03.02.2021

Porträt

„Warnow bietet Rostock eine einmalige Chance“

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Die Stadt Rostock will in wenigen Jahren die BUGA 2025 ausrichten, und ein komplett neuer Stadtteil am Osthafen soll eines ihrer Kernprojekte werden: das Warnowquartier – gefördert mit insgesamt 74,2 Millionen Euro. Vergangenen Sommer haben uns für die Juniausgabe 2020 der Garten+Landschaft mit Anja Epper, Sachgebietsleiterin im Rostocker Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft, über die Rostocker Wasserprojekte der Zukunft unterhalten.

Anja Epper ist Sachgebietsleiterin für das Sachgebiet Bauvorhaben und Stadtgestaltung im Rostocker Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft.

Der direkte Austausch fehlt

Anja Epper, starten wir mit einem aktuellen Projekt der Stadt Rostock. Die Hansestadt bemüht sich bereits seit knapp zehn Jahren um die Fortschreibung des Strukturkonzepts für Warnemünde, dem wohl bekanntesten Ortsteil der Stadt. Es hakt aber immer wieder in der Umsetzung. Wieso?

Im Jahr 2011 beschloss die Rostocker Bürgerschaft das Strukturkonzept Warnemünde. Eine regelmäßige Evaluierung wurde bereits im Beschluss verankert. Mit dem Prozess der Fortschreibung hat man 2016/17 begonnen. Eine Reihe von Fragen zu den verschiedenen Handlungsfeldern im Strukturkonzept konnten in der Fortschreibung nicht beantwortet werden, da sowohl politische Entscheidungen zu dem Zeitpunkt nicht vorlagen oder Entscheidungen nicht zu treffen waren.

Dies betraf unter anderem die weitere Entwicklung der Werftflächen im Südosten des Ortsteils, den Umgang mit dem Parkraumkonzept, die weitere Entwicklung eines möglichen Caravanstellplatzes sowie die Entwicklung des Wohnungsmarktes. Zentrales Thema war aber auch die zukünftige Entwicklung der Mittelmole. Hier war zu einigen wenigen, aber wesentlichen Punkten kein Konsens in der Zivilgesellschaft und der Politik, aber auch mit den Eigentümern der Flächen und der Fachverwaltung zu erlangen.

Infolgedessen hat der neue Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen vergangenen September die Planungen zur künftigen Nutzung und Bebauung der Warnemünder Mittelmole vorerst gestoppt. Warum ist die Entwicklung der Fläche so schwierig?

Die weitere Planung zur Mittelmole in Warnemünde ruhte vergangenes Jahr. Mit der Entscheidung des Oberbürgermeisters beginnen wir wieder mit dem Arbeitsprozess einschließlich der Beteiligung zur Fortschreibung. An der Mittelmole zeigt sich – wie an vielen Orten – ein klassischer Konflikt: Die Bewohner wünschen sich keine oder eine sehr kleinteilige bzw. geringe Bebauung, die eher historisierend gestaltet ist. Gleichzeitig ist der Wunsch nach gemeinschaftlichen Freiflächen und Orten der Begegnung groß. Investoren wollen die notwendigen Wohnungen und Infrastruktur errichten, die aber auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten sind. Zudem ist bei Neubauvorhaben in der Regel eine zeitgemäße Architektur gefragt.

Zum Start der Bürgerbeteiligung sollte es vergangenen April eine öffentliche Ausstellung geben. Dann kam die Corona-Pandemie. Wie ist der weitere Plan?

Die Corona-Pandemie hat – gegebenenfalls auch langfristig – starke Auswirkungen auf die Beteiligung der Öffentlichkeit an Planungsprozessen. Daher überlegen wir derzeit, welche Beteiligungsformate wir online durchführen können. Dazu zählt unter anderem eine Ausstellung. Aber bei allen digitalen Lösungen fehlt immer der direkte Austausch. Das ist insbesondere bei der informellen Beteiligung schwierig. Für andere Formate wie Bürgerversammlungen suchen wir ebenso nach entsprechenden Lösungen, die man in dann kleinen Gruppen und dem nötigen Mindestabstand durchführt.

Wasser als Wirtschaftsgrundlage

Als Hansestadt sind Sie im Rostocker Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft im besonderen Maße damit konfrontiert, wie man mit Wasser in der Stadt umgeht. Welche Bedeutung hat das Element Wasser für die Stadt Rostock?

