09.07.2025

Projekt

Museumsgarten München – Landschaftsarchitektur zwischen Bildung, Natur und Kultur

Der Museumsgarten München auf der Praterinsel verbindet naturnahe Landschaftsarchitektur mit musealem Erlebnisraum – ein Ort der Begegnung zwischen Stadt, Fluss und alpiner Kultur. Foto: DAV / Markus Lanz
Der Museumsgarten München auf der Praterinsel verbindet naturnahe Landschaftsarchitektur mit musealem Erlebnisraum – ein Ort der Begegnung zwischen Stadt, Fluss und alpiner Kultur. Foto: DAV / Markus Lanz

Mit der Wiedereröffnung des Alpinen Museums auf der Münchner Praterinsel wurde nicht nur ein architektonisches Kleinod neu interpretiert, sondern auch ein Garten realisiert, der als beispielhafte Synthese von Landschaftsarchitektur, Kulturauftrag und ökologischer Verantwortung gilt. Der Museumsgarten München ist weit mehr als bloße Museumsfreifläche – er ist eine Bühne für gesellschaftliche Teilhabe, ein Ort alpiner Erinnerung und ein Lehrstück über die Zukunft urbaner Außenräume.


Garten zwischen Stadt und Natur – ein Ort im Dialog

Der Standort auf der Praterinsel ist ein landschaftsarchitektonisches Geschenk: Umgeben von Isar und Stadtkern, historisch gewachsen und atmosphärisch aufgeladen. In dieser Lage ist ein Garten entstanden, der sich bewusst zwischen den Polen bewegt: zwischen gebauter Geschichte und lebendiger Gegenwart, zwischen musealem Konzept und öffentlicher Nutzung. Der Entwurf von Landschaftsarchitekt Stefan J. Hierl schließt dabei nicht einfach an das bestehende Haus an – er erweitert, kommentiert und übersetzt es in den Freiraum.

Die zentrale Leitidee: Verbindung statt Abgrenzung. Der Garten öffnet sich zur Stadt, lädt zur Aneignung ein – ohne Schwellen, ohne Eintritt, ohne Verpflichtung.

Die historische Höllentalangerhütte im Garten. Foto: DAV / Markus Lanz
Die historische Höllentalangerhütte im Garten. Foto: DAV / Markus Lanz
Die Gesteinssammlung. Foto: DAV / Markus Lanz
Die Gesteinssammlung. Foto: DAV / Markus Lanz
Das Alpine Museum. Foto
Das Alpine Museum. Foto: DAV / Markus Lanz
Bouldersteine im Garten. Foto: DAV / Markus Lanz
Bouldersteine im Garten. Foto: DAV / Markus Lanz
Foto: DAV/ Julian Rohn
Foto: DAV/ Julian Rohn
Gesteinspfad. Foto: DAV/ Julian Rohn
Gesteinspfad. Foto: DAV/ Julian Rohn

Rückkehr zur Topografie – Terrassierung als Geste

Herzstück der Gestaltung ist eine neue Terrassenebene, die die historische Geländemodellierung des 19. Jahrhunderts zitiert. Sie ist mehr als ein gestalterischer Rückgriff – sie ist ein bewusster Topografie-Eingriff mit Raumwirkung. Über eine breite, aus Nagelfluh gefertigte Freitreppe wird die neue Mittelachse des Museums hinaus in den Garten verlängert. Architektur und Landschaft kommunizieren über Linienführung, Materialität und Proportion – ein Dialog, der sowohl formale Strenge als auch atmosphärische Offenheit erzeugt.

Die Gartenstruktur folgt dieser Logik: klare Linien, topografisch gestaffelt, mit gezielt gesetzten Blickachsen. Es entsteht eine räumliche Dramaturgie, die den Garten als Erlebnisraum inszeniert – aber niemals überinszeniert.

