Ein geplantes Hochhausprojekt führt in München zu Konflikten: Eine Initiative um CSU-Politiker Robert Brannekämper sammelt schon seit zwei Jahren Unterschriften, um einen Bürgerentscheid gegen zwei 155 Meter hohe Türme an der Paketposthalle zu erwirken. Doch bisher ist noch kein Durchbruch gelungen.
Der Investor Ralf Büschl hat vor, an der Münchener Paketposthalle zwei jeweils 155 Meter hohe Türme zu bauen. Die Pläne von Herzog de Meuron zeigen neue Hochhäuser für München, die ein neues Stadtviertel rund um das derzeitige Industriegebiet der Paketposthalle entstehen lassen sollen.
Aber die Initiative „Hochhaus Stop: München den Menschen, Hochhäuser begrenzen“ setzt sich vehement gegen dieses Bauvorhaben ein. Er sorgt sich um die Sichtlinien in der Stadt sowie um die sozialen Auswirkungen einer investorgeführten Entwicklung.
Kultur- und Unterhaltungszentrum sowie 1.100 Wohnungen
Die Münchner Paketposthalle, erbaut 1965 bis 1969 von der Deutschen Post, ist eine frühere Gleishalle des Paketpostamtes. Sie besteht aus flachen Kreissegment-Bögen, die eine freitragende Betonfertigteilhalle entstehen lassen. Mit einer Spannweite von fast 147 Metern und einer Höhe von 27 Metern war die Paketposthalle früher die größte ihrer Art. Seit 1996 ist sie denkmalgeschützt. Im Jahr 2018 verkaufte die Deutsche Post das Gebäude mitsamt dem etwa 100.000 Quadratmeter großen Grundstück an die Büschl Unternehmensgruppe.
Rund um die Paketposthalle in München-Neuhausen befindet sich derzeit ein Industrie- und Gewerbegebiet. Laut den Plänen des Investors Ralf Büschl soll sich das ändern: Er hat den Plan, die Halle zu sanieren und nebenan zwei große, jeweils 155 Meter hohe Hochhäuser zu errichten. Den dazugehörigen Wettbewerb hat die in der Schweiz basierte Architekturgruppe Herzog & de Meuron gewonnen.
Das frühere Paketverarbeitungszentrum soll zu einem Kultur- und Unterhaltungszentrum im Privatbesitz werden. In den zwei Hochhäusern sind insgesamt 1.100 Wohnungen geplant, wovon die Hälfte laut Bauunternehmer unter dem Marktpreis verkauft oder vermietet wird. Auch Büros, Einzelhandelsgeschäfte, medizinische und Kinderbetreuungseinrichtungen sowie ein Panoramabiergarten sind geplant.
Genehmigung könnte einen Präzedenzfall darstellen
Angesichts der Wohnungsknappheit hat die Stadt München das seit 2004 geltende Moratorium für Bauwerke, die höher als 2004 sind, in manchen Gebieten gelockert. Die Hochhausstudie 2023 erklärte, dass höhere Gebäude unter strengen Auflagen möglich sein könnten. Dabei ist es nach wie vor schwierig, Hochhäuser mit über 80 Metern Höhe zu bauen. Denn die beiden 99 Meter hohen Türme der Frauenkirche sollen nach Möglichkeit nicht überragt werden, obwohl einige Gebäude dies bereits tun.
Mehr über die Hochhausstudie 2023
Das Projekt an der Paketposthalle befindet sich nicht im Stadtzentrum und würde die Sicht auf die Frauenkirche kaum beeinträchtigen. Dennoch haben sich Konflikte in der Stadt ergeben. Zum einen geht es um die Sanierung der Halle, für die noch Finanzen fehlen. Der Investor ist auf der Suche nach Lösungen, etwa die Nutzung der Paketposthalle als Interimsspielstätte der Bayerischen Staatsoper. Derzeit gestaltet sich dies jedoch noch schwierig.
Proteste aus der Bevölkerung richten sich gegen die private Sanierung eines ganzen Areals sowie gegen weitere Hochhäuser in München. Die Initiative Hochhaus Stop, angeleitet von CSU-Politiker Robert Brannekämper, verlangt ein Bürgerbegehren gegen weitere Hochhäuser in der Stadt. Sie nennen vor allem ästhetische Argumente zur „Münchner“ Linie, dem Stadtbild mit Sichtachsen. Die geplanten Türme würden die Sicht vom barocken Schloss Nymphenburg auf die Innenstadt stören. Die Initiative sorgt sich darum, dass die Genehmigung der 155 Meter hohen Türme einen Präzedenzfall darstellen könnten, der den Weg für weitere hohe Gebäude in München ebnet. Unter dem Motto „Wehret den Anfängen“ zeigt sie mit Bezug auf die Hochhausstudie, wie die Stadt aussehen würde, wenn alle möglichen Hochhäuser gebaut würden.
Wie wichtig sind hohe Türme für eine moderne Stadt?
Nachdem es bisher nicht genug Unterschriften für das Bürgerbegehren gibt, weitet die Initiative ihre Argumente aus. Sie erinnert an den hohen Energie- und Flächenverbrauch von Hochhäusern sowie an die Priorität des bezahlbaren Wohnraums mit ausreichend Infrastruktur.
Die Debatte in München geht also tiefer als das Bauprojekt von Herzog & de Meuron: Kritiker*innen fragen, ob private Investoren ganze Stadtteile sanieren können, ohne dabei den Richtlinien der Stadtentwicklung zu folgen. Und zugleich fragt Hochhaus Stop, ob höhere Wohnhäuser dabei helfen, den Wohnungsmangel zu bekämpfen – oder ob sie vielmehr das Wesen der Stadt bedrohen und etwa ein Finanz- und Businesszentrum wie in Frankfurt am Main entstehen lassen.
Auch in anderen Großstädten gibt es Aufregung über Hochhäuser. In Paris war ein regelrechter Aufschrei zu hören, als im Jahr 1973 der 210 Meter hohe Tour Montparnasse eröffnete. Seitdem gilt ein Verbot für alle Hochhäuser innerhalb der historischen Stadtgrenzen. Und in London dominieren einige Gebäude die Skyline, die weithin unbeliebt sind, während andere Gebäude aufgrund festgelegter Sichtlinien gestoppt werden. In New York City verdecken neue „Supertalls“ den Blick auf bekannte Wahrzeichen wie das Empire State Building.
München spricht sich schon lange gegen Hochhäuser aus, weshalb das Projekt von Herzog & de Meuron aktuell schweres Spiel hat. Obwohl die Türme nicht übermäßig hoch sind, kommen sie in der niedrig bebauten Stadt nicht gut an. Ihr Schicksal ist in der Schwebe, während München diskutiert, wie viel Spielraum es gibt – und wie wichtig hohe Türme für eine moderne Großstadt sind.