28.09.2021

Gesellschaft

Amazon und The Climate Pledge

Mit The Climate Pledge verpflichtet sich Amazon

Mit The Climate Pledge verpflichtet sich Amazon

In Deutschland hat Amazon rund 44 Millionen regelmäßige Kund*innen. Das sind über die Hälfte aller Deutschen. Um diese zu beliefern sind neun Logistikzentren mit 11 000 festangestellten Mitarbeitenden im Land verteilt. So ein großes Unternehmen hat eine entsprechend große Verantwortung wahrzunehmen: seinen Mitarbeitenden gegenüber, aber auch den Kund*innen – und der Umwelt. Und diese Verantwortung möchte die Firma von Jeff Bezos nun auch übernehmen. Als Mitbegründerin von The Climate Pledge, einem offiziellen Klimaversprechen. Was dieses besagt, wer sonst noch mitmacht und ob das alles nur Marketing ist, erfahren Sie hier.

Üblicherweise verheißt es nichts Gutes für den Onlinehändler Amazon, wenn sein Name in den Schlagzeilen auftaucht. Das passiert etwa aufgrund von Covid-19-Ausbrüchen in Amazon-Verteilzentren oder geringen Steuerzahlungen. Aktuell steht der Versandriese in der Kritik, weil ein Investigativ-Reporter von RTL (Team Wallraff) sich bei Amazon als Fahrer einschleuste. Beziehungsweise beim Sub-Unternehmer von Amazons Sub-Unternehmer. Die Arbeitsbedingungen, die er in seiner Reportage aufdeckt, sind unschön: unmöglicher Zeitdruck, übermäßige Kontrolle, Bezahlung jenseits des Mindestlohns. Amazon reagierte mit einem Statement und dem Versprechen, den Vorwürfen nachzugehen.

Werden laut mehreren Berichten wohl nicht besonders gut behandelt: Paketauslieferer für Amazon. Foto: Super Straho/Unsplash

The Climate Pledge von Amazon – das steckt dahinter

Kein Wunder also, dass die Firma, die Jeff Bezos zum reichsten Mann der Welt machte, ihren Namen gerne positiver besetzt sehen möchte. Dafür nutzt sie unter anderem diverse Werbespots, die nicht für Amazons Produkte werben. Stattdessen zeigen sie, was das Unternehmen für die Gesellschaft leistet. Etwa in einem Spot, der besagt, dass rund 2 000 österreichische Firmen ihre Produkte über Amazon vertreiben, wodurch der Dienstleister rund 10 000 Arbeitsplätze sichere. Eines der Unterfangen, mit denen Amazon momentan vermehrt für ein besseres Image wirbt, ist „The Climate Pledge“. Aber was verbirgt sich hinter dem Klimaversprechen?

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The Climate Pledge (zu deutsch: das Klimaversprechen) ist eine Initiative, die Amazon gemeinsam mit der Organisation Global Optimism im Jahr 2019 gegründet hat. Ihr Ziel ist es, weltweit Unternehmen dazu zu bringen, sich ihr anzuschließen und sich zu CO2-Neutralität zu verpflichten. Und zwar bis zum Jahr 2040. Zum Vergleich: Die Staaten, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, verfolgen das gleiche Ziel. Ihre Deadline ist aber erst 2050, zehn Jahre später. The Climate Pledge ist also ein ehrgeiziges Unterfangen. Amazon ist als Gründungspartner das erste Unternehmen, das The Climate Pledge unterzeichnete und sich damit verpflichtete, dessen Maßnahmen umzusetzen.

Drei Maßnahmen von The Climate Pledge:

Unternehmen, die sich The Climate Pledge verschreiben, stimmen freiwillig den folgenden drei Vorschriften zu:

Aber Achtung: Unternehmen werden nicht sanktioniert, sollten sie die Maßnahmen nicht einhalten. Im Gegensatz zum Pariser Klimaabkommen verhängt The Climate Pledge keine Strafen, wenn ein Unternehmen seine Ziele nicht erreichen.

