Die Architekt*innen Beatriz Ramo und Bernd Upmeyer entwarfen für sich selbst eine Zweitwohnung im Zentrum Rotterdams. Das Ungewöhnliche: Die vier Räume des Apartments kommen auf einer Fläche von rund sieben Quadratmetern unter. Welche Strategien die Architekt*innen hierfür einsetzten und welche Inspiration sich aus dem Projekt ziehen lässt, lesen Sie hier.
Nach eigenen Wünschen entworfene Wohnung
47,7 Quadratmeter – das war laut Statistischem Bundesamt die durchschnittliche Wohnfläche für eine Person Ende 2021 in Deutschland. Dass sich auch auf wesentlich kleinerer Fläche eine vollständig ausgestattete Wohnung einrichten lässt, zeigt ein Projekt aus den Niederladen: Le Cabanon hat eine Grundfläche von rund sieben Quadratmetern. Bei dem Konzept dieser Wohnung wäre es aber eigentlich passender, nicht auf die Fläche, sondern das Volumen zu blicken. Die Architekt*innen unterteilten den verfügbaren Raum nämlich nicht nur vertikal, sondern modulierten auch die Raumhöhe. So entstanden vier unterschiedliche Räume, die nicht nur neben-, sondern auch übereinander angeordnet sind.
Das Mini-Apartement ist im Zentrum Rotterdams zu finden. Die Architekt*innen bauten einen Lagerraum im obersten Geschoss eines Wohnhauses aus den 50er-Jahren um. Hinter dem Projekt stehen Beatriz Ramo von STAR strategies + architecture und Bernd Upmeyer von BOARD (Bureau of Architecture, Research and Design). Beide Büros sind in Rotterdam ansässig. Ramo und Upmeyer sind zudem die Eigentümer*innen und Nutzer*innen von Le Cabanon – sie entwarfen es als speziell an ihre Wünsche angepasste Zweitwohnung.
Versteckte Einbauküche
Das Volumen von Le Cabanon ist in vier Räume unterteilt. Die Wohnung ist insgesamt drei Meter hoch, 1,97 Meter breit und 3,6 Meter lang. Die vier Räume setzen sich farblich, teils auch in den Materialien voneinander ab. Die Tür zur Wohnung öffnet sich nach außen, sie führt in das Wohnzimmer. Dieses ist vollständig in Korallenrot-Tönen gehalten. Die Wand gegenüber der Tür ist mit geometrischem All-Over-Muster bedeckt. Linkerhand nimmt ein Fenster fast die gesamte Wandfläche ein, davor ist eine niedrige Bank angebracht. Das Wohnzimmer erstreckt sich als einziger Raum über die volle Raumhöhe des Apartments.
Die Wand gegenüber dem Fenster ist in zahlreiche Türen und Schubladen mit runden Grifflöchern unterteilt. Sie sind ebenfalls in Korallenrot gehalten. Hinter den Schranktüren verbirgt sich eine kleine Einbauküche inklusive Waschbecken, Kühlschrank, Kochfläche, Mikrowelle und ausklappbarem Tisch.
Regendusche, Infrarot-Sauna und Whirlpool
Oberhalb der Schränke öffnet sich das Schlafzimmer, das über eine mobile Leiter erreichbar ist. Die Leiter ist, wenn nicht in Gebrauch, an der Rückseite der Badezimmertür verstaut. Beim Schlafzimmer zeigt sich ein Charakteristikum von Le Cabanon: Die Architekt*innen passten die Raumhöhe auf die jeweilige Funktion an. Maßstabsgeben dafür waren die Körper der zwei Architekt*innen selbst. Das Schlafzimmer hat eine Höhe von 1,14 Metern und ist 1,35 Meter breit. Den Architekt*innen zufolge genug, um darin zu schlafen oder zu sitzen. Der Schlafbereich ist in Mintgrün gehalten und setzt sich so vom Wohnzimmer ab. Schiebetüren neben dem Bett öffnen sich zu eingebautem Stauraum.
Vom Wohnzimmer aus führt eine höhere Türe neben den Schränken der Küche zu einem schmalen, hellblau gefliesten Raum. An dessen Decke ist der Kopf der Regendusche montiert. Die Toilette findet am Ende des Raums Platz. Eine Schiebetür öffnet sich seitlich zum vierten Raum von Le Cabanon: dem Spa. Ausgestattet mit Infrarot-Sauna und Whirlpool, ist der Raum komplett in schwarzem Marmor verkleidet.
Im nachstehenden Video, konzipiert von STAR und produziert von Daniel Grapes, erschließen sich die Tänzer Guido Dutilh und Boston Gallacher die Räume von Le Cabanon in Rotterdam.
Bauprozess an Ausstattung angepasst
Le Cabanon ist nach der Hütte benannt, die Le Corbusier an der Côte d’Azur nahe der Villa E-1027 von Eileen Gray entwarf und errichtet. Die Referenz geht noch darüber hinaus: Das modulieren der Raummaße anhand der Körpergröße lässt an Le Corbusiers „Modulor“ denken. Doch Ramo und Upmeyer personalisierten das Konzept nach ihren eigenen Maßen. Was sie mit Le Cabanon außerdem zeigen möchten: Nicht jeder Raum benötigt dieselbe Höhe. Je nach Funktion kann diese variieren. In der Konsequenz könnte verfügbarer Raum durch eine optimierte Aufteilung besser genutzt, in gewisser Weise gar vergrößert werden.
Ein weiterer Faktor im Entwurf von Le Cabanon waren die Maße von handelsüblichen, erschwinglichen Produkten. Anstelle von Maßanfertigungen, die wohl mit höheren Kosten verbunden gewesen wären, planten die Architekt*innen nach eigener Angabe mit den Elementen, die später in den Räumen unterkommen sollten: das Schlafzimmer entsprechend der gewünschten Matratzengröße, den Spa nach der Größe der Badewanne, die Küche passend zur Tiefe des Minikühlschranks. Selbst der Bauprozess richtete sich nach der Ausstattung. So fand der Whirlpool seinen Platz, bevor die Wände darum herum errichtet wurden.
Le Cabanon: Kleinste Wohnung der Welt
Das Mini-Apartment hat experimentellen Charakter, und es kann inspirieren. Den Architekt*innen zufolge könne Le Cabanon dabei helfen, Wohnraum und Kosten zu optimieren. Wichtig ist ihnen dabei, dass es nicht darum gehe, Fläche zu reduzieren, um erschwingliche Wohnungen bauen zu können. Vielmehr kann man Le Cabanon als Denkanstoß verstehen, darüber nachzudenken, welche Räume eigentlich welche Höhe benötigen. Wie vorhandener Raum – nicht nur durch optimale Nutzung von Fläche, sondern von Volumen – maximiert werden kann. Und schlussendlich doch auch, wie sich von Besitz und Konsum gelöst werden könne, so die Architekt*innen.
Mit ihrem Claim, dass es sich bei Le Cabanon um die größte kleinste Wohnung der Welt handelt, könnten Beatriz Ramo und Bernd Upmeyer richtig liegen. Beeindruckend ist der Umfang des Raumprogramms des Mini-Apartments in Rotterdam allemal.
Le Cabanon
Projekttyp: Umbau zu Wohnung mit Spa
Standort: Rotterdam, Niederlande
Architekt*innen: STAR strategies + architecture und BOARD (Bureau of Architecture, Research and Design), beide Rotterdam
Zeitraum: 2014 bis 2024
Fläche: 6,89 Quadratmeter netto
Volumen: 21,29 Kubikmeter
Projektfotos: Ossip van Duivenbode
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