05.05.2014

Projekt

Konversion als Gewinnerthema

Als Thomas de Maizière im Oktober 2011 bekanntgab, welche Standorte im Rahmen der Bundeswehrreform aufgegeben werden, war die Erleichterung groß in Potsdam. Ministerpräsident Matthias Platzeck dankte dem Bundesverteidigungsminister, dass in Brandenburg keine Kaserne schließen müsse, und der Städte- und Gemeindebund bemerkte, Brandenburg sei mit einem blauen Auge davongekommen. Über die Parteigrenzen hinweg waren sich in Potsdam alle einig: Keine Chance für die jeweiligen Kommunen wäre eine Schließung von Bundeswehr-standorten, sondern eine Katastrophe. Warum nur? Schließlich ist auch in Potsdam, wo die Bundeswehr mit dem Einsatzführungskommando, der Havellandkaserne und einem Kreiswehrersatzamt vertreten ist, der Wohnraum knapp. Warum nicht die Chance beim Schopf packen und einen Militärstandort einer zivilen Nutzung zuführen?

Loretto-Areal Tübingen
Loretto-Areal Tübingen
Ehemaliger Güterbahnhof Leipzig
Ehemaliger Güterbahnhof Leipzig. Konzept: Spiel.Raum.Planung
GleisGrünzug Bahnhof Plagwitz. Perspektive: Spiel.Raum.Planung
GleisGrünzug Bahnhof Plagwitz. PErspektive: Spiel.Raum.Planung
Konzept für die Kaserne Babenhausen von metris architekten
Kaserne Babenhausen

Konversion, das ist für viele Kommunen kein Gewinnerthema. Zunächst einmal bedeutet eine Standortschließung Verlust – Verlust an Arbeitsplätzen, an Kaufkraft, an regionaler Bedeutung. Die Neuentwicklung der Flächen dagegen ist eine Herkulesaufgabe, die oft Jahre dauert – Ausgang ungewiss und ohne Erfolgsgarantie. Umso wichtiger sind die 
Beispiele gelungener Konversion. 
Ein Modell für eine erfolgreiche Entwicklung eines ehemaligen Militärstandorts ist noch immer die Tübinger Südstadt. Gleich nach der Wende haben die französischen Streitkräfte die Lorettokaserne verlassen, die Stadt kaufte das 60 Hektar große Areal, das doppelt so groß ist wie die Tübinger Altstadt, vom Bund für 60 Mark pro Qua­dratmeter. Der niedrige Kaufpreis war das eine, die Vision der Tübinger Planer von 
einer „Stadt mit Eigenschaften“ das andere. Die Gelegenheit war also günstig, auch weil das Tübinger Planungsamt nach der erfolgreichen Sanierung der Altstadt neue Aufgaben suchte – da kam die Umnutzung der Kaserne gerade recht.

Inzwischen ist Tübingen zum Modell einer Konversion geworden, die nicht auf private Investoren setzt, sondern auf die Entwicklung der Flächen durch die öffentliche Hand. Nach dem Erwerb machte Tübingen das Gelände planungsreif und verkaufte die einzelnen Grundstücke an – heute würde man sagen – Baugruppen. So entstand eine dichte, lebendige und gemischte Stadt, wie sie andere Neubauquartiere vergeblich suchten. Tübingen ist nicht überall
Auch Jürgen Schmitt hat das Tübinger Modell vor Augen, wenn er an Konversion denkt. Er weiß aber auch, dass die dicken Bretter wie in der 80 000 Einwohner zählenden Universitätsstadt nicht überall zu bohren sind. „Für eine Kleinstadt mit wenigen Mitarbeitern im Planungsamt wäre das eine Nummer zu groß.“ Schmitt arbeitet im Büro „NH ProjektStadt“, die im Auftrag der hessischen Kleinstadt Babenhausen die Konver­sion eines wie in Tübingen 60 Hektar großen Kasernengeländes vorantreibt. Anders als dort haben sich die Babenhausener allerdings nicht für den Kauf der Fläche entschieden, sondern für eine Ausschreibung, die seit Ende November läuft. Ein Großinvestor soll nun in enger Abstimmung mit der Stadt und dem Eigentümer gefunden werden.

Hauptakteur vieler Konversionsprojekte ist inzwischen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz BImA, die seit ihrer Gründung 2005 alle bundeseigenen Flächen verwaltet. Bei Grundstücksverkäufen, also auch der Veräußerung der 31 Kasernen, die im Rahmen der aktuellen Bundeswehrreform verkauft werden, ist die BImA verpflichtet, den jeweiligen Marktwert zu erzielen. Dennoch hat der bundeseigene Liegenschaftsfonds in Babenhausen eine konstruktive Rolle gespielt, sagt Schmitt. Allerdings habe die BImA auch ein Interesse daran. „Ohne Kommune gibt es kein Planungsrecht, und ohne Planungsrecht keine marktgerechten Verkaufserlöse.“
In Babenhausen sieht das Ergebnis der engen Abstimmung so aus: Auf dem ehe­maligen Kasernengelände, das die US-Streit­kräfte 2007 verlassen haben, soll ein Quartier für nachhaltiges Wirtschaften, Arbeiten und Wohnen entstehen. Der Rahmenplan, den NH ProjektStadt in Kooperation mit verschiedenen Büros erarbeitet hat, wurde auf der Expo Real 2011 in München und von der „Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen“ zertifiziert. Für Schmitt ein Grund zur Freude: „Bisher hat noch keine einzige Militärfläche eine solche Auszeichnung als nachhaltiges Stadtquartier erhalten.“

Babenhausen – und nicht Tübingen – als Zukunftsmodell?

