Nach zweijähriger Bauzeit erstrahlt einer der schönsten Plätze Berlins in neuem Glanz, der Berliner Gendarmenmarkt – doch die Meinungen zum Ergebnis gehen weit auseinander. Die umfassende Sanierung des historischen Gendarmenmarkts, eingerahmt vom Deutschen Dom, Französischen Dom und dem Konzerthaus, hat eine lebhafte Debatte ausgelöst, die exemplarisch für die Herausforderungen moderner Stadtplanung steht.

Von der Vision zur Umsetzung
Das Sanierungsprojekt, das im Oktober 2022 begann und im Dezember 2024 abgeschlossen wurde, basiert auf einem intensiven Beteiligungsverfahren aus dem Jahr 2011. Die Planung übernahmen das Büro Rehwaldt Landschaftsarchitekten für die Freianlagen und PST Ingenieure für die technische Ausrüstung, nachdem das Land Berlin 2018 die Projektleitung an Grün Berlin übertragen hatte.
der Berliner Gendarmenmarkt: Rund 14.000 Quadratmeter Fläche wurden erneuert, wobei etwa 6.000 Tonnen Natursteinpflaster bewegt werden mussten. Die Pflasterrasterung orientiert sich am historischen Vorbild und wurde gleichzeitig für die heutigen Anforderungen angepasst.
Moderne Infrastruktur unter historischem Pflaster
Ein Kernstück der Sanierung ist die Installation eines unterirdischen, fünf Kilometer langen Leitungsnetzes für Strom, Wasser und Abwasser. Mit über 50 versenkbaren Trinkwasser- und Schmutzwasseranschlüssen sowie rund 30 unterirdischen Stromanschlüssen können Veranstaltungen wie das Classic Open Air oder der Weihnachtsmarkt künftig unabhängig vom Konzerthaus stattfinden.
Diese technische Infrastruktur beseitigt nicht nur Gefahrenstellen wie Kabelbrücken, sondern verkürzt auch die Auf- und Abbauzeiten bei Veranstaltungen erheblich – ein Vorteil für Besucher wie Veranstalter gleichermaßen.
Klimaresilienz durch innovatives Wassermanagement
Ein besonderes Augenmerk der Sanierung lag auf der Klimaanpassung. Ein nachhaltiges Regenwassermanagement sammelt Niederschlagswasser, reinigt es in unterirdischen Anlagen vor und führt es über sechs Rigolen dem Grundwasser zu. Dieses System funktioniert nach dem Schwammstadt-Prinzip: Bei Starkregen halten die Rigolen überschüssiges Wasser zurück, entlasten die Kanalisation und verhindern lokale Überschwemmungen.
Michael Herden, Sprecher der Senatsverwaltung für Verkehr und Klimaschutz, bezeichnet den Platz daher als „ökologisch nachhaltig“ – ein Argument, das in der öffentlichen Debatte nicht alle überzeugt.
Die Vegetation: Streitpunkt der Neugestaltung
Der größte Kritikpunkt an der Neugestaltung betrifft die Vegetation. Im Rahmen der Baumaßnahmen wurden 23 Bäume entfernt, jedoch nur sechs neue gepflanzt – drei japanische Schnurbäume (Sophora japonica) und drei Magnoliengehölze im südlichen Platzbereich.
Die Senatsverwaltung begründet die begrenzte Begrünung mit verschiedenen Faktoren: denkmalpflegerische Vorgaben, der Erhalt freier Sichtachsen auf die Dome und das Konzerthaus sowie technische Einschränkungen durch unterirdische Anlagen und die U-Bahn. Zudem wird betont, dass die gewählten japanischen Schnurbäume mit Kronendurchmessern von 12 bis 18 Metern hervorragende Schattenspender seien und eine extreme Toleranz gegenüber Hitze, Trockenheit und Abgasen aufwiesen.
