Mit der Holzbrücke über die Autobahn A1 hat die Société de livraison des ouvrages olympiques (SOLIDEO) das Eingangstor zu den Olympischen und Paralympischen Spielen 2024 geschaffen. Genauer – die Verbindung von dem Mediendorf in Dugny mit dem Sport- und Schulpark von Le Bourget. Die Planung und Konstruktion übernahmen das Ingenieurbüro Miebach aus Lohmar und AIA Life Designers in Zusammenarbeit mit Explorations Architecture. Die Brücke bleibt als dauerhafte Querung bestehen und verbessert die Anbindung des Parc Georges-Valbon, der drittgrößten Grünanlage der Île-de-France.
Brettschichtholz und Betonfertigteile
Die 100 Meter lange Brücke ist eine Besonderheit im französischen Brückenbau. Holz wird dort nur selten für große Ingenieurbauten eingesetzt. Das Ingenieurbüro Miebach aus Lohmar brachte sein Fachwissen in das Projekt ein und arbeitete mit dem französischen Ingenieurbüro AIA Life Designers zusammen. Gemeinsam mit Explorations Architecture gewannen sie 2020 den Wettbewerb für den Brückenbau.
Die Konstruktion besteht aus einer dreifeldrigen Balkenbrücke mit einem getreppten Tragwerk aus blockverklebtem Brettschichtholz. Die Fahrbahnauflage wurde aus Betonfertigteilen gefertigt, das Geländer aus architektonisch geformtem Rundstahl, der Handlauf besteht aus Stahl. Insgesamt wurden rund 330 Kubikmeter Brettschichtholz aus französischer Douglasie verbaut.
Sicherheit und Beständigkeit
Trotz verbreiteter Vorurteile zur Langlebigkeit von Holzbrücken zeigte sich in Belastungstests die hohe Widerstandsfähigkeit der Konstruktion. Die Brücke wurde so ausgelegt, dass sie einem zweistündigen Brand auf der darunterliegenden Autobahn standhält. Während Stahl bei Hitze seine Tragfähigkeit verliert, bildet Holz eine schützende Karbonisierungsschicht, die die innere Struktur bewahrt. Die architektonische Gestaltung gewährleistet zudem einen hohen konstruktiven Holzschutz. Ein 30 Zentimeter überstehender Betonrand sowie um 30 Grad geneigte Balkenkanten schützen das Holz vor direktem Regen.
Skulpturale Eleganz
Das Design der Brücke ist sowohl minimalistisch als auch skulptural. Die Formgebung ist von der Minimal Art des Künstlers Carl Andre inspiriert. Zwei geneigte Pfeiler verleihen der Konstruktion Dynamik und lassen sie aus der bewaldeten Umgebung hervortreten. Die Linienführung im Grund- und Aufriss wurde mit besonderer Sorgfalt gestaltet, um harmonische Proportionen zu schaffen. Ein weiteres Vorbild für die Konstruktion war eine Holzbrücke im schwäbischen Neckartenzlingen, die ebenfalls von IB Miebach realisiert wurde. Auch dort prägt eine schräg gestellte Stütze das Erscheinungsbild.
Nachhaltigkeit als Leitprinzip
Im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Olympischen Spiele wurde die Brücke unter besonderer Berücksichtigung der CO₂-Bilanz konzipiert. Der Holzbau reduziert den Kohlenstoff-Fußabdruck gegenüber herkömmlichen Materialien erheblich. Die verwendete Douglasie stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern im französischen Morvan.
Beton kam lediglich für die Fundamente, Pfeiler und Widerlager zum Einsatz. Ein heller Fahrbahnbelag minimiert die Aufheizung durch Sonneneinstrahlung, während die intensive Bepflanzung in der Umgebung das Phänomen der städtischen Wärmeinsel abschwächt. Zudem wurde Aushubmaterial aus anderen Pariser Bauprojekten für die Aufschüttungen genutzt. Insgesamt beträgt die CO₂-Bilanz des Projekts 1100 Tonnen CO₂-Äquivalent.
Ein nachhaltiges Vermächtnis
Die Holzbrücke in Paris ist ein Beispiel für eine Bauweise, die ästhetische, funktionale und ökologische Anforderungen berücksichtigt. Sie verbindet Stadtteile und verbessert den Zugang zu Grünflächen. Das Bauwerk demonstriert die Einsatzmöglichkeiten von Holz im Brückenbau und dient als Referenz für nachhaltige Konstruktionen in urbanen Räumen.
In unserer Maiausgabe 2024 haben wir ein Heft über Brücken gemacht. Das Heft finden Sie hier.