17.10.2024

Gesellschaft

Keine Einstimmigkeit für das Nature Restoration Law

80 Prozent der natürlichen Habitate in Europa sind geschädigt oder zerstört, weshalb dringend Abhilfe nötig ist. Credit: unsplash

Die bisherigen Anstrengungen sind nicht ausreichend, um natürliche Lebensräume in Europa zu schützen. Die lang erwartete Abstimmung des Europäischen Parlaments über das Gesetz lief nicht glatt: Ungarn stellte sich gegen das Nature Restoration Law, womit die Vorgaben zur Wiederherstellung der Natur noch nicht rechtsverbindlich sind.

Etwa 80 Prozent der geschützten natürlichen Lebensräume in Europa sind geschädigt und in weiterer Gefahr. Um diese Naturkrise zu stoppen, hat das Europäische Parlament das Nature Restoration Law vorgelegt, jedoch noch nicht verabschiedet. Das vorgeschlagene Gesetz verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, zerstörte Naturräume wiederherzustellen. Auf diese Weise sollen zum Beispiel degradierte Moore wieder ihrer Funktion als Kohlenstoffspeicher sowie als Lebensraum für seltene Arten gerecht werden.

Intakte Ökosysteme unterstützen nicht nur die Biodiversität, sondern sind auch zur Bekämpfung der Klimakrise wichtig. Ob Hochwasserschutz, Ernährungssicherheit oder das Wirtschaften mit natürlichen Ressourcen, Ökosysteme spielen eine zentrale Rolle. Jedoch sind in Europa die wenigsten Ökosysteme in einem guten oder auch nur akzeptablen Zustand. Das Nature Restoration Law soll dabei helfen, die Natur langfristig zu erhalten, schädliche Einflüsse zu reduzieren und die Nutzung natürlicher Ressourcen nachhaltiger zu gestalten.


Kurzfristige Blockade durch Ungarn

Der Klimawandel ist in aller Munde. Neben Maßnahmen zur CO2-Reduktion in Städten und in der Industrie geht es dabei auch darum, die Natur zu schützen und Ökosysteme zu reparieren oder sogar neu zu schaffen. Mit dem EU Nature Restoration Law versucht die Europäische Union, klare Ziele für ein verbindliches Konzept in Europa zu schaffen, das die Renaturierung von Ökosystemen erreicht.

Das Gesetz hat die folgenden drei Kernelemente:

  • Konkrete und zeitgebundene sowie flächenspezifische Ziele für die Verbesserung und Neuschaffung der seltensten und besondersten Lebensräume an Land und im Meer
  • Indikatorbasierte Ziele für eine nachhaltigere Land- und Waldwirtschaft sowie für grünere Städte, freifließende Flüsse und die Wiederherstellung von Bestäuberpopulationen
  • Erstellung von wissenschaftsbasierten Wiederherstellungsplänen als zentrales Werkzeug zur Festlegung und Überprüfung der notwendigen Maßnahmen

Schon im Februar 2024 hatte das Europäische Parlament mehrheitlich für den letztes Jahr erreichten Kompromiss zum Nature Restoration Law gestimmt. Am 22. März 2024 sollte der Europäische Rat das Gesetz durchsetzen. Eine kurzfristige Blockade Ungarns verzögerte dies jedoch, weshalb das Gesetz noch nicht wirksam ist.

Das Nature Restoration Law der EU sollte im März 2024 zum Gesetz werden, aber Ungarn blockierte es im EU-Rat. Credit: unsplash

Ökosysteme können die lokale Wirtschaft ankurbeln

Umweltschutzverbände sind erzürnt darüber, dass das lang erwartete EU-Renaturierungsgesetz es nicht durch den EU-Rat geschafft hat. Sie haben sich schon lange dafür eingesetzt, die biologische Vielfalt und die Ökosysteme in Europa und weltweit zu schützen und zu erhalten. Das neue Gesetz soll dies rechtlich vorschreiben, etwa durch messbare Ziele zur Unterstützung der biologischen Vielfalt. Lokale Flora und Fauna erhalten im EU Nature Restoration Law einen Platz in der Rechtsprechung und somit künftig hoffentlich mehr Schutz.

