18.12.2024

Wettbewerb

Gewinner des Carlo Scarpa Prize for Gardens 2024

Der Espacio Escultórico in Mexiko-Stadt, Gewinner des Carlo Scarpa Prize for Gardens 2024, ein beeindruckendes Kunstwerk aus Lava und Beton, das Natur, Geschichte und Kunst vereint. Foto: Andrés Cedillo
Der Espacio Escultórico in Mexiko-Stadt, Gewinner des Carlo Scarpa Prize for Gardens 2024, ein beeindruckendes Kunstwerk aus Lava und Beton, das Natur, Geschichte und Kunst vereint. Foto: Andrés Cedillo

Im Februar 2024 wurde der diesjährige Carlo Scarpa Prize for Gardens vergeben. Preisträger ist der Espacio Escultórico im Pedregal de San Ángel in Mexiko-Stadt. Mehr über den 33. Preis für Gärten im Folgenden.

Die italienische Fondazione Benetton Studi Ricerche konzipiert und verwaltet den Carlo Scarpa Preis, benannt nach dem italienischen Architekten und Designer (1906-1978). Alle zwei Jahre erhält ein Ort mit außergewöhnlichen natürlichen, historischen und kreativen Werten diesen Preis. Für die 2023-2024-Ausgabe kehrt der Preis zum ersten Mal seit seiner ersten Verleihung im Jahr 1990 in die Amerikas zurück: Damals gewann Roberto Burle Marx mit dem Sítio Santo Antônio da Bica in Brasilien. Dieses Jahr ist mit dem Espacio Escultórico ein monumentales, kollektives Kunstwerk aus Lava der Preisträger.


Eine Landschaft des Widerstands

Der Espacio Escultórico in Mexiko-Stadt stammt aus der gleichen Lavaoberfläche, die bereits Ende der 1940er Jahre als Grundlage für neue Wohnviertel und für den Bau der Universitätsstadt rund um die Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) diente. Das große Kunstwerk nimmt die Form eines gezackten Rings aus 64 Betonprismen an. Diese stehen auf einem kreisförmigen Sockel mit einem Durchmesser von 120 Metern. Als Beispiel für „intakte“ Lava unterstreicht die Struktur die Ausdruckskraft dieser besonderen Landschaft sowie ihren fragilen, sich ständig verändernden Zustand.

Schon im Jahr 1979 hat die UNAM den beauftragten Espacio Escultórico eingeweiht. Er dient dem Dialog zwischen der Universitätsstadt und der mexikanischen Kultur, Gesellschaft und Ökologie. Die Landschaft rund um Pedregal de San Ángel stammt aus einem Vulkanausbruch und hat eine suggestive Kraft. Mit der Skulptur entsteht eine Resonanzfläche, die auch ein Kommentar zu den Konflikten der städtischen Expansion in Mexiko-Stadt ist.

Rektor Guillermo Soberón Acevedo mit Mitgliedern seines Teams und einigen der Künstler, die an der Schaffung des Espacio Escultórico beteiligt waren, während der Besichtigung, bei der der Standort des Werks festgelegt wurde. Im Hintergrund links ist der Konzertsaal von Nezahualcóyotl zu sehen. Foto: Archiv Javier Jiménez Espríu, 1977.
Rektor Guillermo Soberón Acevedo mit Mitgliedern seines Teams und einigen der Künstler, die an der Schaffung des Espacio Escultórico beteiligt waren, während der Besichtigung, bei der der Standort des Werks festgelegt wurde. Im Hintergrund links ist der Konzertsaal von Nezahualcóyotl zu sehen. Foto: Archiv Javier Jiménez Espríu, 1977.

Der Espacio Escultórico ist ein wichtiges Kapitel in dieser besonderen Landschaft. Geformt wurde diese vom Vulkan Xitle, der vor etwa 1.500 bis 2.000 Jahren zuletzt ausbrach. Daraus entstand der heutige Lavaboden mit grün bewachsenen Felsen, der eine wichtige Erinnerung an die vor-spanische Geschichte darstellt. Die UNAM sieht die Skulptur als eine „Landschaft des Widerstands“.


Ein Sinn für Geschichte

Der Preisträger des Carlo-Scarpa-Preises 2023-2024 steht auch für die reiche Geschichte von Mexiko-Stadt. Früher war die Pedregal-Landschaft etwa 80 Quadratkilometer groß, aber inzwischen hat sich der größte Teil dieser Oberfläche verändert. Künstler wie Luis Barragán mit seinem Jardines del Pedregal-Projekt – einem modernen Wohnprojekt mit explizitem Schutz des Ökosystems – und Diego Rivera, der 1955 das nahegelegene Anahuacalli-Museum gründete, prägten die Umgebung ebenso wie die UNAM und die Cuicuilco-Pyramide, deren Ruinen noch zu sehen sind.

