13.04.2025

Projekt

Markt- und Kirchvorplatz Friedrichshagen

Mit dem Klimabrunnen in Form von Kokons nehmen WYLD Landschaftsarchitekten bei der Neugestaltung des Marktplatzes in Friedrichshagen Bezug auf die Geschichte der Stadt als Standort für Seidenproduktion. Foto: Marcus Witte
Mit dem Klimabrunnen in Form von Kokons nehmen WYLD Landschaftsarchitekten bei der Neugestaltung des Marktplatzes in Friedrichshagen Bezug auf die Geschichte der Stadt als Standort für Seidenproduktion. Foto: Marcus Witte

In Friedrichshagen im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick gestalteten WYLD Landschaftsarchitekten Markt- und Kirchplatz denkmalgerecht neu. Mit Maulbeerbäumen, einem eigens entworfenen Klimabrunnen sowie erhöhten Schmuckbeeten gehen die Planer*innen dabei sowohl auf die Stadtgeschichte als auch auf die historische Gestaltung der beiden nebeneinander liegenden Plätze ein. WYLD Landschaftsarchitekten erläutern ihr Konzept in einer Projektvorstellung selbst.


Ursprünglich Seidenproduktion in Friedrichshagen geplant

Friedrichshagen ist ein Ortsteil des Berliner Bezirks Treptow-Köpenick und liegt am Müggelsee im Osten der Stadt. Einst als Kolonistendorf von Friedrich Wilhelm II. im Jahr 1753 gegründet ist dieser Stadtteil von Berlin heute sehr belebt und als Wohnstandort beliebt. Er zeichnet sich durch seine reiche Geschichte aus. Im Zentrum verläuft die Bölschestraße, die nicht nur eine beliebte Flaniermeile darstellt, sondern auch durch ihre historische Bedeutung geprägt ist. Ursprünglich war sie zur Gründung mit einer bis zu sechs-reihigen Maulbeerbaumallee gesäumt, deren Blätter als Futtermittel für die Seidenraupen dienen sollten. Die Seidenproduktion war in Mode und sollte in Friedrichshagen einen neuen Wirtschaftsstandort bekommen, was sich jedoch nie in dem erhofften Ausmaß entwickelt hat.


Zwei Plätze als Einheit entwickeln

Heute ist die gesamte Straße, inklusive des Markt- und Kirchvorplatzes, als Ensemble denkmalgeschützt. Die Flaniermeile ist von repräsentativen Häusern aus zwei Jahrhunderten Architekturgeschichte gesäumt. Das Zentrum bildet der Marktplatz, der sowohl ein Denkmal für den Stadtgründer Friedrich Wilhelm II. sowie die Christophoruskirche mit ihrem eigenen Vorplatz beherbergt. Mit der Zeit waren allerdings sowohl der Marktplatz als auch der Kirchvorplatz zunehmend in die Jahre gekommen, wodurch das Bedürfnis nach einer denkmalgerechten Neugestaltung in der Bevölkerung immer weiter anwuchs. Durch die Neugestaltung sollte neue Aufenthaltsqualität für Anwohner*innen sowie Besucher*innen geschaffen. Ein zentrales Ziel war es dabei, die beiden Plätze über die Bölschestraße hinweg als Einheit zu entwickeln und die historische Verbindung zu Friedrichshagen und seiner Geschichte zu betonen.

Eine Infotafel erklärt Platzbesucher*innen Geschichte und Zusammenhang zwischen Maulbeerbaumhain und Klimabrunnen. Foto: Marcus Witte
Eine Infotafel erklärt Platzbesucher*innen Geschichte und Zusammenhang zwischen Maulbeerbaumhain und Klimabrunnen. Foto: Marcus Witte
Alle 20 Minuten versprüht der Brunnen zehn Minuten lang Nebel, der für Abkühlung sorgt und eine besondere Atmosphäre im Maulbeerbaumhain schafft. Foto: Marcus Witte
Alle 20 Minuten versprüht der Brunnen zehn Minuten lang Nebel, der für Abkühlung sorgt und eine besondere Atmosphäre im Maulbeerbaumhain schafft. Foto: Marcus Witte

Historischer Plan wieder gefunden

Im Jahr 2018 wurden erste Gutachten und Bürgerbeteiligungen durchgeführt, um auch auf die Bedürfnisse der Anwohner*innen eingehen zu können. Dabei wurde deutlich, dass der geschichtliche Bezug zum Maulbeerbaum immer noch tief im Bewusstsein der Anwohner*innen verankert war und daher in die Konzeption einfließen und somit ins Stadtbild integriert werden sollte. Da der Maulbeerbaum allerdings aufgrund des niedrigen Kronenansatzes in einer Straße, die mit Tram und Bussen befahren ist, ungeeignet ist, entwickelte sich daraus die Idee des symbolischen Hains zu Ehren der Geschichte des Stadtteils.