Der Bezug zum Wasser war in der Geschichte der Stadt stets von herausragender Bedeutung. Die städtische und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt basiert bis heute – und absehbar auch in Zukunft – auf ihrer Lage an der Ostsee/Warnow. Vor allem Häfen, Schiffbau, Marine, Tourismus und Fischfang sind hierbei zu benennen. Gerade die Facetten und Veränderungen in diesen Bereichen treiben die Stadtentwicklung ständig voran. Neben dem steigendem Bedarf an Wohnraum und allen Folgeeinrichtungen für die zahlreichen Beschäftigten sind das die Standortvoraussetzungen im Einzelnen, wie mehr und andere Flächen sowie ihre Ein- und Anbindung, aber auch Verlagerungen oder das Aufgeben von Flächen, was neue planerische Möglichkeiten eröffnet.

Im Grundsatz geht es planerisch darum, das Wasser und alle notwendigen Flächen als Wirtschaftsgrundlage zu sichern und gleichzeitig den Zugang und die Erlebbarkeit des Wassers für die Öffentlichkeit zu verbessern. Natürlich ist in diesem Zusammenhang dabei auch die Vielzahl ökologischer und naturschutzrechtlicher Belange zu beachten.

Meeresspiegelanstieg berücksichtigen

Welchen Herausforderungen müssen Sie sich in Rostock aufgrund der Meeresnähe gesondert stellen?

Eine besondere Herausforderung besteht im Schutz gegen Sturmfluten, also im Hochwasserschutz. Die fachliche Zuständigkeit für den Hochwasserschutz liegt beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt, Mittleres Mecklenburg (StALU MM). Das StALU MM ist sowohl für den Schutz der Außenküste als auch den Schutz entlang der Warnow zuständig. Zwischen dem StALU MM und der Stadt (vordergründig Amt für Umweltschutz, aber unter anderem auch Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft) findet ein ständiger Abstimmungsprozess statt. Dieser bezieht sich auf grundsätzliche Fragen wie den Verlauf der Hochwasserschutzlinie und das Freihalten gefährdeter Bereiche von baulicher Nutzung, aber auch auf die jeweils konkreten baulichen Einzelmaßnahmen.

Aus stadtplanerischer Sicht liegen die Schwerpunkte in der Sicherung des notwendigen Schutzes für geplante neue Baugebiete (unter anderem in den Höhenlagen von Straßen und Fußböden), aber auch in der Form der Ausführung und Gestaltung von Schutzanlagen (insbesondere in sensiblen Bereichen wie dem Alten Strom in Warnemünde und dem Stadthafen). Ein zusätzliches wichtiges Thema ist die Berücksichtigung des klimawandelbedingten Anstiegs des Meereswasserspiegels.

Rostock: Grüne Stadt am Meer

Sie erarbeiteten seit 2018 den sogenannten „Zukunftsplan Rostock“. Worum geht es hier?

Der „Zukunftsplan Rostock“ ist der Arbeitstitel für den künftigen Flächennutzungsplan der Hanse- und Universitätsstadt Rostock. Der 2006 von der Bürgerschaft beschlossene und 2009 neu bekannt gemachte Flächennutzungsplan hat sich bisher als vorbereitender, generalisierter Plan zur Steuerung der räumlichen Entwicklung der Stadt bewährt. Ausgehend von der künftig zu erwartenden Entwicklungsdynamik in vielen Bereichen zeichnet sich jedoch ab, dass der gegenwärtig rechtswirksame Flächennutzungsplan die zukünftig notwendige Entwicklung nur noch unzureichend abbildet.

Das Schrittmaß, mit dem sich Rostock in den nächsten Jahren entwickeln muss, bedarf einer ganzheitlichen und zusammenhängenden Neubetrachtung. Daher hat die Bürgerschaft bereits 2017 beschlossen, den Flächennutzungsplan neu aufzustellen. In Vorbereitung dieser Aufstellung wurde 2018/19 ein umfangreicher Stadtdialog zum intensiven Austausch der Öffentlichkeit zu den Inhalten des „Zukunftsplans Rostock“ durchgeführt.

Außerdem gibt es noch die Leitlinien von „Rostock 2025“, die Rostock unter anderem als „Grüne Stadt am Meer“ definieren …

Genau, die Leitlinien zur Stadtentwicklung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock wurden im Jahr 2012 von der Bürgerschaft beschlossen. Sie stellen den langfristigen strategischen Handlungsrahmen für die Stadt Rostock auf ihrem Weg zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung bis zum Jahr 2025 dar. Sie bilden die Grundlage für das Integrative Stadtentwicklungskonzept (ISEK), die Bauleitplanung und alle kommunalen Fachkonzepte und Fachplanungen. Dazu zählt beispielsweise auch der „Zunkunftsplan Rostock“ (Flächennutzungsplan). Der Zukunftsplan zielt auf das übergeordnete Leitbild („Rostock als Regiopole positionieren“) ab und trägt zur Erreichung der in den acht Leitlinien (zum Beispiel der Leitlinie „Grüne Stadt am Meer“) sowie den Querschnittsaufgaben genannten Zielen bei.