Das ist auch eine Frage des Geldes. „Die meisten Kommunen können es sich nicht leisten, freiwerdende Flächen zu kaufen oder in den kommunalen Zwischenerwerb zu nehmen“, sagt Rüdiger Balduhn. Balduhn ist einer von zwei Mitarbeitern des „Konversionsbüros“ in Kiel, einer Einrichtung des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministeriums, das die Kommunen bei der Entwicklung ehemaliger Militärflächen beraten soll. Immerhin ist Schleswig-Holstein mit acht Schließungen mit am stärksten von der aktuellen Bundeswehrreform betroffen.
Für Balduhn gibt es daher kaum Alternativen zu einer gemeinsamen Entwicklung der Flächen mit der BImA. „Die Nachnutzung ist ein ziemlich kompliziertes Verfahren“, sagt er. „Oft befinden sich die Liegenschaften im Außenbereich der Städte, da haben sie es baurechtlich mit einer weißen Fläche zu tun.“ Gleichwohl hat das Kieler Konversionsbüro auch Forderungen an die Politik. „Die BImA sollte nicht nur am Marktwert orientiert sein“, sagt er und verweist auf die Ministerpräsidentenkonferenz, die erst vor kurzem wieder ein Konversionsprogramm des Bundes angemahnt hat sowie die Wieder­einführung so genannter Verbilligungstatbestände beim Verkauf von Bundesliegenschaften. Ein Landeskonversionsprogramm hat Schleswig-Holstein bereits aufgelegt: Betroffene Kommunen können sich beim Wirtschaftsministerium um zusätzliche Fördermittel bemühen. Darüber hinaus fördert das Konversionsbüro auch Entwicklungsgutachten für die Kommunen sowie Machbarkeitsstudien.

Bahn ist schwieriger Partner

Ein einfaches Thema wird die Konversion von Bundeswehrflächen also auch in Zukunft nicht sein. Darin aber nur Katastrophen zu sehen wie in Brandenburg und keine Chancen, das greift sicher zu kurz. Gerade die BImA hat inzwischen bewiesen, dass sie sich der stadtentwicklungs-politischen Verantwortung beim Verkauf der Militärflächen bewusst ist. Ein Lernprozess, den man sich bei anderen Akteuren, wie etwa der Bahn oder den Eigentümern ehemaliger Bahnflächen nur wünschen kann, wie das Beispiel in Leipzig-Plagwitz zeigt.
In Plagwitz, einem ehedem industriell geprägten Stadtteil im Leipziger Westen, wird sich rund um den Bahnhof in den kommenden Jahren viel verändern. Im Rahmen des Ausbaus der Strecke Leipzig-Probstzella soll auch der Bahnhof Plagwitz umgebaut werden. Gleichzeitig will die Bahn das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs aufgeben – für die Stadt die Chance, dort den lang geplanten „GleisGrünZug“ zu realisieren. „Doch die Bahn ist ein schwieriger Partner“, sagt Henry Richter vom Amt für Stadtentwicklung und Wohnungsbauförderung. Das betrifft auch den Erwerb der Fläche durch die Stadt – zum Grünpreis und nicht zum Gewerbepreis, wie Richter betont.

Ähnliche Erfahrungen mit Bahnflächen ­haben zuvor auch andere Städte gemacht. Bei den Planungen zum Park am Gleisdreieck in Berlin wollte die Vivico, der die Bahngrundstücke übertragen wurden, immer wieder einen höheren Anteil an Wohnbebauung durchsetzen als das Bezirksamt Friedrichs­­hain-Kreuzberg als Planungsbehörde. Mit Erfolg. Obwohl im Flächennutzungsplan weitaus kleiner vorgesehen, betrug der Anteil der Baufläche am Gleisdreieckpark bei der Unterzeichnung des städtebaulichen Vertrags zwischen der Vivico und dem Land Berlin drei Hektar. Wegen der hohen Baudichte mit ­einer GFZ von 2,5 war der Grundstückspreis mit 12 Millionen Euro für die Vivico wohl das entscheidende Argument. Inzwischen hat eine Genossenschaft das Gelände gekauft und will dort das Quartier „Möckernkiez“ realisieren.

In Leipzig dagegen steht eine Bebauung nicht zur Debatte. Um diese zu forcieren, setzen Kommune und Anwohner auf öffentlichen Druck. So wurden ein „Gleisfrühstück“ organisiert, eine Planungswerkstatt ins Leben gerufen, die Initiative Bürgerbahnhof Plagwitz informiert die Bewohner. Das Ziel dieses Drucks, zu dem auch eine umfangreiche Bürgerbeteiligung gehört, ist recht einfach: Die bundeseigene Bahn soll beim Verkauf von Konversionsflächen wenigstens jenen Standards folgen, die die bundeseigene BImA inzwischen akzeptiert.
Dieser Artikel ist neben anderen nachzuelesen in  Garten + Landschaft 1/2012 – Konversion.

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