17.04.2025

Projekt

BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten: Mainufer Frankfurt an der Ruhrorter Werft

Wiederverwendete Materialien, wie das Großsteinpflaster, tragen zur Reduktion von CO2-Emissionen bei und erhalten gleichzeitig historische Elemente der ehemaligen Werft. © BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten

Oasen sind im allgemeinen Sprachverständnis kleine Vegetationsflächen an einer Quelle oder Wasserstelle umgeben von lebensfeindlicher Wüste. Übertragen auf unsere modernen Großstädte heben sich Grünoasen von den versiegelten Gebäude- und Infrastrukturflächen ab und lassen Stadtbewohner*innen aufatmen. Und das im doppelten Sinne: Einerseits als Orte des Rückzugs und der freien Aneignung im Grünen, andererseits auch durch die klimatischen Effekte der Abkühlung und Beschattung. In diesem Sinne ist der Mainuferabschnitt an der der ehemaligen Ruhrorter Werft eine Grünoase im besten Sinne. Im Folgenden stellt das Büro BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten sein Projekt selbst vor. 


Vom Industrieareal zur Grünoase

Lange Zeit waren die industriell genutzten und dann brachgefallenen Flächen der Ruhrorter Werft kaum nutzbar und alles andere als ein einladender Ort. Mit der dynamischen Stadtentwicklung im Osten Frankfurts rückte das Areal aber verstärkt in den Fokus. Das übergeordnete Ziel der Stadt Frankfurt war es, den Bürger*innen und Bürgern diesen Teil des Mainufers als Park- bzw. Erholungsfläche zurückzugeben. Mit der Umgestaltung der Ruhrorter Werft zu einer öffentlichen Grünfläche konnten zudem die beiden übergeordneten Grünverbindungen, die Mainuferpromenade und der Frankfurter Grüngürtel miteinander verbunden werden.


Grünoase im heterogen Stadtraum

Das neuzugestaltende Areal brachte besondere Herausforderungen mit sich, denn hier begegnen, kreuzen und berühren sich die verschiedensten Anforderungen und Nutzungen. Die Deutschherrnbrücke überschirmt darüber hinaus große Teile der Flächen. In diesem heterogenen Umfeld galt es, mit der Planung eine Verbindung zu allen umliegenden Stadträumen und eine eigenständige Freianlage zu entwickeln.

© Nikolai Benner, BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten
Die Pflanzinseln bieten mit ihrer artenreichen Staudenbepflanzung nicht nur einen visuellen Genuss, sondern tragen aktiv zur Förderung der Insektenvielfalt bei und schaffen wertvolle Lebensräume inmitten der Stadt. © Nikolai Benner, BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten
© Nikolai Benner, BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten

Fließende Parkwege und bewegte Wiesenflächen

Der Entwurf reagierte auf diese städtebauliche Besonderheit, indem er die weitläufigen Wegenetze und Flächen des Grüngürtels zu einem Band aus fließenden Parkwegen und leicht bewegten Wiesenflächen verdichtet. Auf Höhe der Deutschherrnbrücke umspielt das faserartige Wegenetz eine Reihe von neu entstandenen Pflanzinseln mit kontrastreichen Stauden- und Gräserpflanzungen auf einer Fläche von über 1 000 Quadratmeter. Da sich die Pflanzflächen zum Teil im Schatten des Brückenbauwerks befinden, entstanden Pflanzflächen mit unterschiedlichen Standortansprüchen (Vollsonne, Halbschatten und Schatten). Als Grundlage dienten die erprobten Veitshöchheimer Staudenmischungen des Arbeitskreises Pflanzenverwendung im BdS. Im Verlauf des Jahres wechseln die Beete ihre Charakterfarben. Den bunten Blüten im Frühling folgt später eine von Blau und Weiß geprägte Phase, unter anderem durch Katzenminze, blauen und weißen Salbei oder Ehrenpreis. Anfang Juli gewinnt dann Gelb, vor allem durch die Blüten der Taglilien, Schafgarben und Mädchenaugen die Oberhand. Die in der Höhe gestaffelte Pflanzung, auch mit Lilien, Prärielilien Silberkerzen, Funkien oder Schaublatt wirkt dann unter der Bahnbrücke wie hintereinander aufgebaute Kulissen.


Kontrastreiche Begegnung: Grünzug und Frankfurter Skyline

Der durch die strukturreiche Vegetation geprägte Grünzug bildet einen starken Kontrast zur Frankfurter Skyline und wird bis an das Mainufer geführt, wo er sich mit der Mainuferpromenade verbindet. Die Promenade wird von einer Baumreihe aus Platanen begleitet, der Leitart der Frankfurter Mainufer.  Entsprechend des hohen Nutzungsdrucks wurde die Promenade mit robusten Holzpodesten und Sitzmöbeln ausgestattet. Diese bestehen aus einer Stahlunterkonstruktion sowie massiven Auflagen aus Lärchenleimholz und wurden eigens für den Standort entwickelt.


Vom Werftgelände zum klimafreundlichen Stadtpark

Die Ruhrorter Werft entstand 1910 als Teil des Osthafens. Hauptsächlich wurde hier Kohle für ganz Frankfurt umgeschlagen, die mit Schiffen gebracht und in der Ruhrorter Werft auf Halden verladen wurde. Bewusst wurden viele Elemente der industriegeschichtlichen Epoche erhalten. Die letzten beiden von einst dreizehn Verladekränen, wurden aufwendig saniert. Die Relikte der ehemaligen Werftnutzung wurden bewusst erhalten und in die Neugestaltung integriert und damit Teil der Transformation in eine postindustrielle Parklandschaft. So auch die die Gleisanlagen in Höhe der historischen Großmarkthalle, die in die Gedenkstätte für die deportierten Frankfurter Jüd*innen integriert wurden (Entwurf: KATZKAISER, 2011).