Kritiker sehen "Stadtglatze" und "Steinwüste"
In sozialen Medien häufen sich kritische Stimmen, die den neuen Gendarmenmarkt als „Stadtglatze“ oder „Steinwüste“ bezeichnen. Selbst der ehemalige CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet meldete sich zu Wort und bezeichnete das Ergebnis als „weder ästhetisch noch denkmalpflegerisch oder klimaresident nachvollziehbar“.
Der Klimaaktivist Heinrich Strößenreuther (Grüne) warnt, der Platz würde sich in den Sommermonaten stark aufheizen und könnte für ältere Menschen gefährlich werden. Mit seiner „Initiative BaumEntscheid“ fordert er mehr Bäume für bessere Kühlung und Luftqualität. Sein Vorschlag: Entlang der Straße alle 15 Meter ein Baum sowie etwas Rasen in der Mitte des Platzes.
Barrierefreiheit als Fortschritt
Ein bedeutender Fortschritt der Neugestaltung ist die verbesserte Barrierefreiheit. Die in den 1980er Jahren angelegten Aufkantungen wurden entfernt und der Platz wieder höhengleich an die Gehwege angeschlossen. Am Deutschen und Französischen Dom sowie am Konzerthaus wurden barrierefreie Zugänge geschaffen. Der Gehweg der Charlottenstraße wurde nach Westen verbreitert, indem der bisherige Parkstreifen entfernt wurde.
Historische Kontinuität oder problematisches Erbe?
Die Gestaltungsgeschichte des im 17. Jahrhundert als Marktplatz angelegten Areals ist komplex. Laut einem Bericht des Landesdenkmalamts wurzeln die Pläne für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg ursprünglich in der NS-Zeit. 1936 wurden zur Olympiade Vegetationsflächen vor dem Schauspielhaus und das Schillerdenkmal entfernt, um eine einheitliche gerasterte Fläche anzulegen, die als Aufmarsch- und Parkplatz diente.
Die aktuelle Neugestaltung des Berliner Gendarmenmarkt orientiert sich an einer Rasterung, die ursprünglich aus dieser Zeit stammt und in der DDR-Ära fortgeführt wurde – ein Aspekt, der die Debatte zusätzlich verkompliziert.
Verschiedene Perspektiven der Beteiligten
Berlins Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) räumt ein, dass man unterschiedliche Meinungen haben könne, hält aber am Gesamtkonzept fest. Er empfiehlt Kritikern, sich die Gestaltung erst einmal in Ruhe anzuschauen. Obwohl er persönlich Gefallen an mehr Bäumen fände, verweist er auf die Nutzung des Platzes als Veranstaltungsort, wofür zu viel Grün hinderlich wäre.
Der Berliner Landeskonservator Christoph Rauhut steht ebenfalls hinter der Neugestaltung und befürwortet die Grundsatzentscheidung, dass der Gendarmenmarkt ein städtischer Platz bleibt.
Gabi Jung, Landesgeschäftsführerin des BUND Berlin, zeigt hingegen Verständnis für die begrenzte Begrünung und lenkt den Blick auf andere Bereiche. Sie meint, dass bei städtebaulichen Planungen zwar grüne Flächen geschaffen und erhalten werden sollten, es aber andere Orte in Berlin gebe, bei denen mehr Grün und Entsiegelung dringender notwendig wären, wie die Leipziger Straße oder die Fläche am Humboldt-Forum.
Ein Kompromiss mit offenem Ausgang
Die Sanierung des Gendarmenmarkts illustriert einen grundlegenden Zielkonflikt moderner Stadtplanung: Wie lassen sich historisches Erbe, kulturelle Nutzung und Klimaschutz in Einklang bringen?
Seit dem 13. März 2025 ist der Platz nach der Übergabe an den Bezirk Berlin Mitte wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Ob sich die von Senator Gaebler prophezeite Beruhigung der Aufregung einstellen wird, bleibt abzuwarten. Die Debatte um den Gendarmenmarkt dürfte jedenfalls nicht die letzte ihrer Art sein in einer Stadt, die zwischen Tradition und Klimaanpassung ihren Weg finden muss.
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