Projekte der BUGA 2025

Hamburg hat kürzlich seine Planung für den Stadtteil Grasbrook verkündet. Auf welche Projekte dürfen wir uns in den kommenden Jahren in Rostock freuen? Was planen Sie?

Die Mittelmole in Warnemünde haben Sie ja bereits erwähnt. In Verbindung mit dieser Planung steht der derzeitig in der Planung befindliche Umbau weiterer Kaianlagen im Bereich des ehemaligen Werftbeckens für den Kreuzfahrttourismus und landseitig zusätzliche Gewerbeflächen. Ein für die Stadtentwicklung von Rostock besonders wichtiges Projekt ist die Bewerbung um die Ausrichtung der BUGA 2025, mit vielen weitreichenden Einzelmaßnahmen und unmittelbarem Bezug zur Warnow.

Stadthafen während der BUGA (Visualisierung: Runze & Casper Werbeagentur GmbH, Berlin)

Findet die BUGA 2025 statt?

 

Im Zusammenhang mit der Planung zur BUGA 2025 steht das Landesmuseum für Archäologie, das im Stadthafen errichtet werden soll. Ein weiteres herausragendes Projekt mit unmittelbarem Bezug zum Wasser ist der geplante „Ocean Technology Campus“ (OTC), mit dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) als Kern sowie einem großflächigen Unterwasser-Testfeld „Digital Ocean Lab“. Das OTC soll im Gebiet des Rostocker Fracht- und Fischereihafens sowie auf dem Gelände des südlich angrenzenden ehemaligen Schlachthofes entstehen.

Außerdem plant die Stadt die Entwicklung eines neuen, gemischt genutzten Quartiers am Ostufer der Unterwarnow. Dem Warnowquartier.

Ja, das Warnowquartier soll als eine grüne Modellstadt der Zukunft entwickelt werden – ein Experimentierquartier, welches beispielhafte Lösungen für drängende Problemlagen unserer heutigen Zeit aufzeigt. Angefangen bei der Entwicklung eines regenerativen Energiekonzepts für das Quartier über die Beantwortung der Frage nach einer zukunftsfähigen Organisation des täglichen Zusammenlebens der Bewohner*innen sowie Überlegungen, welche Aufgaben öffentliche Frei- und Grünräume in den kommenden Jahren übernehmen sollten und wie sich neue Mobilitätskonzepte nachhaltig umsetzen lassen, sollen innovative Ideen sowie bewährte Maßnahmen der Quartiersentwicklung in die Konzeptfindung einfließen.

Es soll ein modernes Quartier für alle mit einer modellhaften Bebauung und vielen Freiräumen entstehen. Ein Ort der Vielfalt und flexiblen Nutzungen mit einer robusten, zukunftsoffenen Grundstruktur. Dabei wird auch das Bauen auf dem Wasser einen besonderen Stellenwert einnehmen und ein architektonisches Highlight bilden. Für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock bietet sich mit diesem Vorhaben die einmalige Chance, das Thema Leben auf dem Wasser erstmals in der Stadt umzusetzen und sich dadurch mit originellen, zukunftsweisenden und vorbildhaften Lösungen zu präsentieren. Im Rahmen der BUGA 2025, die in Rostock stattfinden wird, soll ein Hauptaugenmerk der Besucher*innen auf eben dieser Attraktion liegen, womit ein weiterer Beitrag zur maritimen Imagebildung der Stadt geleistet werden kann.

Die BUGA 2025 soll trotz Corona-Pandemie stattfinden.

Anja Epper studierte Architektur mit Schwerpunkt Städtebau an der RWTH Aachen. Im Rostocker Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft ist sie seit 1996 Sachgebietsleiterin für das Sachgebiet Bauvorhaben und Stadtgestaltung. Anja Epper ist Mitglied der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsmitglied im SRL e.V.

Interessiert an Bundesgartenschauen? Lesen Sie hier mehr zur BUGA Heilbronn.

Das Interview erschien erstmals in der Juniausgabe 2020 der Garten + Landschaft.

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