Alle zwei Jahre vergeben die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung SRL und der ökologische Verkehrsclub VCD den Deutschen Verkehrsplanungspreis 2024. Derzeit werden Nominierungen für den Preis angenommen. Die Einreichungsfrist lief bis zum 31. Mai 2024.
Leuchtturmprojekt schafft Tempo 30
Schon zum achten Mal vergeben SRL und VCD den Deutschen Verkehrsplanungspreis. Die Preisverleihung ist für Oktober 2024 in Frankfurt am Main geplant, Einreichungen sind bis Ende Mai möglich. Die Organisator*innen des Preises möchten eine interdisziplinäre, integrierte Planungskultur auf der kommunalen Ebene fördern. Das Thema für den Deutschen Verkehrsplanungspreis 2024 lautet „Lebenswerte Straßenräume durch angepasste Geschwindigkeiten“.
Damit soll der Preis innovative Lösungen bei der Temporeduzierung in Städte und Gemeinden auszeichnen. Gute Beispiele weisen eine integrierte Verkehrsplanung auf, erhöhen die Lebensqualität vor Ort, verbessern die Umweltsituation und haben eine hohe Gestaltungsqualität. Dies ist etwa in der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ zu sehen, an der über 1.000 Städte und Kommunen mit mehr als 40 Millionen Einwohner*innen teilnehmen. Das Leuchtturmprojekt erleichtert es ihnen, Tempo 30 auszuweisen. So konnten SRL und VCD bereits beweisen, dass geringere Geschwindigkeiten die Lebensqualität für alle erhöht. Diese und ähnliche Bemühungen sollen gewürdigt werden.
Gerechtes und zukunftsfähiges Miteinander aller Menschen auf der Straße
Für den Deutschen Verkehrsplanungspreis 2024 können bereits realisierte Projekte sowie Verkehrsversuche aus den Jahren 2018 bis 2023 eingereicht werden. Auch temporäre Lösungen und andere innovative Herangehensweisen können eingereicht werden, solange sie zur Aufwertung des öffentlichen Raums führen. Der Mehrwert von Tempo 30 sollte dabei stets im Fokus stehen.
Die Jury wird die folgenden Kriterien zur Bewertung anwenden:
- Gesteigerte Flächengerechtigkeit
- Aufenthaltsqualität
- Verkehrssicherheit
- Hohes Maß an Übertragbarkeit
- Partizipation
- Mögliche Evaluation
- Erreichen verträglicher Geschwindigkeiten
Die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung ist der Berufsverband aller in der räumlichen Planung Tätigen. Zugleich stellt sie ein interdisziplinäres Netzwerk dar, das das integrierte räumliche Planen fördern soll. Für den Deutschen Verkehrsplanungspreis 2024 ist die Fachgruppe „Forum Mensch und Verkehr) zuständig, die darauf abzielt, die Integration von Verkehrs- und Stadtplanung voranzutreiben und einen Beitrag zur nachhaltigen Mobilitätsentwicklung zu leisten. Ebenso verfolgt der ökologische Verkehrsclub VCD eine umweltverträgliche, gesunde und sichere Mobilität. Schon seit 1968 setzt er sich für ein gerechtes und zukunftsfähiges Miteinander aller Menschen auf der Straße ein – egal, wie sie unterwegs sind.
Auf der Suche nach Tempo 30
Die übliche Ortsgeschwindigkeit in Deutschland liegt bei 50 Kilometern pro Stunde. Aber immer mehr Städte und Kommunen setzen sich dafür ein, diese auf Tempo 30 zu reduzieren, um Abgase und Lärm zu minimieren und die Sicherheit zu erhöhen. Eigentlich ist es auf Hauptverkehrsstraßen schwierig, das Tempo zu reduzieren. Aber mit Hilfe der Initiative „Lebenswerte Städte“, mit Gründungsstädten wie Freiburg und Leipzig, gelingt es, sich gegen Bundesrecht durchzusetzen und Tempo 30 innerorts anzuordnen. So können Städte und Kommunen selbst die passende Geschwindigkeit aussuchen.
Die Initiative setzt sich dafür ein, auf Bundesebene die rechtlichen Herausforderungen dafür zu schaffen, Tempo 30 bei Bedarf innerorts lokal anzuordnen. Dafür sind Änderungen im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrsordnung nötig. Derzeit lässt sich auf Hauptverkehrsstraßen nur mit Komplikationen und nur in beschränkten Abschnitten – etwa vor Schulen, Kitas oder Altenheimen – per Einzelregelung Tempo 30 anordnen. So entsteht ein Flickenteppich von Geschwindigkeiten.
Über 380 Städte und Kommunen, die von unterschiedlichen Fraktionen geführt werden, haben sich der Initiative bereits angeschlossen. Es geht dabei darum, die Städte lebenswerter zu machen und den Verkehr an der Stadt zu orientieren, nicht andersherum. Das Umweltbundesamt geht sogar noch einen Schritt weiter: Es empfiehlt, eine deutschlandweite einheitliche Geschwindigkeitsregelung von Tempo 30 in Orten einzuführen.
Lübeck als preisgekrönte Stadt 2022
Zuletzt erhielt die Hansestadt Lübeck den Deutschen Verkehrsplanungspreis im Jahr 2022. Er wurde in Berlin vergeben und stand unter dem Motto „Qualität der Nähe – attraktiver Aufenthalt und sicheres Erreichen von Stadtteil- und Ortszentren“. Der Lübecker Beitrag Verkehrsversuch Beckergrube zeigte, wie geplante Änderungen erlebbar und begreifbar gemacht werden können. Der Entwurf des Landschaftsarchitekturbüros 1:1 landskab aus Valby in Dänemark gewann. Dabei ging es darum, den Stadtraum in der historischen Altstadt resilienter gegen die Klimawandelfolgen zu machen. Neue Bäume schaffen ein Blätterdach und der Straßenbelag soll ab Sommer 2024 vereinheitlicht werden. Multifunktionsstreifen für Anlieferung, Taxen- und Behindertenparkplätze sowie Fahrradabstellanlagen, konsumfreie Sitzmöglichkeiten und Gastronomieflächen gehören zum Entwurf. Auch eine kleine Freizeitfläche mit Tanzboden und Tribüne, Urban Gardening-Hochbeet sowie ein Food Sharing-Schrank sind auf Wunsch der Bürger*innen dabei.
Das Projekt war in den Rahmenplan mit Mobilitätskonzept für die Innenstadt eingebunden und diente so als Baustein eines veränderten Mobilitätsverständnisses. Die Jury lobte die breite Beteiligung und den temporären Umbau, der die Wirkung der Maßnahme zeigte. Er demonstrierte eine intensive Nutzung des neu gewonnenen Stadtraums und aktivierte selbst Bedenkenträger*innen. „Das sind die Bedingungen für klimafreundliche Städte der Zukunft, und das Lübecker Projekt zeigt, wie man ihnen gerecht wird. Auf diese Weise wird Verkehrsplanung zukunftsfest“, so die Jury 2022.
Weiterlesen: Ein spannendes Beispiel für eine zukunftsgerichtete Verkehrsplanung aus Norwegen finden Sie hier.