Auch angesichts der Klimakrise ist das Nature Restoration Law sehr wichtig. Denn Ökosysteme wie Moore, Wälder und Auen speichern Kohlenstoff und tragen wesentlich dazu bei, Menschen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Intakte Ökosysteme haben eine ausgleichende Wirkung auf das Mikroklima. Bei Hitzewellen, Dürren, Starkregen oder Überschwemmungen spielen sie eine wichtige Rolle. Darüber hinaus verbessern Ökosysteme die menschliche Gesundheit und unser Wohlbefinden. Und sie können die lokale Wirtschaft ankurbeln, indem sie etwa die Nahrungsmittelversorgung langfristig sichern und nachhaltige Praktiken stärken.

Mit dem Renaturierungsgesetz der EU sollen bis 2030 mindestens 20 Prozent der Natur auf dem Land und im Meer der EU wiederhergestellt werden. Credit: unsplash

Vögel als Indikatoren für biologische Vielfalt

Das Nature Restoration Law schreibt vor, dass EU-Mitgliedsstaaten bis 2030 mindestens 20% der Natur auf dem Land und im Meer wiederherstellen müssen. Zusätzlich sollen Mitgliedsstaaten bis 2030 mindestens 30% der leidenden Habitate restaurieren, 60% bis 2040 und 90% bis 2050. Die EU sieht dies als einen wichtigen Beitrag aller Mitgliedsstaaten, um die EU-Ziele zu Klima und Biodiversität sowie zur Lebensmittelsicherheit zu erreichen.

Alle Habitate, die derzeit eine schlechte Qualität haben, sollen bis zum Jahr 2050 wiederhergestellt werden. In den nächsten sechs Jahren sollen Mitgliedsstaaten bereits etwa ein Drittel ihrer Habitate verbessern. Dazu gehören zum Beispiel Wälder, Grasgebiete, Feuchtgebiete, Flüsse, Seen und Korallenriffe. Das Europäische Parlament empfiehlt, den Fokus zunächst auf die Natura 2000 Gebiete zu legen. Und sobald ein Habitat wiederhergestellt ist, gilt es, dieses auch in einem guten Zustand zu erhalten.

Für landwirtschaftliche Flächen nutzt die EU drei Indikatoren, von denen zwei erfüllt sein müssen, damit ein Habitat als wiederhergestellt wird: Der Index der Schmetterlinge im Grünland, der Anteil der landwirtschaftlichen Flächen mit vielseitigen Landschaften, und der Bestand an organischem Kohlenstoff in den Mineralböden der Ackerflächen. Außerdem müssen auch Maßnahmen für einen erhöhten Index der Feldvögel getroffen werden. Denn Vögel sind gute Indikatoren für den Zustand der biologischen Vielfalt in einem Habitat.


Beschleunigungsoffensive für die Wiederherstellung von Natur

Auch angesichts der im Sommer 2024 geplanten EU-Wahlen ist die Blockade des Nature Restoration Law sehr schade, denn nun ist unklar, ob und wann es für das Gesetz weitergeht. Vermutlich wird es nach den Wahlen im Juni wieder auf den Tisch kommen. Sobald es vom Rat mit einer Mehrheit genehmigt wird, sind die Mitgliedsstaaten am Zug: Sie müssen nationale Renaturierungsgesetze erlassen und genau darlegen, wie sie die EU-Ziele umsetzen werden.

Entsprechend wird dann auch in Deutschland eine Umsetzung des Nature Restoration Law diskutiert werden. Vermutlich werden die Bundesländer einen Großteil der Maßnahmen realisieren, wofür es ein nationales Renaturierungsgesetz mit klaren Vorgaben geben wird. Das deutsche Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz sieht bereits ähnliche Maßnahmen sowie eine Beschleunigungsoffensive vor.

Weiterlesen: Relevant für die Qualität von Habitaten und für die Biodiversität ist auch das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework der Vereinten Nationen.

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