2019 wurden WYLD Landschaftsarchitekten für die Planung der Freianlagen beauftragt, nachdem das Büro Referenzen im Umgang mit denkmalgeschützten Bauvorhaben nachweisen konnten. Bei der Analyse wurde ein historischer Plan gefunden, auf dem der heutige Marktplatz ursprünglich in einen Schmuckplatz und einen Marktplatz unterteilt war, während der Kirchvorplatz ebenfalls klar strukturiert dargestellt wurde. Dies war dann der Anlass für den Vorschlag, im ehemaligen Bereich der Schmuckplatzes einen Hain aus Maulbeerbäumen zu pflanzen, die rahmenden Linden auf dem Marktplatz wieder zu ergänzen und den Kirchvorplatz nach historischem Vorbild neu zu interpretieren.

Auf dem Kirchplatz stellen WYLD Landschaftsarchitekten das historische Wegekreuz neu interpretiert wieder her und statteten es mit Aufenthaltsqualität aus. Foto: Philip Winkelmeier
Auf dem Kirchplatz stellen WYLD Landschaftsarchitekten das historische Wegekreuz neu interpretiert wieder her und statteten es mit Aufenthaltsqualität aus. Foto: Philip Winkelmeier

Klimabrunnen knüpft an Stadtgeschichte an

Eine besondere Idee war, im Zentrum des Hains eine Brunnenanlage zu errichten, die sowohl klimatische als auch ästhetische Funktionen erfüllen sollte. Diese Idee fand sowohl beim Bezirk als auch bei den Anwohner*innen Anklang.

So wurde der Maulbeerbaum-Hain mit Klima-Nebel-Brunnen als zentrales Element zur linken Hand Friedrich Wilhelms II. entwickelt und in umfangreichen Abstimmungen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesdenkmalamt geplant. Überzeugt hatte die Anlehnung an die Entstehungsgeschichte Friedrichshagens mit der Seidenproduktion und dessen zentrale Maulbeerplantage sowie an die ehemalige Dreigliederung des Platzes in Denkmalplatz, Marktplatz und Kirchplatz (1903 bis circa 1933). Wichtig war es dabei, dass die Brunnenanlage nicht zu dominant wirkt und sich harmonisch in die Proportion des Platzes einfügt.

Der neu angelegte Maulbeerbaumhain besteht aus sechs Bäumen, die in zwei Reihen zu je drei Bäumen gepflanzt wurden. Die Bepflanzung bildet eine inhaltliche Einheit mit einer Klimabrunnen-Skulptur, die aus weißen Betonobjekten in Form von Kokons besteht und symbolisch an die Seidenraupen erinnert. Die Betonskulpturen verteilen sich im Maulbeerbaumhain, sodass diese zusammen eine Einheit bilden. In den Kokons sind Nebeldüsen installiert, die ab einer zu definierenden Außentemperatur zeitlichen Abständen von etwa 20 Minuten für rund zehn Minuten Nebel versprühen. Dieser Nebel schwebt dann durch den Hain und sorgt dabei nicht nur für eine angenehme Kühlung der Umgebung, sondern erzeugt zudem eine besondere, träumerische Atmosphäre im Hain. Eine Informationstafel erklärt den Besucher*innen die Geschichte und den Zusammenhang zwischen dem Maulbeerbaumhain und dem Klimabrunnen.

Auf den Einfassungen der Hochbeete wurden um das Denkmal herum Sitzgelegenheiten geschaffen. Foto: Philip Winkelmeier
Auf den Einfassungen der Hochbeete wurden um das Denkmal herum Sitzgelegenheiten geschaffen. Foto: Philip Winkelmeier
In den Beeten wurden pflegeextensive Stauden und Gräser gepflanzt. Foto: Philip Winkelmeier
In den Beeten wurden pflegeextensive Stauden und Gräser gepflanzt. Foto: Philip Winkelmeier

Gezielt positionierte Lehnen lassen Sichtachsen frei

Der Kirchvorplatzt war ursprünglich von einer Stichstraße mit parkenden Autos von der Kirche getrennt, was die Verbindung zwischen Kirche und Platz erschwerte. Der Bereich der ehemaligen Schmuckbeete war ein ungenutztes Rasenoval. Um den Kirchplatz als Aufenthaltsort attraktiver zu gestalten, wurde beschlossen, die parkenden Autos zu entfernen. Ebenso sollte das historische Wegekreuz neu interpretiert wieder hergestellt und nun mit neuer Aufenthaltsqualität ausgestattet werden. Der Entwurf greift die ursprüngliche Gestaltung von 1904 auf, die im Zuge der Verlegung des Denkmals angelegt wurde, und stellt das symmetrische Wegekreuz mit vier Schmuckbeeten wieder her.