Die Struktur spiegelt den Wechsel von Regen- und Trockenzeiten wider. Sie stellt eine moderne Interpretation der Geschichte dar und fängt das Gefühl von Raum und Leere ein. Damit spielt sie auch auf soziale Widersprüche, wissenschaftliche Erkundungen und baulichen Entwicklungsdruck an. „Der abstrakte Charakter des Entwurfs und sein offensichtlicher Appell an den Geist der Moderne lassen uns einen Sinn für die Geschichte entdecken, und dass der Blick auf die Landschaft bedeutet, ihr zuzuhören und mit einer Entschlossenheit Verantwortung zu übernehmen“, so das Preisgericht.


Eine kollektive Arbeit

Neben der Landschaft und der Botschaft ist auch die Arbeitsweise des Carlo-Scarpa-Preisträgers erwähnenswert. Sechs Künstler*innen der Escuela Nacional de Artes Plásticas erhielten den Auftrag, ein kollektives Werk zu schaffen. Dieses sollte nicht den Charakter einer einzelnen Person widerspiegeln, sondern sich auf die kollektive Interaktion der Landschaft mit ihrem historischen Erbe konzentrieren.

Die Gruppe aus Künstler*innen bestand aus Helen Escobedo, Manuel Felguérez, Mathias Goeritz, Hersúa, Sebastián und Federico Silva. Ihr Werk ist offen für ökologische Merkmale, anstatt rein anthropozentrisch zu wirken. Entsprechend ging es nach Fertigstellung der Skulptur darum, die Umgebung zu schützen, was 1983 in der offiziellen Gründung der von der UNAM ausgewiesenen Reserva Ecológica del Pedregal de San Ángel mündete.

„... nie zuvor hatte eine Gruppe von Künstlern die Gelegenheit, sich mit einer geschützten Natur auseinanderzusetzen, um durch deren Bewahrung ihr außergewöhnliches Material zu stärken“, Helen Escobedo, Manuel Felguérez, Mathias Goeritz, Hersúa, Sebastián und Federico Silva, 1978. AHUNAM/IISUE, Sammlung Armando Salas Portugal, ASP-CU-0177, Foto: Armando Salas Portugal, 1979.
„... nie zuvor hatte eine Gruppe von Künstlern die Gelegenheit, sich mit einer geschützten Natur auseinanderzusetzen, um durch deren Bewahrung ihr außergewöhnliches Material zu stärken“, Helen Escobedo, Manuel Felguérez, Mathias Goeritz, Hersúa, Sebastián und Federico Silva, 1978. AHUNAM/IISUE, Sammlung Armando Salas Portugal, ASP-CU-0177, Foto: Armando Salas Portugal, 1979

Die Jury des Carlo-Scarpa-Preises begründete ihre Wahl damit, dass der Espacio Escultórico sowohl zur persönlichen Meditation als auch zum kollektiven Handeln einlädt: „Seine Geschichte regt zum Nachdenken über die Beziehung zwischen künstlerischer Geste und ökologischem Bewusstsein an; die chorische Dimension seines Konzepts lädt dazu ein, den Platz des Individuums in der Landschaftsgestaltung zu überdenken und neue Koordinaten und neue Rollen in der gestalterischen Haltung festzulegen.“


Wiederbelebung eines verlassenen Ortes

Von April bis Juni 2024 fand in Treviso eine Ausstellung statt, die dem Espacio Escultórico und seinem Umfeld gewidmet war. Zudem hat die Stiftung ein Buch und einen Dokumentarfilm über den preisgekrönten Ort veröffentlicht. In einer öffentlichen Zeremonie am 13. April 2024 erhielt Leonardo Lomelí Vanegas, Rektor der UNAM, das „Carlo-Scarpa-Siegel“, das Symbol des Preises. Auch Silke Cram und Louise Noelle erhielten Auszeichnungen: Sie sind für die Pflege und Verwaltung des preisgekrönten Ortes zuständig.

Der beeindruckende Lavaboden des Espacio Escultórico in Mexiko-Stadt, umgeben von Betonprismen – eine einzigartige Landschaft. Foto: Andrés Cedillo

Mit seinem vulkanischen Boden und der Interpretation von Formen erinnert der diesjährige Preisträger an das Werk von César Manrique auf der Insel Lanzarote, den Jardín de Cactus, der 2017 den Carlo Scarpa Prize for Gardens erhielt. Und auch der 2022-Preisträger, der Naturpark Südgelände in Berlin, zeigt das Experimentieren mit einem als steril und unbeteiligt wahrgenommenen Gelände, das von einem verlassenen Ort zu einer blühenden Landschaft geworden ist.

 

 

 

Alles rund um den Carlo Scarpa Preis 2022 lesen Sie hier.

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