Amazon hat Jeff Bezos zum reichsten Mann der Welt gemacht. Foto: Amazon

Nebst Amazon haben 114 weitere Unternehmen The Climate Pledge unterzeichnet

Es könnte sein, dass diese Tatsache die Verpflichtung zum Climate Pledge niederschwellig genug gestaltet. Denn zum aktuellen Zeitpunkt – zwei Jahre nach dessen Launch –, haben inklusive Amazon bereits insgesamt 115 Firmen The Climate Pledge unterzeichnet und sich damit verpflichtet, bis 2040 CO2-neutral zu arbeiten. Darunter befinden sich etwa Finanzunternehmen wie Klarna und Visa, die Getränkehersteller Heineken, Pepsico und Coca-Cola Europa sowie Technikunternehmen wie Philips, IBM, Microsoft und Siemens. Dazu kommen Firmen, die die Mobilitätsbranche in den letzten Jahren aufmischten (Lime, Uber), aber auch der britische Fernsehsender ITV und die Schuh- beziehungsweise Bekleidungsmarken Brooks Running und Vaude. Weitere große Namen sind der britische Konzern Unilever und Mercedes-Benz.

Ist The Climate Pledge mehr als nur Greenwashing?

All diese Unternehmen sind Amazons Aufruf gefolgt, sich für das Klima zu engagieren. Auf seiner englischsprachigen Webseite schreibt Amazon: „Wissenschaftler sagen uns, dass wir nur ein begrenztes Zeitfenster haben, um beispiellose Fortschritte zu machen, um die globale Erwärmung bis 2050 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Kein Unternehmen oder jede Organisation kann dies alleine tun und jeder muss seinen Teil beitragen.“

Wenn aber ein vielkritisiertes Unternehmen wie Amazon sich plötzlich als Klimaschützer positioniert, dauert es nicht lange, bis der Vorwurf laut wird, es handle sich um einen PR-Stunt und um Greenwashing. Ist da etwas dran?

Amazon Sustainability Report 2020

Der Amazon Sustainability Report 2020 (erst der zweite seiner Art) listet unter anderem folgende Erfolge auf, die das Unternehmen im letzten Jahr für sich verbuchen konnte:

Dazu kommen weitere ambitionierte Ziele. Bis 2025 möchte Amazon zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien arbeiten sowie die Hälfte seiner Sendungen bis 2030 CO2-neutral ausliefern.

Mit The Climate Pledge verpflichtet sich Amazon, bis 2040 CO2-neutral zu werden. Unter anderem durch die Verwendung von erneuerbaren Energien. Foto: Amazon

Amazons CO2-Ausstoss steigt 2020 um 19 Prozent

Der Sustainability Report dient aber eben auch dazu, die Treibhausgasemissionen von Amazon zu messen und darüber zu berichten. Und dieses Bild sieht etwas anders aus als dasjenige, das Amazons Erfolge und Ziele zeichnet. So hat das Unternehmen seine Kohlendioxidemissionen im Jahr 2020 nicht gesenkt. Im Gegenteil – sie sind um 19 Prozent gestiegen.

Amazon erklärt dies mit dem gesteigerten Umsatz während der Pandemie. Im Sustainability Report verweist die Firma darauf, dass sie als wachsendes Unternehmen nicht auf absolute Emissionen achtet, sondern auf die Kohlenstoffintensität. Das heißt, auf die Menge an Kohlenstoffemissionen pro Einheit einer weiteren Variablen. Im Falle von Amazon bedeutet diese Variable: pro US-Dollar Brutto-Warenumsatz. Amazon argumentiert also wie folgt: Sie haben ihren Umsatz im letzten Jahr so stark gesteigert, dass die CO2-Emissionen zwar gestiegen, aber im Verhältnis zum Umsatz eigentlich gesunken sind. Nämlich um 16 Prozent.

Greenpeace kritisiert Amazon

Wenn man Amazon fragt, befindet sich das Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit also auf der Überholspur. Die Umweltorganisation Greenpeace sieht das allerdings etwas anders. Noch im Jahr 2017 fällt Amazon in Greenpeace Green Electronics Guide (der sich auf Amazons eigene Elektronikgeräte bezieht) durch. Dies unter anderem aufgrund von mangelnder Transparenz was Lieferkette und Chemikalien am Arbeitsplatz angeht sowie die Nutzung von nicht erneuerbarer Energie.

