25.05.2016

Gesellschaft

Stadtplanung in Moskau

Der öffentliche Raum war in Moskau lange Zeit kein Thema. Erst 2010, mit der Absetzung von Bürgermeister Juri Luschkow, begann ein Wandel. Es kam zu einem Umdenken in Bezug auf den öffentlichen Geist, das über die kollektivistischen Ideale der Sowjetzeit und den Egozentrismus des vorangegangenen Jahrzehnts hinausging. Infolgedessen begannen die Planer wieder, sich mit der Gestaltung des öffentlichen Raums zu befassen.

In den Zeiten des Turbokapitalismus nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion dominierte ein kleiner, geschlossener Club russischer Architekten, Männer, die heute um die 50 Jahre alt sind, die Bautätigkeit in Moskau. Selbst internationale Stars wie Zaha Hadid und Norman Foster konnten aus den von ihnen gewonnenen Wettbewerben keinen Nutzen ziehen. Während es einigen wenigen Architekten vor allem darum ging, ihren Reichtum zu mehren, ging es den meisten nur ums Überleben. Unter Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow war der öffentliche Raum kein Thema. Sein konservativer Geschmack wurde zum allgemeinen Standard und fand seinen Höhepunkt in bizarren Possen wie dem Denkmal für Zar Peter den Großen – mit fast 100 Metern Höhe eines der höchsten Denkmäler weltweit.

Photos: Wowhaus

Moskau: Architektur als Luxusgut

Im Jahr 2007 gründeten die Architekten Dmitri Likin und Oleg Shapiro das Büro Wowhaus. Nach dem Abschluss ihres Architekturstudiums in den wilden 1990er Jahren hatten beide kein Interesse daran, Einkaufszentren, Plattenbauten oder protzige Paläste für die Neureichen zu entwerfen. Stattdessen wurde Likin Art Director für die erste Generation der russischen Hochglanzmagazine. Seit 1998 arbeitet er für Channel One und ist heute der Chefdesigner des Fernsehsenders. Schapiro ist in erster Linie ein “Geschäftsmann”, der weiterhin Hubschrauber verkauft. Ihre finanzielle Unabhängigkeit gab ihnen die Freiheit, einen klaren architektonischen Ansatz zu verfolgen, und in ihrem Architekturbüro arbeiten sie nur an Projekten, die sie wirklich interessieren. “Wir standen nicht vor dem Problem des Überlebens”, sagt Likin. Bis 2010 blieb Wowhouse eher klein und überschaubar.

Mit dem Sturz Luschkows und der Wahl von Sergej Sobjanin zum neuen Bürgermeister Moskaus im Jahr 2010 begann ein Umdenken im öffentlichen Raum. Sobjanin führte eine neue Agenda für die Stadt ein: Die Neugestaltung von Parks, die Planung neuer Fußgängerzonen und Fahrradwege sowie die Renovierung von Theatern und Bibliotheken wurden zu einem zentralen Thema. Auf politischer Seite wurden diese Projekte vor allem von Sergej Kapkow vorangetrieben, der seit 2006 Leiter der von Roman Abromowitsch finanzierten nationalen Fußballakademie und zuvor Vizepräsident des russischen Fußballverbands war. Im Jahr 2011 wurde er zum Direktor des Gorki-Parks ernannt und 2012 wurde er Kulturminister der Stadt. In dieser Position wurde er schnell als “Hipster-Minister” bekannt und war das Gesicht des neuen, westlich orientierten Moskau.

Strekla-Sommer in Moskau

“Eine der Aufgaben von Architekten ist es, Glück zu schaffen”, sagt Dmitri Likin im Gespräch. Einer der ersten der neuen, lebendigen Orte, die Wowhaus geschaffen hat, ist die Strelka, ein Institut für Medien, Architektur und Design. Es wurde 2009 als nichtstaatliche Einrichtung gegründet und bietet im Rahmen eines Postgraduierten-Studiengangs eine der einzigartigsten Formen der Architekturausbildung in Russland – ein Labor für die praktische und theoretische Auseinandersetzung mit der Stadt. In den ersten drei Jahren war Rem Koolhaas der Dekan des Instituts. Eine der populärsten Veranstaltungen der Strelka ist der so genannte “Strelka-Sommer”, bei dem Vorträge, Filmvorführungen und Performances von internationalen Architekten, Designern und Kulturwissenschaftlern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und der neben der Bar des Instituts die größte öffentliche Wirkung hat. Likin und Shapiro gehören zu den fünf Gründern der Strelka. Sie sind heute Mitglieder des Stiftungsrats und haben auch das Gebäude des Instituts, das früher eine Garage der Schokoladenfabrik Roter Oktober war, neu gestaltet.

Hier mehr zum russischen Architekturbüros Wowhaus Urban Studies, Architecture, Design.

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