Garten. Foto: DAV/ Julian Rohn
Garten. Foto: DAV/ Julian Rohn
Schild Jubiläumsgrat. Foto: DAV/ Julian Rohn
Schild Jubiläumsgrat. Foto: DAV/ Julian Rohn
Alte Höllentalangerhütte. Foto: DAV/ Julian Rohn
Alte Höllentalangerhütte. Foto: DAV/ Julian Rohn
Foto: DAV/ Julian Rohn
Foto: DAV/ Julian Rohn
Alte Biwakschachtel vom Jubiläumsgrat. Foto: DAV/ Julian Rohn
Alte Biwakschachtel vom Jubiläumsgrat. Foto: DAV/ Julian Rohn

Ein naturnaher Bildungsraum

Der Garten des Alpinen Museums ist kein botanischer Schaugarten und keine klassische Parkanlage – er ist ein musealer Außenraum, der sich naturnah präsentiert, aber kuratiert ist. Ein neu angelegter Rundweg führt zu einzelnen Exponaten, die im Freien positioniert wurden. Damit wird der Garten zur Erweiterung der Ausstellung, zum Lernort unter freiem Himmel. Das Konzept ist programmatisch und zugleich pädagogisch: Natur und Kultur werden hier nicht getrennt betrachtet, sondern als zusammenhängender Erfahrungsraum inszeniert.

Die Pflanzungen orientieren sich an autochthonen Arten der bayerischen Voralpen – standortgerecht, biodiversitätsfördernd, zukunftsfähig. Damit steht der Garten exemplarisch für eine ökologische Haltung, die gestalterischen Anspruch mit naturfachlicher Kompetenz verbindet.

Alpenrelief. Foto: DAV/ Julian Rohn
Alpenrelief. Foto: DAV/ Julian Rohn
Garten und Terrasse. Foto: DAV/ Julian Rohn
Garten und Terrasse. Foto: DAV/ Julian Rohn
Alpenrelief- Zugspitze. Foto: DAV/Julian Rohn
Alpenrelief- Zugspitze. Foto: DAV/Julian Rohn

Materialien mit Bedeutung

Die Auswahl der Baumaterialien folgt einem klaren erzählerischen Konzept: Der Nagelfluh, ein typisches Konglomeratgestein der Alpen, dominiert sowohl die Terrassierung als auch die Mauern und Stufen. Die Anmutung erinnert an alpine Geröllflanken, an Hangwege und Bergpfade – subtil, aber präsent. Ergänzt wird die Materialität durch Naturstein und alpine Hölzer, die auch im Gebäudeinneren verwendet wurden. Die Verbindung von Innen und Außen ist hier nicht bloß funktional, sondern auch atmosphärisch.


Barrierefreiheit als Haltung

Besonders bemerkenswert ist die Haltung, mit der Barrierefreiheit umgesetzt wurde. Der Garten wurde bewusst nicht über die historische Gartentreppe erschlossen, sondern neu gedacht – mit Wegen und Ebenen, die rollstuhlgerecht und barrierefrei konzipiert sind. Auch eine Hörführung für Blinde und Sehbehinderte ist Teil des inklusiven Konzepts.

Diese Entscheidung geht über funktionale Anforderungen hinaus – sie ist ein Ausdruck kultureller Offenheit: Ein Garten, der keine Schwellen kennt, der allen gehört.


Öffentlicher Raum mit musealer Identität

Der Museumsgarten München ist während der Öffnungszeiten für alle frei zugänglich. Damit wird er zu einem Ort der niedrigschwelligen Begegnung: für Spaziergänger:innen, Schulklassen, Tourist:innen, Museumsbesucher:innen – oder für Menschen, die einfach nur unter Bäumen sitzen möchten. Die Gleichzeitigkeit von Kontemplation und Kommunikation, von Ausstellung und Alltag macht diesen Garten so besonders.

Er ist ein öffentlicher Raum, aber kein anonymer. Er trägt die Handschrift einer Institution, die Verantwortung übernimmt – für Erinnerung, für Bildung, für Umwelt.


Mehr als Gestaltung – eine kulturelle Aussage

Der neue Museumsgarten München steht exemplarisch für eine Landschaftsarchitektur, die Haltung zeigt. Hier wird nicht einfach „gestaltet“, sondern Position bezogen – zur Geschichte des Ortes, zur gesellschaftlichen Verantwortung eines Museums, zur Rolle von Gärten in einer zunehmend verdichteten Stadt.

Es ist ein Garten, der erzählt – von der alpinen Welt, von der Transformation eines Hauses, von der Zukunft urbaner Freiräume.

Lesen Sie hier mehr zum Freilichtmuseum Ballenberg

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