23.10.2024

Aktuelles Gesellschaft

„Land lohnt sich“

Mit der Städtebauförderung werden – trotz der Benennung – auch Dörfer und Kleinstädte gefördert, erklärt Klara Geywitz im Interview. Die verschiedenen Förderprogramme zeigen, dass man sowohl Städte als auch ländliche Regionen im Blick habe, so die Bundesministerin. Credit: BMWSB / Henning Schacht

Es ziehen wieder mehr Menschen aufs Land – diesen Trend beobachtet Bundesministerin Klara Geywitz. Und ihrer Meinung nach, selbst vom Dorf kommend, lohnt sich das. Die Wohnungsnot in den Großstädten solle damit aber nicht gelöst werden. Was stattdessen notwendig ist, welche Herausforderungen auf dem Land bereits angegangen werden und warum Landleben nicht nur Bullerbü ist, erklärt Klara Geywitz im Interview.


Politische Präsenz des ländlichen Raums

Es brauche mehr Krach aus dem ländlichen Raum – das sagten Sie beim Kommunaldialog im Berliner Tagungswerk Mitte Januar. Aufmerksamkeit sei ein wichtiger Faktor im Streit um Ressourcen. Sie haben den direkten Einblick: Wie präsent sind die Interessen des ländlichen Raums und seiner Bevölkerung im politischen Berlin?

Die sind wirklich immer präsent. In jedem Ministerium finden Sie Themen, Strukturen und Initiativen, die sich allein auf den ländlichen Raum fokussieren. Das haben Sie auch auf dem Kommunaldialog gesehen – den haben wir ganz bewusst gemeinsam mit den Bundesministerien für Landwirtschaft, für Inneres und Heimat sowie für Verkehr und Digitalisierung organisiert. Bei uns denken wir wirklich jedes Thema mit der Stadt-Land-Brille mit. Ich weiß, wenn Menschen auf dem Dorf oder in der Kleinstadt von Nachverdichtung und Dachausbau auf dem Mehrfamilienhaus hören, dann ist das erst mal weit weg. Dort stellt sich eher die Frage, kann ich auf meinem ausreichend vorhandenen Grundstück meine Kinder und Enkelkinder bauen lassen. Das werden wir mit der Hinterlandbebauung jetzt zum Beispiel ermöglichen. Oder Stichwort Klima und Extremwetterereignisse: Unser Programm „Anpassung urbaner und ländlicher Räume an den Klimawandel“ fördert nicht nur den Stadtpark, sondern ganz gezielt Umbaumaßnahmen in den Gemeinden. Wir haben bei diesem Programm den ländlichen Raum bewusst neu mit rein­ genommen. In der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra, die im Regenschatten des Harzes liegt und schon heute mit Trockenheit zu kämpfen hat, geht es zum Beispiel um die Revitalisierung von Biotopen oder auch ganz einfach nur um die Verschattung von Wegen und siedlungsnahen Flächen. Und zu guter Letzt, es schadet glaube ich auch nicht, dass gleich mehrere Minister, so wie ich, vom Dorf kommen und das im Herzen tragen.


Lebensqualität auf dem Land

Insbesondere Familien mit Kindern böte der ländliche Raum eine hohe Lebensqualität, sagten Sie im März 2023 derFunke-Mediengruppe. Können Sie dieseAussage konkretisieren? Von welcher Lebensqualität sprechen Sie? Wie stellt sich diese für Sie – selbst „Dorfkind“ – dar?

Wo fange ich an? Die Luft ist besser. Man kennt sich. Die Kinder gehen einmal um die Ecke und können da gut und sicher spielen. Der Zusammenhalt ist ein ganz anderer, und auf dem Land wächst man mit so viel lebenspraktischem Wissen auf, das einen durchs ganze Leben trägt. Landleben ist eine Menge Arbeit und hat wenig mit Bullerbü zu tun, aber es wird einem vielfach zurückgegeben, was man an Schweiß reinsteckt. Im vergangenen Jahr haben wir übrigens die Kleinstadtakademie in Wittenberge gegründet. Sie wird den Austausch zwischen den kleinen Städten in Deutschland befördern und ihnen eine Stimme in Politik und Gesellschaft geben. Neben den Kleinstädten selbst wird dabei sicherlich auch der ländliche Raum eine Rolle spielen, der eng mit diesen Ankerorten verbunden ist.


