24.03.2021

Gesellschaft

Effektive Mikroorganismen impfen Rheinauensee

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In der Rheinaue stinkt’s! Schuld daran: der Rheinauensee, der seit Jahren in unschöner Regelmäßigkeit umkippt und mitunter zur Giftbrühe wird. Eine Meckenheimer Firma hilft jetzt mit Bakterienimpfungen aus: “Effektive Mikroorganismen” sollen helfen, das Gewässer zu sanieren. Warum Entenfüttern einen großen Teil der Schuld am Problem trägt und warum die teuren Bakterien vielleicht für die Katz’ sind, erklärt Arian Schlichenmayer.

Im Sommer 2018 mussten rund 400 Tiere aus dem Rheinauensee geborgen werden – sie waren aufgrund von Sauerstoffmangel im See gestorben. (Foto: ToLo46/Wikimedia Commons)

Der Rheinauensee und seine Probleme

 

Im Sommer 2018 war es soweit: Rund 400 verendete Tiere, darunter Fische, Enten und Gänse, mussten aus dem Rheinauensee mitten in Bonn gefischt und entsorgt werden. Der Grund für das Massensterben? Sauerstoffmangel im See. In der Hitze des Sommers, und die war 2018 besonders stark, wird der See mittlerweile schnell zu einer olfaktorischen Störquelle und zu einer tödlichen Falle für seine Tiere.

Der Rheinauensee entstand 1979 im Rahmen der Bundesgartenschau und ist Teil des heute beliebten Naherholungsgebiets „Freizeitpark Rheinaue“. In seiner verschnörkelten Gestaltung mit vier Inseln ahmt er die Form eines Altarms des Rheins nach. Gegenüber dem nahegelegenen Rhein ist der See mit einer Bitumendichtung separiert, um ihn von schwankenden Flusswasserpegeln abzukoppeln. Über seine Fläche von 15 Hektar beträgt seine Wassertiefe im Schnitt einen Meter, am tiefsten Punkt sind es drei Meter. Einen Anschluss an ein Fließgewässer hat der See nicht, Frischwasser wird ihm regelmäßig zugepumpt.

Die geringe Tiefe des Sees und der Mangel einer effektiveren Be- und Entwässerung führen in Zeiten intensiver Wärme und Sonneneinstrahlung dazu, dass sich Algen, begünstigt noch durch einen hohen Nährstoffgehalt, explosionshaft vermehren. Abgestorbene Algen werden von Mikroorganismen unter Sauerstoffverbrauch abgebaut und das sorgt im Rheinauensee durch die geringe Wassermenge dafür, dass schon nach kurzer Zeit kein Sauerstoff mehr zur Verfügung steht und dieser aerobe Abbauprozess zum Erliegen kommt. Die abgestorbene, nur teils zersetzte Biomasse sinkt allmählich auf den Seegrund und bildet dort Sapropel, Faulschlamm, in dem Mikroorganismen in anaeroben Bedingungen, also unter Abwesenheit von Sauerstoff, die Zersetzung fortführen.

Ansicht des Rheinauensees mit Post Tower (links) und Langer Eugen (rechts) im Hintergrund. (Foto: User:Qualle/Wikimedia Commons)

Tierfütterung begünstigt Umkippen des Rheinauensees

 

Die Produkte einer solchen aneroben Zersetzung sind nicht nur riechbar – hier gelangt unter anderem Schwefelwasserstoff an unsere Nasen – sondern können auch hochgiftig sein. Einige Bakterien der Gattung Clostridium, die überall im Boden und in Gewässersedimenten vorkommen, scheiden als Stoffwechselprodukt Botulinumtoxin aus. Dieses Gift, übrigens in der Kosmetik beliebt und das stärkste dem Menschen bekannte, war in den Konzentrationen, wie sie im Sommer 2018 im Rheinauensee auftraten, mitverantwortlich für das massenhafte Tiersterben.

Der See ist mittlerweile über 40 Jahre alt. Heute ist seine Sedimentschicht auf bis zu 35 Zentimeter angewachsen und beansprucht damit bei einem Meter durchschnittlicher Seetiefe einen gewaltigen Anteil am Seevolumen. Mitverantwortlich für den Aufbau der Sedimentschicht sind die vielen Wasservögel, die sich, begünstigt durch Zufütterungen, stark vermehren konnten.

Denn, liebe Leser*innen, haben Sie es auch schon mal getan? Ich jedenfalls bekenne mich schuldig: Ja, ich habe schon mal Wasservögel gefüttert. Und wo ich schon dabei bin, enthalte ich Ihnen auch folgendes nicht vor: Ja, es war trockenes Brot, welches ich verfütterte.