Diese vier Beete wurden erhöht angelegt, um sie angemessen zu inszenieren und gleichzeitig umlaufend Sitzgelegenheiten zu schaffen. Es ist ein kleiner Platz um das Denkmal entstanden, die Einfassungen der Hochbeete wurden entsprechend dem Gelände auf Sitzhöhe ausgebildet und bieten so eine angenehme Sitzhöhe. Im inneren Rechteck wurden auf der Betoneinfassung Holzauflagen zum bequemeren Sitzen hergestellt. In den Ecken des Platzes wurden Rückenlehnen eingebaut, um die Aufenthaltsqualität für Menschen mit Beeinträchtigungen zu verbessern – ein Anliegen, das besonders von der Bezirksbeauftragten unterstützt wurde. Durch die Anordnung der Lehnen nur in den Ecken bleiben die Sichtachsen entlang der Wege auf das Denkmal und die Kirche frei, die rechteckige Form des Platzes wird optisch betont. Die Pflanzung der Beete besteht pflegeextensiven Stauden und Gräsern, die zudem einen ökologischen Mehrwert bieten.

Die Lehnen der Sitzmöglichkeiten wurden nur in den Ecken angebracht. Dadurch bleiben die Sichtachsen auf Denkmal und Kirche frei. Foto: Philip Winkelmeier
Die Lehnen der Sitzmöglichkeiten wurden nur in den Ecken angebracht. Dadurch bleiben die Sichtachsen auf Denkmal und Kirche frei. Foto: Philip Winkelmeier

Kirche näher an Kirchplatz gerückt

Das ehemalige Geländer um das Denkmal wurde auf dem historischen Granitbord als Basis neu hergestellt. Eine Pforte ermöglicht den Zugang zur inneren aus Mosaik hergestellten, befestigten Fläche um das Denkmal. Die Kirche selbst ist durch die Entfernung der parkenden Autos näher an den Kirchplatz gerückt. Dafür wurde nach allgemeiner Zustimmung der Denkmalpflege, des Straßen- und Grünflächenamtes und der Kirchenvertreter*innen ein Parkverbot in der anliegenden Stichstraße erwirkt.

An der historischen Ost-West-Achse des Platzes, wo einst zwei Kandelaber mittig im Weg angeordnet waren, wurden neue Mastleuchten installiert, die die ursprüngliche Beleuchtung wieder aufgreifen.

Die gesamte Baumaßnahme begann im Sommer 2022 und wurde innerhalb von elf Monaten erfolgreich fertiggestellt.


Büroprofil

Der Name WYLD Landschaftsarchitekten steht für Mut, Abenteuerlust, Authentizität, Leidenschaft, Ehrgeiz und Dynamik. Das Büro widmet sich der Entwicklung nachhaltiger und innovativer landschaftsarchitektonischer Lösungen, die sowohl zur verantwortungsvollen Gestaltung als auch zur Erhaltung unserer Lebensumwelt beitragen. Alle Projekte werden auch immer auf ihre Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit geprüft, um langfristig einen Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft zu schaffen.

Das Büro WYLD plant Parks, Stadtplätze und Freiräume in Berlin und Brandenburg und betreut zudem private Bauherren bei der Wohnumgestaltung ihrer Wohnumfelder. Oft handelt es sich bei den betreuten Projekten um Gartendenkmale, die entsprechend mit Sorgfalt und Fachkompetenz durch die Abstimmungsprozesse mit Denkmalschutzbehörden durch alle Phasen der Planung von der Konzeption bis zur Realisierung begleitet werden.

Der traditionelle denkmalrechtliche Schwerpunkt des Büros wurde in den letzten Jahren durch einen Fokus auf ökologische und nachhaltige Projekte erweitert. In diesem Kontext berät WYLD seine Auftraggeber*innen intensiv hinsichtlich der Herausforderungen des Klimawandels und erarbeitet zeitgemäße ökologische Handlungsspielräume. Dies geschieht mit dem Selbstverständnis, dass den Landschaftsarchitekt*innen mit Fachwissen in den Bereichen „Grün“ und „Blau“ eine entscheidende Rolle am gesamtgesellschaftlichen Auftrag zukommt, den Funktionserhalt unseres Lebensraums aktiv zu gestalten und zu entwickeln.

Weiterlesen: In der G+L 09/24 stellen wir 54 Stadtoasen aus fünf Ländern vor. Das Heft ist im Shop erhältlich. Weiter grüne Oasen sind hier zu entdecken.

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