Die Planer*innen von studio polymorph realisierten in der historischen Altstadt von Göttingen mit dem Hofgarten im KunstQuartier eine grüne Oase inmitten dichter Bebauung. Er bietet Bewohner*innen einen Rückzugsort, Kindern eine Möglichkeit zu spielen und eine Bühne für Veranstaltungen. Wie studio polymorph den Stadtgarten im Bestand strukturierte und welche Elemente die Atmosphäre prägen, schildern die Planer*innen in ihrer Projektvorstellung.
Hofgarten für Nachbarschaft und Kunst
Inmitten der historischen Altstadt von Göttingen, umgeben von dichter Bebauung, befindet sich eine grüne Oase: der Hofgarten im KunstQuartier Göttingen. Entworfen von den Berliner Landschaftsarchitekt*innen von studio polymorph wurde dieser kleine, aber feine Stadtgarten mit einer Fläche von 650 Quadratmetern im Jahr 2020 fertiggestellt.
Als Museumsgarten, sozialer Garten und Ort zum Reflektieren, Lesen und Verweilen will der Hofgarten im KunstQuartier gleichermaßen ein Ort für die Nachbarschaft wie auch für Kunstinteressierte aus aller Welt sein. Neben Verweilen und Entspannung ist auch Spielen einer der gewollten Nutzungsschwerpunkte. Dies ganz im Sinne des berühmten Zitats der Architektin Lina Bo Bardi, dass jedes Museum einen Spielplatz verdiene.
Stadtgarten zwischen Kunst und Quartier
Der Hofgarten ist als ruhiger, üppig durchgrünter und kontemplativer Stadtgarten konzipiert, dessen Gestaltung einem klaren Konzept folgt. Die Mitte des Gartens wird durch ein skulpturales Spielobjekt definiert, das seinerseits von Bewegungs- sowie Aufenthaltsflächen gerahmt wird. Zur umliegenden Bebauung hin vermittelt ein dichter, grüner Saum. Die Formensprache des Gartens orientiert sich am Logo des KunstQuartiers, dessen leicht expressive Form auf den Garten übertragen wird.
Der Hofgarten präsentiert sich als gelungene Balance zwischen Gestaltung, Bedarfsorientierung und Identitätsstiftung. Ein Ort für Bewohner*innen ebenso wie für kunstaffine Besucher*innen. Gleichwohl der Garten öffentlich zugänglich ist, ist er nicht auf den ersten Blick sichtbar und somit ein versteckter Rückzugsort für jene, die sich eine Pause gönnen wollen.
Die Spielskulptur aus Naturstein mit Sandfläche sowie integriertem Trink- sowie Spielbrunnen bildet das spielerische Herz des Hofes. Die Skulptur dient als informeller Bewegungsanreiz für Kinder aber auch als Bühne für Lesungen, Performances oder andere Veranstaltungen. Punktuell eingesprengte Hüpf- und Lesesteine aus Naturstein interpretieren ebenfalls die identitätsstiftende Form des KuQua-Logos, wollen Anregung zum Klettern, Springen und Erkunden sein.
Warmes, natürliches Erscheinungsbild prägt Innenhof
Nördlich, östlich und südlich wird der Hofgarten durch einen dichten Pflanzsaum gerahmt. Dieser bildet eine Pufferzone zu den anliegenden Wohnnutzungen und stärkt den geschützten, oasenartigen Charakter. Eine standortgerechte Pflanzenwahl orientiert sich sowohl an ästhetischen als auch an ökologischen Gesichtspunkten und sorgt dafür, dass der Garten das ganze Jahr über attraktiv bleibt. Die Bestandsbäume sowie kleinkronige Neupflanzungen werden in eine schattenverträgliche Stauden- und Bodendeckerpflanzung integriert. Lichtpoller entlang des Pflanzrandes schaffen eine ruhige, atmosphärische Beleuchtung in den Abendstunden.
Zwei Holzbalkenbänke laden zum Verweilen ein. Während eine Bank mit Rückenlehne zum gemütlichen Sitzen dient, steht die andere ohne Lehne freier im Raum und kann – im Sinne einer Multicodierung – zum Beispiel auch als Balancierbalken oder als Spieltisch genutzt werden.
Der Höhensprung vom tiefer liegenden Zugang zum Kunsthaus zum Innenhof wird mittels Treppenstufen und einer barrierefreien Rampe überbrückt. Die Bewegungsflächen sind Innenhof sind mit einem einheitlichen Kleinsteinpflaster versehen.
Insgesamt ist der Innenhof im Sinne eines Gartens atmosphärisch geprägt durch sein warmes, natürliches Erscheinungsbild. Prägende Materialien sind Holz, Naturstein, Sand, Wasser und viel Grün in Form von Pflanzbeeten, Vertikalbegrünung, Bestandsbäumen sowie Neupflanzungen. Das anfallende Niederschlagswasser wird größtenteils in die Pflanzflächen entwässert.
Ein echtes Nachbarschaftsprojekt
Die Beteiligung der Anwohner*innen während der Planungsphase war ein wichtiger Beitrag zum Erfolg des Projektes. So konnten Ideen und Bedürfnisse erkannt und integriert werden, was den Hofgarten zu einem echten sozialen Nachbarschaftsprojekt im Viertel macht.
Studio polymorph ist es gelungen, im Bestand zu bauen und einen zugleich funktionalen und formal angemessenen Garten zu schaffen. Er stiftet Identität, spiegelt Nachbarschaft und Kunst und nimmt zugleich Rücksicht auf die historische Umgebung, denn das KunstQuartier steht unter Denkmalschutz. Somit zeigt der Garten, wie auch in eng bebauten städtischen Umgebungen ansprechende Stadtoasen im kulturellen Kontext entstehen können.
Über das Büro
„Entwerfen als Landschaftsarchitektur“ ist das Motto des Landschaftsarchitekturbüros studio polymorph, geleitet von Stefan Bernard und Agata Waszczuk. Über 50 erfolgreichen Realisierungen und 20 laufenden Projekten in Deutschland und Italien zeigen das besondere Interesse von studio polymorph für spezifische Orte und deren Geschichte. Das Team folgt einem ergebnisoffenen, undogmatischen Ansatz. Es legt großen Wert auf die schlüssige Darstellung sowie die nachvollziehbare Begründung von entwurflichen Entscheidungen. So entwickeln sich eine Vertrauensbasis sowie ein gegenseitiges Verständnis mit allen Projektbeteiligten. Die konkrete Entwurfsarbeit basiert auf einem schrittweisen Verfahren, das das Selbstverständnis der Planer*innen als autonome Entwerfer*innen mit dem Anspruch nach Dialog und Empathie mit Orten und Menschen verknüpft. Auf diese Weise entstehen maßgeschneiderte Freiraumlösungen im urbanen Kontext.
Besondere Kompetenzen und Leidenschaften von studio polymorph liegen in der Gestaltung von Bildungseinrichtung, etwa Kitas, Schulen sowie Universitätscampus. Weitere für die Arbeit des Studios relevante Referenzen sind etwa der Heinrich-König-Platz in Gelsenkirchen, die Außenanlagen des Klosters Eberbach oder der Campus Rütli CR² in Berlin-Neukölln.
Weitere Informationen zu den Projekten und der Herangehensweise des Büros finden Sie auf der Webseite des Büros.
Weiterlesen: In der G+L 09/24 stellen wir 54 Stadtoasen aus fünf Ländern vor. Das Heft ist im Shop erhältlich. Weiter grüne Oasen sind hier zu entdecken.