Wird mittlerweile mit bis zu 1 000 Euro geahndet: Das Füttern der Tiere hat unter anderem dazu geführt, dass der See eine übermässige Sedimentschicht enthält. (Foto: ToLo46/Wikimedia Commons)

Rheinauensee soll saniert werden

 

Das das zwar gut gemeint, aber nicht gut getan war, war mir nicht bewusst. Es ist doch auch so possierlich, wenn sich die Tiere bis auf wenige Zentimeter nähern und sich um das Futter rangeln. Nicht umsonst ist das Füttern von Schwänen und Enten eine beliebte Freizeitbeschäftigung und täglich tausendfach an Deutschlands Seen zu beobachten. Doch zum einen sind weder Brot, noch andere für den Menschen produzierte Lebensmittel, als Nahrung für Wasservögel geeignet – sie schaden sogar ihrer Gesundheit. Zum anderen landen sowohl große Mengen ungefressenes Futter, als auch gefressenes in Form von Exkrementen, auf dem Seegrund. Je mehr Futter zur Verfügung steht, desto mehr Tiere siedeln sich an und beschleunigen den Sedimentaufbau weiter.

Was ein wesentlich größerer See mit einer Tiefe von mehreren zehn Metern und einer funktionierenden Wasserzirkulation vielleicht noch wegstecken kann, führt im Beispiel der Rheinaue dazu, dass der teichartige See über die Jahre – verzeihen Sie mir die Vereinfachung – regelrecht zugeschissen wurde.

Bis Anfang 2022 soll nun der See komplett saniert werden. 4,3 Millionen Euro stellt der Bonner Stadtrat dafür zur Verfügung. Ein wichtiger Schritt der Sanierung wird die Ausbaggerung der Sapropelschicht sein, nachdem zunächst die Fische umgesiedelt wurden und das Wasser des Sees abgelassen. Daraufhin sollen eine Sandschicht auf den Seegrund aufgetragen und schließlich Armleuchteralgen angepflanzt werden.

Um ihre Stärke zu verringern, wurde Anfang 2021 damit begonnen, ein Gemisch aus Mikroorganismen in die Sedimentschicht des westlichen Teils des Sees einzuspritzen. Die Mikroben sollen dabei helfen, den Sauerstoffgehalt im See zu erhöhen und in der Folge Teile des Sediments aerob abbauen. Die Mikrobenlösung wird von der Firma Emiko hergestellt und besteht aus EM.

EM (Effektive Mikroorganismen) – was ist das?

EM ist die Abkürzung für „Effektive Mikroorganismen“. Beide Bezeichnungen sind registrierte Warenmarken der japanischen „EMRO Inc.“, die Ihre Bakterienmischungen weltweit über Lizenznehmer*innen vertreibt. Wie genau die Mischungen zusammengesetzt sind, darüber gibt es von Emro und ihren Partner*innen keine Informationen. Bekannt ist, dass Mikroorganismen wie Hefepilze, Milchsäure- und Purpurbakterien enthalten sind, die sich in einer wässrigen Nährlösung aus Zuckerrohrmelasse vermehren, bevor sie ihren Einsatzzwecken zugeführt werden.

Und die können vielfältig sein. So empfiehlt Emiko EM nicht nur für die Gewässersanierung, sondern auch für die Bodenverbesserung im Garten („sorgen für regenerative Prozesse“), für die Pflege von Haustieren („können in ihrer Konstitution gestärkt werden“), als Kosmetik („macht die positiven Schwingungen der EM nutzbar“) oder auch als Reinigungsmittel im Haushalt („wer negativen Mikroorganismen im Haus den Raum zur Vermehrung entzieht, profitiert gesundheitlich“).

Das zugrundeliegende Prinzip ist folgendes: Nach der EM-Theorie gibt es „gute“, „schlechte“ und „neutrale“ Mikroorganismen. Die guten wirken dabei „aufbauend“, während die schlechten sich der Eigenschaften „krankheits- und fäulniserregend“ schuldig machen. Die neutralen Mikroorganismen wiederum, so die Theorie, seien „Mitläufer“ und unterstützen entweder die guten oder die schlechten Mikroorganismen, je nachdem, welche der zwei Parteien gerade in der Mehrheit sei. Je nach der vorhandenen Menge guter oder schlechter Bakterien entstünde so ein entweder „positives“ oder „negatives Milieu“, das die in ihm lebenden Makroorganismen, wie den Menschen oder Pflanzen, entsprechend beeinflusst.