Die Grünoase am Mainufer bildet einen markanten Kontrast zur Frankfurter Skyline und bietet einen ruhigen Rückzugsort inmitten der Stadt. © Nikolai Benner, BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten
© Nikolai Benner, BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Planung

Aus stadtklimatischen Gründen war es durchaus relevant, trotz des hohen ökonomischen Verwertungsdrucks dieser innenstadtnahen Lage, eine möglichst große Fläche frei von Bebauung zu halten. Mit dieser Entscheidung erfüllt die „Ruhrorter Werft“ einen wichtigen Beitrag zum lokalen Klimaschutz bzw. zur Klimaanpassung.

Folgende Maßnahmen tragen zu einer positiven Bilanz bei: Die Einsparung von CO2 und Energie erfolgt durch die Wiederverwendung vorgefundener Elemente und Materialien, wie etwa die Säuberung und der Wiedereinbau des Großsteinpflasters. Darüber hinaus wurden neue Oberflächen größtenteils in hellen Farbtönen angelegt, was den sogenannten Albedo-Effekt fördert. Ein weiterer wichtiger Schritt war die Erhöhung des Anteils unbefestigter Flächen, was zur Verbesserung der natürlichen Wasseraufnahme und -versickerung beiträgt. Zudem wurde durch die Pflanzung zahlreicher Stadtbäume eine wirksame Schattenbildung erreicht, die zur Kühlung des Areals beiträgt. Für die Entwässerung des Oberflächenwassers wurden Kies-Rigolen an den Tiefpunkten der Pflanzinseln eingebaut. Diese Maßnahme sorgt dafür, dass das Wasser effektiv in die Rasen- und Pflanzflächen abgeführt wird und eine Vernässung der Flächen vermieden wird. Die Bewässerung des Geländes erfolgt mit Uferfiltrat aus dem Main, wodurch Trinkwasser eingespart wird. Zudem wurde eine artenreiche Wieseneinsaat statt der vorgesehenen Rasenflächen umgesetzt, um die Biodiversität zu fördern. Die Staudenbepflanzung in den Pflanzinseln trägt zur Erhöhung der Insektenvielfalt bei. Zur Förderung weiterer Artenvielfalt wurden Fledermaushabitaten durch Bohrungen in den Brückenpfeilern und neuen Nistkästen geschaffen. Abschließend wurden auf dem Gelände der EZB-Außenflächen Vernetzungsmaßnahmen für Eidechsenhabitate getroffen, etwa durch Sandlinsen in den Wiesenflächen, das Einbringen von Grobschotter in den Gleiskörpern oder das Anlegen von Tiertreppen in der Bahntroganlage.


Lieblingsort am Main

Gemessen am Nutzerdruck besteht auf dem Areal eine sehr hohe Aufenthaltsqualität. Für viele Frankfurterinnen und Frankfurter ist es mittlerweile ein Lieblingsort in der Stadt geworden. Liegt der Schwerpunkt des benachbarten Hafenparks eindeutig auf der sportlichen Nutzung ist das Mainufer an der Ruhrorter Werft ein nutzungsoffener, im besten Sinne urbaner Freiraum. Die meisten Menschen flanieren und schlendern auf den öffentlichen Wegen. Ein besonderer Anziehungspunkt ist das Restaurant „Oosten“ in einem der restaurierten Verladekräne, das mit seiner Außengastronomie zusätzlich zur Belebung beiträgt.


Erholung und Natur genießen

Neben den zahlreichen Bankelementen laden Wiesenflächen die zahlreichen Erholungssuchenden ein, sich zu Sonnen oder zu Picknicken. Mit zunehmender Kronenausbildung der neugepflanzten Bäume wird der Ort auch in den heißen Stadtsommern ein gut erträglicher Ort bleiben.  Da man beinahe vom gesamten Areal die Skyline der Stadt Frankfurt sehen kann und sich auch in Sichtweite des Mains bewegt, hat der Ort einen sehr besonderen und urbanen Charakter. Hohe Aufmerksamkeit bekommen die Pflanzinseln, mit ihren üppigen und stets wechselnden Pflanzbildern. Viele Besucher sind fasziniert der Staudenvielfalt und fotografieren die Blütenpracht.


Mainufer Frankfurt an der Ruhrorter Werft

Auftraggeberin: Stadt Frankfurt am Main, Grünflächenamt der Stadt Frankfurt
Entwurfsverfasser:innenLandschaftsarchitektur: BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten Part.GmbB – Klaus-Dieter Aichele, Günter Schüller
weitere Planungsbeteiligte:
Dorsch International Consultants GmbH (Ingenieurbau, Bahnsperrwerk)
Twelbeck-Landschaftsökologie und Zoologie (ökologische Untersuchung)
Schubert und Seuss Architekten (Architekten Oosten)
KATZKAISER, Marcus Kaiser und Tobias Katz GbR (Architekten Erinnerungsstätte)
Am Bau beteiligte Firmen: Fichter Garten-und Landschaftsbau GmbH & Jean Bratengeier Bau-GmbH (Erinnerungsstätte-Platzbereich)
Bearbeitungszeitraum: 2008 –2020 in mehreren Bauabschnitten

Weiterlesen: In der G+L 09/24 stellen wir 54 Stadtoasen aus fünf Ländern vor. Das Heft ist im Shop erhältlich. Weiter grüne Oasen sind hier zu entdecken.

 Außerdem: Frankfurt verzeichnet deutschlandweit die höchsten Jahresmitteltemperaturen – wie reagiert die Stadt auf die Erhitzung als Folge des Klimawandels?

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