11.04.2025

Gesellschaft

Landkrank – Buchrezension

Buchrezensionen
In „Landkrank“ setzt sich Soziologe Nikolaj Schultz mit der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt auseinander. Cover: Suhrkamp Verlag
In „Landkrank“ setzt sich Soziologe Nikolaj Schultz mit der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt auseinander. Cover: Suhrkamp Verlag

Dem Gefühl, gegenüber den Folgen des Klimawandels machtlos zu sein, gibt Soziologe Nikolaj Schultz einen Namen: „Landkrankheit“. Er setzt sich in seinem Buch mit der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt auseinander. Was er beobachtet, welche Schlüsse er zieht und welchen Mehrwert Planer*innen aus dem Buch ziehen können, schreibt Jingyi Li in einer Rezension.


Was „Landkrankheit“ mit Klimawandel zu tun hat

Bringen Sie frühmorgens eine Tasse Kaffee mit Wasserknappheit in Verbindung? Dann leiden sie an Landkrankheit. Nikolaj Schultz, Soziologe an der Universität Kopenhagen, erklärt anhand eines Urlaubsberichts gesellschaftliche Konflikte und die Interaktion zwischen Menschen und Natur.

Auf 122 Seiten und in 13 Kapiteln schreibt Schultz eine Geschichte von Begegnungen, Beobachtungen, Emotionen und Gedanken. Diese spielen sich auf der französischen Mittelmeerinsel Porquerolles ab. In „Landkrank“ vermittelt er den Leser*innen, was er aus den Erlebnissen über die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt lernt. Schultz verknüpft das Gesehene und Gehörte mit einer soziologischen Sichtweise und schafft dadurch neue Perspektiven. Das Buch beginnt mit einer Beschreibung der anhaltenden Hitze in Paris, die ihn zum Nachdenken über die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt anregt. Auf der Suche nach Erleichterung beschließt er, der Metropole zu entfliehen, und begibt sich auf eine Reise zur französischen Insel Porquerolles. Durch Gespräche mit den Bewohner*innen und Ereignisse, die sich dort zutragen, wird ihm klar, dass er an der „Landkrankheit“ leidet. Diese tritt dann auf, wenn man sich immer mehr des Klimawandels bewusst wird, aber nicht in der Lage ist, sich an die rasanten sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen der Welt anzupassen.


Kritische Fragestellungen, die das Buch lesenswert machen

Der Buchtitel „Landkrank“ macht neugierig. Die erste Hälfte des Buches ist deprimierend und vermittelt das Gefühl, dass die Menschen gegen den Klimawandel machtlos sind. In der zweiten Hälfte des Buches baut der Autor dann die Hoffnung wieder auf, indem er das allmähliche Erwachen des Bewusstseins der Bewohner*innen für das Land, den Umweltschutz und neue Planungsmethoden beschreibt. Alle Kapitel sind nach den Themen Natur, Philosophie und Soziologie gegliedert. Da es zwischen diesen Themenbereichen keine direkte Verbindung gibt, kann man sowohl ein Kapitel als auch die Reflexion des Autors in kurzer Zeit lesen. Der Essay erfordert dennoch ein Grundwissen in Soziologie und Umweltstudien. Schultz nutzt viele anthropologische, soziologische und geologische Begriffe, die sich in einem Register leicht finden lassen. Das bietet die Möglichkeit, das eigene Wissen zu erweitern. An einer Schlüsselstelle bittet eine Porquerollaise den Autor, den Strand zu verlassen, da der Strand von zahlreichen Tourist*innen besucht wird und sie keinen Platz mehr für sich selbst finden kann. Daraus entstehen bei den Leser*innen Zweifel, ob diese Dialoge vom Autor absichtlich so verfasst werden, um bei den Leser*innen eine Zustimmung zu den nachfolgenden Aussagen zu erzeugen. Wird die Stimme der Minderheit oder der Mehrheit der Inselbewohner*innen repräsentiert? Diese kritischen Fragestellungen machen das Buch besonders lesenswert.


Plädoyer für gegenseitige Anerkennung

Als ein „ethnographischer“ Essay ist diese Textsammlung ein Plädoyer für die gegenseitige Anerkennung zwischen verschiedenen Disziplinen und spricht damit alle Planer*innen an. Das Buch kann als anregender Wegweiser dienen, um Planer*innen neue Perspektiven für soziale und ethische Analysen in der Landschaftsarchitektur zu liefern.

„Landkrank“ von Nikolaj Schultz, übersetzt aus dem Englischen von Michael Bischoff, erschien 2024 bei edition suhrkamp.

Der Text entstand in der „wissenschaftlichen Schreibwerkstatt Landschaftsarchitektur“ am TUM-Lehrstuhl Landschaftsarchitektur und Transformation bei Prof. Udo Weilacher. Im Rahmen des Seminars wählen Student*innen Fachliteratur aus und erarbeiten gemeinsam individuelle Buchrezensionen.

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