeit, Gleichstellung sowie Arbeitsplätze und Know-how. Diese Anforderungen liegen jeder Ausschreibung und jedem Vertrag zu Grunde. Durch alle Projektphasen hindurch wird monatlich Bericht erstattet. Die unabhängige „Commission for a Sustainable London 2012” gab regelmäßig bekannt, ob die Vorgaben eingehalten wurden. Nach fünfjähriger Arbeit lobte Shaun McCarthy, der Vorsitzende der Nachhaltigkeitskommission: „Am Beispiel des Londoner Olympiaparks hat die ODA bewiesen, dass Qualität, Wertigkeit, Termindruck und Nachhaltigkeit sich nicht ausschließen, sondern gegenseitig befördern.”

Erst anhand seiner langfristigen Nutzung wird sich der Erfolg des Parks rund um das Olympiastadion London zeigen. Die ODA hat die Aufträge zum Umbau bereits vergeben, so dass die Arbeiten unmittelbar nach den Spielen beginnen können. Dadurch werden die Freiräume auf das Doppelte wachsen. Den Umbau wird die London Legacy Development Corporation (LLDC) beaufsichtigen. Geplant ist, große Teile der Anlagen im Sommer 2013 der Öffentlichkeit zu übergeben. Die LLDC wird in den kommenden 20 bis 25 Jahren die Arbeit der ODA fortführen und die 2003 in der Bewerbung für die Olympischen Spiele formulierte Vision weiter umsetzen (siehe Seite 18). Der Londoner Olympiapark ist ein Schritt auf dem Weg, nur so viele Ressourcen zu verwenden, wie unser Planet kurzfristig wieder regenerieren kann.

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