06.02.2018

Gesellschaft

Hinein in den Fluss

„Im Sommer, wenn die Winde oben nur in dem Laub der großen Bäume sausen, muss man in Flüssen leben oder Teichen, wie die Gewächse, worin Hechte hausen.“ So beginnt das Gedicht „Vom Schwimmen in Seen und Flüssen“ von Bertold Brecht. Damit beschreibt er ein Gefühl, das wir alle gut kennen: Bei schönem Wetter zieht es uns Menschen ans und ins Wasser – vor allem in der Stadt, wo es im Sommer besonders heiß und stickig wird.

Perspektive Lustgarten (realities:united/Flussbad Berlin e.V.)
Auch in München strebt ein Verein ein Flussbad an: In der großen Isar zwischen Cornelius- und Ludwigsbrücke könnte sich der Isarlust e.V. ein öffentliches, dauerhaftes Isarflussbad vorstellen. (Montage: Isarlust e.V.)
Berliner Flussbad Pokal am 03.07.2016 im Kupfergraben. (Bild: Axel Schmidt 2016)

Baden im städtischen Fluss – eine Utopie?

Schwimmen und Planschen in den städtischen Flüssen und Teichen? Ein verlockender Gedanke. Aber im Laufe des 20. Jahrhunderts haben wir uns damit abgefunden, dass das Baden in urbanen Gewässern nicht möglich ist, da sie entweder verbaut oder verschmutzt sind. Doch gerade in Zeiten zunehmend verdichteter und im Zuge des Klimawandels überhitzter Städte würde die Rückeroberung der Freiräume am, auf und im Fluss einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der urbanen Lebensqualität leisten. Gerade weil die meisten städtischen Gewässer nicht mehr als Arbeitsort und Verkehrswege genutzt werden und dadurch viel sauberer geworden sind, bietet es sich an, sie wieder für die Bevölkerung nutzbar zu machen. Doch die meisten Städte tun sich extrem schwer damit, ihre Flüsse für die Bürger zu erschließen. Warum gibt es so wenig positive Beispiele einer intensiven Nutzung städtischer Flussräume?

Temporäre Aktionen als Initial

Viele Städte behandeln ihre innerstädtischen Gewässer als planerische Leerstellen, die keine aktive Rolle für die gelebte Stadt einnehmen. Denn nur die wenigsten Ufer haben auf den ersten Blick das Potenzial eines attraktiven und öffentlichen Ortes: Oft verlaufen sie entlang der Gebäuderückseiten, sind schmuddelig und düster, sind schwer oder gar nicht zugänglich oder mit Staudenknöterich überwuchert. Während in der wachsenden Stadt immer mehr Freiräume verschwinden, erscheinen die versteckten Flüsse und Kanäle als einzige Orte, die sich unter dem Radar der alles erfassenden Flächenverwertung bewegen.

Um diese Gewässer und ihre Potenziale auf die Agenda der Städte zu bringen, kommt zivilgesellschaftlichen, künstlerischen und prozessorientierten Initiativen wie beispielsweise den Vereinen Flussbad Berlin oder Isarlust e.V. eine wichtige Rolle zu. Mit Aktionen wie temporären Flussbadetagen und Schwimmcontests in Verbindung mit der schrittweisen Implementierung von Pilotprojekten und mutigen Gestaltungsvisionen, geht es darum, Utopien im Realversuch zu testen und Möglichkeitsräume aufzuzeigen. Das Ziel: Die Gesellschaft zu größeren Veränderungen zu motivieren.

Verschiedene Ansprüche vereinen

Planer müssen die oft widersprüchlichen Ansprüche von Denkmalschutz, Naturschutz, Wasserwirtschaft, Stadtplanung und Grundstückseignern zusammenbringen, um, unter Einbeziehung der Stadtgesellschaft, nach Lösungen zu suchen, bei denen die Verwaltungsakteure ihre singulären Positionen im Prozess verändern – und diesen Wandel sogar begrüßen. Dabei bewegt man sich auf einem schmalen Grat: Die Gewässer nicht zu kommerzialisieren, sondern als Ort für alle, der Begegnung und Naturerfahrung inmitten der gebauten Stadt, neu zu erfinden. Meine Vision vom Leben in den Flüssen und Teichen, mitten in der Stadt: nicht ganz klar und berechenbar, aber berauschend und unbezahlbar.

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