29.01.2022

Cities initiative

Kulturhauptstadt 2022: Europa benennt 3 Städte

Landschaftsbild
Blick auf die Stadt Kaunas

Novi Sad im Wandel

Dieses Jahr tragen gleich drei Städte den Namen Kulturhauptstadt Europas 2022: Esch in Luxemburg, Kauna in Litauen sowie Novi Sad in Serbien. Warum es sich lohnt, einen Blick auf diese Städte zu werfen, lesen Sie hier.

Im Jahre 1985 zelebrierte die Europäische Union die Diversität der Staatengemeinschaft erstmals durch die Vergabe des Titels Kulturhauptstadt Europas. Jährlich wird seither eine Metropole zur Repräsentation des kulturellen Reichtums der Länder gewählt. Seit 2004 trägt nicht mehr eine Stadt allein das Siegel. Mindestens zwei Städte können pro Jahr als Kulturhauptstadt Europas auf die vorgesehenen EU-Fördermittel zurückgreifen – und damit ein attraktives Kulturangebot gestalten. Die Auszeichnung lockt Besucher*innen, die gemeinsam mit den Anwohner*innen in die kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Länder eintauchen können. Die Förderung des kulturellen Lebens begünstigt auch das gemeinschaftliche Leben in der EU sowie den Austausch zwischen den Staaten.  Im Jahre 2021 zwang die Pandemie das Programm erstmalig seit der Einführung zum Aussetzen. 2022 soll sich nun wieder die Chance bieten, in den kulturellen Reichtum ausgewählter Städte einzutauchen. Diesjährig teilen sich Novi Sad im EU-Anwärterstaat Serbien, Esch in Luxemburg und Kauna in Litauen den Titel.

Novi Sad war bereits 2021 vorgesehen gewesen. Da die Ausführung aufgrund der Pandemie nicht in geplanter Form stattfinden konnte, wird die serbische Stadt 2022 erneut den Titel tragen. Für Serbien ist es die erste Auszeichnung. Und ein wichtiger Schritt zur Repräsentation des osteuropäischen Staates. In Novi Sad ist die Historie als kommunistische Stadt des ehemaligen Jugoslawiens noch präsent. Die Kriegsereignisse – wie auch die Bombardierung durch die NATO in den 90er-Jahren – haben die Region gezeichnet. Nemanja Milenković vom serbischen Kulturhauptstadt-Organisationskomitee spricht von einem „schlechten Image“. Durch den Titel könnte der Umschwung hin zur jungen Kulturmetropole gelingen. Potential ist schließlich reichlich vorhanden. Neu gebaute Brücken verbinden die Donauufer. Die Altstadt mutet barock an. Fassaden wurden renoviert und das Zentrum erstrahlt in neuem Glanz. Die Straßenkunst-Szene floriert. Milenković betont, dass es nicht nur um Branding gehe. Sondern darum der Welt die neue, existierende Realität zu zeigen.

Rathaus am Hauptplatz in Novi Sad, Foto © Lazar Gugleta via Unsplash
Beleuchtete Brücke bei Nacht in Novi Sad, Foto © Nemanja Stevic via Unsplash

Kulturhauptstadt 2022: Kaunas als Gastgeber Europas

 

Serbien ist kein EU-Mitglied. Als Beitrittskandidat erhält es trotzdem die Chance, sich zu präsentieren. Litauen gehört seit 2015 zur Eurozone. In der Vergangenheit hatte Vilnius den Titel bereits getragen. Nun tritt Kaunas als zweitgrößte Stadt des Landes in die Fußstapfen der Hauptstadt. Umgeben von Hügeln liegt Kaunas am Zusammenfluss zweier Flüsse. Jüngst hatte der Ort durch die Umgestaltung des Vienybės-Platzes von sich Reden gemacht. Das Projekt erhielt 2019 den ersten Preis im German Design Award. Auch die modernistische Architektur gilt als bedeutsam. Mit der Auszeichnung als Kulturhauptstadt gehen weitere Investitionen in Kultur- und Stadtentwicklung einher. Der litauische Kulturminister Simonas Kairys spricht von einem „Kaleidoskop der Epochen und politischen Systeme“, welches in Kausas ersichtlich werde. Ein vollgepacktes Programm namhafter Künstler*innen mit Konzerten, Ausstellungen sowie Lichtinstallationen sollen eine Stadt im Wandel repräsentieren. Der Bürgermeister betont, man sei mehr als bereit sich zu öffnen und Gastgeber für ganz Europa zu werden.