Greenpeace schreibt im Bericht: „Amazon bleibt in Bezug auf seine Umweltleistung eines der am wenigsten transparenten Unternehmen der Welt, da es sich immer noch weigert, den Treibhausgas-Fußabdruck seiner eigenen Aktivitäten zu veröffentlichen.“ Heute, vier Jahre später, hat Amazon seine Transparenzstrategie umgekrempelt und legt seine Emissionen offen.

Amazon verdient viel Geld mit fossilen Brennstoffen

Trotzdem fällt Amazon im Vergleich zu anderen Tech-Giganten wie Google und Microsoft in Sachen Transparenz weiterhin ab. Greenpeace kritisiert, dass Amazon vieles nicht offenlege. So etwa die Art und Weise, wie das Unternehmen vorhabe die erneuerbare Energie zu beschaffen oder die Strategie, mit der es seinen CO2-Fußabdruck von 44,4 Millionen Tonnen CO2 jährlich auf Null zu senken gedenke. Amazon liefere außerdem nicht einmal grundlegende Informationen zu seinem Energiebedarf, was es Greenpeace verunmögliche, die Wirkung von Amazons erneuerbaren Energieprojekten realistisch einzuschätzen.

Was laut Greenpeace erschwerend dazu kommt: Amazons Bemühungen, zu 100 Prozent auf erneuerbare Energie zu setzen, beschränkt sich auf den eigenen Betrieb. Die Lieferkette, die immerhin über 75 Prozent von Amazons CO2-Fußabdrucks ausmacht, bleibt außen vor. Des weiteren schreibt sich Amazon Nachhaltigkeit auf die Fahnen, während es Ölunternehmen wie BP und Shell mit KI-Technologien versorgt. Damit bohren diese effizienter nach Öl, um fossile Brennstoffe herzustellen. Besonders konsequent ist das nicht.

Kritik kommt aber nicht nur vonseiten Greenpeace. Auch ITV – der britische Fernsehsender, der ebenfalls The Climate Pledge unterzeichnet hat – veröffentlichte im Juni diesen Jahres verstörende Bilder. Eine Untersuchung des News-Teams zeigte, dass Amazon in Großbritannien jährlich Millionen an Gegenständen zerstört – darunter Elektrogeräte wie ungeöffnete Apple-Produkte, Bücher und Schmuck. Bis zu 130 000 Gegenstände mussten Amazon-Mitarbeitende in Großbritanniens größtem Lagerhaus wöchentlich zerstören, die meisten davon in tadellosem Zustand.

The Climate Pledge ist Win-Win-Situation für Amazon

Das alles macht das Nachhaltigkeitsversprechen von Amazon deutlich unglaubwürdiger. Der Verdacht drängt sich auf, dass das Unternehmen noch weitere Beweggründe als Umweltschutz hat, sich so öffentlichkeitswirksam für Nachhaltigkeit einzusetzen. Neben dem Aufpolieren des eigenen Image steht dahinter bestimmt auch ein wirtschaftliches Interesse. Denn, so formuliert es der SWR-Reporter Julian Gräfle in der Sendung Marktcheck, Maßnahmen, die ein Unternehmen nachhaltiger aufstellen, bringen erst einmal hohe Investments mit sich. Auf Dauer lasse sich damit aber auch viel Geld einsparen – und wenn Amazon eines kann, dann ist das Sparen. Wenn sich die Einsparungen mit Klimaschutz verbinden lassen, und dabei das Unternehmen in ein positiveres Licht rückt, ist das eine Win-Win-Situation.

Sollte man The Climate Pledge entsprechend kritisch betrachten? Vielleicht. Es ist durchaus eine positive Entwicklung, dass sich Firmen öffentlich dazu bekennen, mehr für die Umwelt zu tun und ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Und dies mit mehr Transparenz und klar vorgegebenen Zielen. Es lohnt sich aber, genau hinzuschauen, und nicht jede Erfolgsmeldung direkt für bare Münze zu nehmen.

Und so können Sie Ihren eigenen CO2-Abdruck reduzieren: Grüner Leben mit der Klima-App.

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