Effektive Mikroorganismen: Umstrittene Theorie

Soweit zur postulierten Theorie. Sie darf vor dem Hintergrund der äußerst komplexen und wissenschaftlich noch lange nicht verstandenen Zusammenhänge zwischen Mikroorganismen und ihrer Umwelt zumindest als stark vereinfachend angesehen werden. Während EM-Hersteller wie Emiko ihre Produkte in blumiger, teils ins parawissenschaftliche abgleitender Sprache anpreisen, kommen Studien zum Schluss, dass ein positiver Effekt von EM in verschiedenen Anwendungsgebieten kaum oder nicht feststellbar ist oder nicht auf die Mikroben zurückgeführt werden kann. Beispielsweise stellte eine Studie zum Einsatz von EM im Gartenbau unter anderem fest, dass der positive Einfluss der EM-Lösung auf der enthaltenen Melasse basiert, die reich an Phosphaten und somit düngewirksam ist, und nicht auf den Mikroorganismen in der Lösung. Insgesamt darf die Studienlage zu EM als äußerst dürftig bezeichnet werden.

Effektive Mikroorganismen: Eine Impfung für den See

Seit 20 Jahren funktioniere das Verfahren der Seebeimpfung in mehr als 100 Ländern, lässt Emiko wissen. Beispiele lassen sich aber nur schwer finden und wenn, dann ist auch immer von begleitenden Maßnahmen, wie Besprudelung des Wassers und mechanischer Entfernung von Sedimenten die Rede. Wie nachhaltig die Behandlungen waren und wie viel des Erfolgs tatsächlich auf Effektive Mikroorganismen zurückzuführen ist, lässt sich nicht finden.

Der Einsatz von Effektiven Mikroorganismen soll jetzt helfen, den Sauerstoffgehalt im See zu erhöhen. (Foto: ToLo46/Wikimedia Commons)

Geringe Aussicht auf wissenschaftliche Erkenntnis

 

Emiko behauptet auch: „Besonders wirkungsvoll gegen Algen zeigen sich Effektive Mikroorganismen durch den Abbau von Phosphat im Wasser“. Das steht im direkten Widerspruch zur Aussage von Dieter Fuchs, dem Leiter des Bereichs Stadtgrün der Stadt Bonn, der gegenüber dem WDR äußerte: „Der Einsatz der Mikroorganismen ist aktuell nur eine Symptombekämpfung, denn die Ursache für den aktuellen Zustand des Sees – der hohe Phosphorgehalt – wird dadurch nicht beseitigt“. Tatsächlich gibt es Bakterien, die Phosphate verstoffwechseln, wodurch diese allerdings nicht wie von Zauberhand aus einem Stehgewässer verschwinden. Mit dem Tod der Bakterien werden die aufgenommenen Phosphate wieder freigesetzt und können sich im Wasser anreichern. Um eine Ausbaggerung der Sedimentschicht und weitere Begleitmaßnahmen kommt man bei umkippenden Seen also ohnehin nicht herum.

Das Projekt soll von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg „labortechnisch“ begleitet werden. Es wäre zu hoffen, dass diese Begleitung in Ihrer Art geeignet sein wird, Rückschlüsse auf die tatsächliche Wirksamkeit von EM auf die Ökologie eines Sees und auf den Sedimentabbau im Speziellen zu ziehen. Es müsste beispielsweise ausgeschlossen werden, dass die Impftechnik signifikanten Einfluss auf das Ergebnis hat. Die Mikrobenlösung wird mit einem auf einem Boot angebrachten Ausleger appliziert, an dem Beimpfungssonden angebracht sind, die in das Sediment eingestochen werden. Zweifellos wird dabei Sapropel aufgewühlt und mit Frischwasser vermischt und schon das hat einen Einfluss auf die biologischen Vorgänge am Seegrund. Annette Mannschott, Projektleiterin für den Rheinauensee bei Emiko, lässt aber wenig Hoffnung für eine solche Herangehensweise, denn offenbar soll vielmehr festgestellt werden, wie viel EM noch appliziert werden sollen: „Mithilfe der analytischen Begleitung durch die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg erhalten wir Hinweise, ob und wann gegebenenfalls nachbeimpft werden muss“.

Füttert die Tiere nicht!

Damit der Rheinauensee nach seiner Sanierung den Bonner Bürger*innen auch recht lange erhalten bleibt, wäre es wichtig, dass sich zukünftig alle, aus Tierliebe, an das Fütterungsverbot der Vögel und Nutria, die dort leben, halten. Auch wenn es noch so niedlich zu beobachten ist, ist das Füttern oft für den frühen Tod von Tieren verantwortlich und manchmal für den Untergang eines Ökosystems. Die Hoffnung, dass das in den Köpfen der Menschen ankommt, ist jedoch ebenso schmal, wie die auf fundierte wissenschaftliche Studien zu Effektiven Mikroorganismen. Denn das Ufer des Rheinauensees ist schon heute mit zahlreichen, großformatigen, gut erkennbaren, verständlich erklärenden und kaum deutlicher zu gestaltenden Hinweis-, mittlerweile Verbotsschildern gespickt, die unter Strafandrohung eine Aussage haben: „Füttert die Tiere nicht“. Gewirkt hat es bisher anscheinend nicht.

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