26.11.2015

Gesellschaft

Entwurfsbasiert forschen in gestalterischen Disziplinen

In der letzten Zeit stellen sich gestalterische Disziplinen, darunter Landschaftsarchitektur, erneut und verstärkt die Frage, ob und wie sich das Entwerfen im Spektrum der wissenschaftlichen Betätigungen einordnen lässt. Die Gründe für diese Frage wurden ausgiebig besprochen; mehrheitlich sind sie banal: Das Ringen insbesondere um Drittmittel, Studienbewerber, hochschulinterne Leistungsnachweise und Kooperationspartner setzt voraus, das Entwerfen wissenschaftlich zu beschreiben. Was Entwerfern auf den ersten Blick lästig erscheinen mag, ist aber im Ergebnis durchaus sinnvoll: Entwerfer an Hochschulen müssen sich also mehr denn je erklären, manchmal auch Fachfremde aufklären, in jedem Fall ihr Handeln reflektieren.

Jürgen Weidinger, Leiter des Fachgebiets Entwerfen Objektplanung an der TU Berlin, führt diese Reflexion. Sie zeichnet sich unter anderem im Band »Entwurfsbasiert forschen« ab, der im letzten Jahr erschienen ist. In fünf Kapiteln finden sich Beiträge von Entwerfern und Theoretikern wie Wolfgang Jonas, Wolfgang Schäffner, Achim Hahn, Günther Vogt, Andre Kempe, Norbert Palz, Mike Schlaich, Volker Schmid und Jürgen Weidinger. Im zweiten Kapitel »Entwerfen und Wissenschaft« thematisiert Wolfgang Schäffner Forschungsformen von Wissenschaften anerkannten ›Typus‹ – zum Beispiel die von Natur- und Geisteswissenschaften. Dabei stellt er auch etwas heraus, das für Entwerfer selbstverständlich ist: »Das Forschen ist alles andere als ein geregeltes Handeln, dessen Schritte ebenso klar wie wiederholbar wären. Vielmehr ist der Zufall, das Finden und auch das ungerichtete Suchen, das trial & error nicht nur ein Unfall im Regelwerk des Forschens, sondern taucht immer dann auf, wenn es um Neues, um Forschen im eigentlichen Sinne geht.« (S. 62) Für Schäffner ist das Entwerfen also nicht nur eine Form von Forschung, sondern er macht auch in Arbeiten von Natur- und Geisteswissenschaften einen entwurflichen Charakter aus. Dieser werde gerade im »Labor« herausgefordert, indem etwas ausprobiert wird, von dem anfangs nicht klar ist, was genau herauskommt. Für Entwerfer ist das Alltag. Das wird zum Beispiel bei Günther Vogts Beitrag im dritten Kapitel »Atmosphären entwerfen« deutlich: Mit Hilfe von Werkzeugen wie Skizze, Diagramm und Modell, begibt sich das Büro auf eine Reise ins mehr oder weniger Unbekannte. Angefangen von der Analyse des Ortes, über erste Studien, entwickelt der Entwerfer letztlich Vorschläge für den Ort. Am Ende stehen aber nicht nur Konzepte auf Papier, sondern modifizierte Orte. Hilfreich ist hier Schäffners Verweis auf den Begriff der »Gestaltung«, der besser zum Ausdruck bringt, dass am Ende des Entwerfens eine »Gestalt«, nicht nur ein Konzept steht. Im vierten Kapitel »Entwerfen und Konstruieren« wird der experimentelle Findungsprozess zur »Gestalt« besonders deutlich, zum Beispiel wenn Tragwerke von Brücken im Modell simuliert werden. Der Band schließt mit »Forschungsreporte«, in denen Doktoranden ihre Untersuchungsstände vorstellen.

Praktizierende Entwerfer werden ihre Arbeitsweise im Band beschrieben wiederfinden und vielleicht staunen, dass sich auch Geisteswissenschaftler für ihre Arbeit interessieren. Das sollte Entwerfer an der Hochschule und in der Praxis ermutigen, einen Dialog zu den Geistes-, aber auch den Naturwissenschaften zu suchen. Was durch den Dialog in Aussicht stehen könnte ist nicht nur ein besseres gegenseitiges Verständnis, sondern auch etwas Neues, das zukünftige Freiräume vielleicht bereichern wird, von dem heute aber noch nicht gesagt werden kann, was und wie es ist.

Weidinger, Jürgen (Hg.): Entwurfsbasiert forschen. Berlin 2014.
ISBN 978-3-7983-2652-1, 15 Euro
http://www.ub.tu-berlin.de/universitaetsverlag-und-hochschulschriften/verlagsprogramm/isbn/978-3-7983-2652-1/

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