Landschaftsbild
Blick auf die Stadt Kaunas, Foto © Misael Silvera
Ruine der Burg Kaunas, Foto © Paulius Andriekus

Kulturhauptstadt 2022: Esch-sur-Alzette – Vom Herz aus Stahl zum Herzen Europas

 

Dieser Rolle fiebert auch Esch-sur-Alzette entgegen. In der luxemburgisch-französischen Grenzregion gelegen, war die Stadt in der Vergangenheit vor allem wegen ihrer Stahl-Industrie von Bedeutung. Mitte des letzten Jahrhunderts begann der Niedergang der Schwerindustrie. Bereits seit einiger Zeit werden die Infrastrukturen einer Umnutzung zugeführt. In Fond-de-Gras befördert die ehemals für den Eisenerztransport bestimmte Dampflok nun Tourist*innen. Die Förderung als Kulturhauptstadt 2022 soll den Wandel vom Industrie- zum Kultur- und Wissensstandort weiter manifestieren. 19 Gemeinden in der Region werden im Kulturjahr gemeinsam agieren, um die Vielfalt und Besonderheit des Standortes erlebbar zu machen. Dazu dient auch das Freilichtmuseum Fond-de-Gras. Dort arbeiten Ehrenamtliche und Expert*innen gemeinsam daran, Artefakte von damals ins Heute zu retten. Die Relikte der Industrie stehen teilweise in der Landschaft des Naturschutzgebiets Ellergronn. So öffnen sich inmitten der Wiesen plötzlich Stolleneingänge. Aus Sicherheitsgründen sind diese jedoch gesperrt. Gefahrlos erkunden lässt sich die Region über einen neu angelegten Wanderweg.

Brücke Audun-le-Tiche mit Blick auf Esch-sur-Alzette, Foto © Emile Hengen
Hochöfen von Belval in Esch-sur-Alzette, Foto © Project_Musique et Acier

Hoffnung und Kritik in Luxemburg

 

Und an Erkundungsfreudigen mangelt es nicht. Der Strukturwandel und das aufmerksamkeitswirksame Siegel als Kulturhauptstadt 2022 führen zu einem steten Zustrom an Besucher*innen. Die authentische Repräsentation der Geschichte mag daran ihren Anteil haben. Museumsdirektor Frédéric Humbel erhofft sich, dass das Kulturjahr nicht nur den Gäst*innen sondern auch den Anwohner*innen dient  und beobachtet dabei zufrieden die Teilnahme von Zeitzeug*innen der Region. Allerdings haben die städtebaulichen Entwicklungen und die Ausweitung des kulturellen Angebots jedoch nicht nur positive Effekte. In Esch-sur-Alzette regt sich neben aller Euphorie auch Unmut über die steigenden Mieten und die Zunahme an Airbnb-Unterkünften. Auf den Leerstand der Industriebrachen folgt nun ein regelrechter Bauboom. Passenderweise beinhaltet das Programm in Esch auch Ausstellungen zur nachhaltigen Entwicklung der Region. Im Laufe des Jahres wird sich zeigen, wie die Stadt ihre komplexe Geschichte fortschreiben kann. Die Areale um die alten Hochöfen zu zugänglichen Veranstaltungsorten für alle umzudeuten, ist dabei eine Strategie.

Kulturhauptstadt als Entwicklungsmotor der EU

Insgesamt sind in Novi Sad, Kausas und Esch über das Jahr verteilt tausende Veranstaltungen geplant. Dabei sehen die Städte eine Reihe von Kooperationen vor: Das Projekt JazzXchance animiert Musiker*innen unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergrunds, ein gemeinsames Stück zu erarbeiten. In Esch gestalten Künstler*innen aus den drei Ländern in Zusammenarbeit ein Wand-Graffiti. Die Bundesregierung betitelt Novi-Sad als die Stadt der Brücken, Kaunas als die Stadt der Moderne und Esch-sur-Alzette als das multikulturelle Herz Europas. Drei unterschiedliche Standorte, die gemeinsam das Kulturjahr 2022 in Europa mitbestimmen werden. Sie stehen für die Vielfalt der Staatengemeinschaft. Und sollen neben der Diversität auch den Zusammenhalt der EU repräsentieren. Um sich für den Titel zu qualifizieren, müssen die Städte die Mitwirkung sowie aktive Teilnahme verschiedener Akteur*innen innerhalb ihres Landes bezeugen. Im besten Falle kann die Auszeichnung so eine Stadtentwicklung anstoßen, die über das Jahr hinauswirkt. Und neben einem anregenden Kulturprogramm auch demokratische Ideale fördern.

Doch was wünschen sich Stadtbewohner*innen und wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Mehr dazu lesen Sie hier.

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