Umzug aufs Land – Was hält Familien ab?

Und: Was hält Ihrer Meinung nach Familien derzeit ab umzuziehen? Was sind die Hauptgründe?

Sie meinen, wieder aufs Land zu ziehen? Die Zahlen geben seit Beginn der Corona-Pandemie ja eigentlich einen anderen Trend vor. Viele sind in der Zeit rausgezogen. Nicht alle sind geblieben, aber viele, und es ziehen weiter mehr Menschen weg. Das übrigens nicht nur in die berühmten Vororte der Großstädte bei uns, sondern auch in Kleinstädte. Homeoffice macht es möglich. Ich bin Volker Wissing sehr dankbar dafür, dass er wie lange schon kein Verkehrsminister mehr davor, die Verkehrswege inklusive der Schiene so in den Blick nimmt. Infrastruktur zu verbessern und zu erneuern, ist tatsächlich noch langwieriger und schwieriger als Wohnungsbau.


Stärkung des ländlichen Raumes als Lösung für urbane Herausforderungen

Sie sind der Überzeugung, die Stärkung des ländlichen Raumes könnte die Herausforderungen der Städte – insbesondere die urbane Wohnungsnot – lindern. Nehmen wir an, der Großteil der Großstadtfamilien folgt Ihrer Idee und zieht nach und nach aufs Land – ist es nicht gefährlich im Sinne einer bunten Stadtbevölkerung, wenn künftig hauptsächlich „nur“ noch junge, gutverdienende Singles in den Städten leben?

Also ich würde immer ein Fragezeichen an gutverdienend machen, denn gerade, wenn die Leute jung sind, sind sie in Ausbildung, studieren oder starten gerade ins Berufsleben. Aber ich weiß, was Sie meinen. Wichtig ist mir, noch mal deutlich zu sagen: Damit soll nicht die Wohnungsnot in der Großstadt gelöst werden. Ich beschreibe einen faktisch vorhandenen Trend und kann nur jedem sagen: Land lohnt sich. Aber die Wohnungsnot in Ballungsgebieten müssen wir schon bitte mit neuen Wohnungen lösen. Nach mehr Wohnungen, die die Not lösen, kommt ja der Markt, der ein breiteres Angebot für viele hat, damit wir von der Not in eine entspannte und damit vorteilhafte Angebotssituation für Wohnungssuchende kommen. Zugegeben, das wird nicht sehr schnell passieren, aber wir sind wirklich mit viel Förderung und weniger Belastungen für die Wirtschaft jeden Tag dran. Mit anderen Bundesressorts arbeiten wir derzeit an einer Handlungsstrategie Leerstandsaktivierung, um strukturschwache Regionen auf dem Land als Wohnstandorte attraktiver zu machen und dort Leerständen entgegenzuwirken.


Maßnahmen zur Förderung des Landlebens

Sie haben sich auf die Fahnen geschrieben, das Leben auf dem Land einfach zu machen. Welche Möglichkeiten haben Sie hier als Bundesbauministerin, dies zu fördern?

Da verweise ich auf meine Antwort zuvor.Leben wird nicht einfach, weil man morgens in den Garten tritt und nur Grün sieht. Schöner für die meisten vielleicht, aber der Alltag ist überall für viele herausfordernd. Ich könnte Ihnen jetzt viele Maßnahmen und Programme aufzählen, angefangen von der Wohneigentumsförderung für Familien, die bestimmt auch im ländlichen Raum auf Interesse stößt, über die Städtebauförderung, die bereits seit 50 Jahren so heißt, aber genauso viele Dörfer und Kleinstädte miteinschließt. 47 Prozent der Mittel der Städtebauförderung gehen allein in die ländlichen Räume. Als Beispiel sei hier die Stadt Pößneck in Thüringen genannt, die für die Sicherung und Sanierung städtebaulich markanter Gebäude Mittel aus dem Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ erhält. Wir haben eine Reihe weiterer Förderprogramme aufgesetzt, die ich hier nicht alle aufzählen kann, die aber verdeutlichen, dass wir die Städte genauso im Blick haben wie die ländlichen Regionen. Abschließend sei der Hinweis vom Anfang noch mal hervorgeholt: In Deutschland hat das Dorf in jedem Ministerium seinen Platz.

 

Mehr über das Thema Dorfleben, lesen Sie in unserer Juli Ausgabe. 

 

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