05.07.2016

Gesellschaft

Die Rückkehr des Menschen

Sie haben es bestimmt schon gehört: Teilen ist das neue Besitzen. So schnörkellos sich das liest, so weitreichend ist, was der Gedanke, der seit geraumer Zeit Geschäftsmodelle wie Carsharing und Couchsurfing beflügelt, impliziert: einen Verweis auf den Wandel in unserem Verhältnis zu Haben und Nicht-Haben. Das Sich-etwas-leisten-können und das Etwas-sein-Eigen-nennen-können entscheidet nicht mehr in gleichem Maße über gesellschaftliche Anerkennung, wie es lange der Fall war. Dann leihe ich mir eben ein Auto. Und? Das zeigt auch: Viele von uns sind entspannter, wenn es um Statussymbole geht, das Recht des – hier finanziell – Stärkeren erfährt ganz offensichtlich mindestens eine Abschwächung. An seine Stelle treten Erwägungen, die auch das große Ganze, ökologische Aspekte, Nachhaltigkeit referenzieren. Mancher wird einwenden, das sei nur eine Modeerscheinung. Vieles aber deutet darauf hin, dass wir es mit einem Paradigmenwechsel zu tun haben.

Interessant wird es, wenn wir uns fragen, wie das zu unseren Städten passt. Auch in der Stadt- und Verkehrsplanung galt lange fraglos und mit unausgesprochener Selbstverständlichkeit das Vor-Recht des Stärkeren – des Autos. Infrastruktur und Freiraum gruppierten sich wohlfeil um seine Belange, die seiner Fahrer und derer, die vom Autoverkehr profitieren. Das ändert sich. Die Verschiebung der Machtverhältnisse im Stadtraum ist in Metropolen ebenso wie in Kleinstädten Thema und wird dort auch schon mit Nachdruck betrieben. Nicht mehr nur möglichst viele Parkplätze oder Straßen entscheiden, wie (ökonomisch) wertvoll ein Stadtraum ist. Der Lebens-Wert für den Stadtbewohner und der Mensch, sein Tempo, sein Maßstab werden nicht nur wichtiger, sondern zum Dreh- und Angelpunkt der Diskussion. Etwa in New York, wo auch mit Hilfe von Jan Gehl Teile des Times Square vom Autoverkehr befreit und auf für viele undenkbare Weise transformiert wurden.

Columbus Circle vorher
nachher
Herald Square vorher
nach der Transformierung
Times Square vor den Eingriffen von Gehl Architects
nachher

Dieses eine plakative Beispiel reicht aus, um zu verstehen: Straßen stehen früher oder später wieder als Freiraum zur Debatte. Grund genug für ein Landschaftsarchitekturmagazin, nachzufragen, welche Spielarten die Rückkehr des Menschen als machtvoller an Stadt und Stadtverkehr teilnehmender Akteur haben kann – und welche interessengesteuerte Plattentektonik sie nach sich zieht. Nicht-motorisierte Bewegung, Bewegung aus eigener Kraft spielt hier eine wichtige Rolle: Wir blicken in der aktuellen Ausgabe nach Groningen, London und Berlin, wo man genau hier ansetzt und intensiv über Konzepte einer Fahrradinfrastruktur nachdenkt. Das Motto ist überall das gleiche: Wenn sich der Mensch sicher aus eigener Kraft in der Stadt bewegen kann, ist er gesünder. Und mit ihm auf lange Sicht auch die Stadt. Mit allen wirtschaftlichen Implikationen.

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