09.05.2014

Projekt

Der Park als Reise

Hamburg, die Grand Dame der Gartenschau, hatte eine längere Pause eingelegt. Der beliebte City-Park Planten un Blomen war nach 1953 und 1963 zuletzt im Jahr 1973 Bühne für ein internationales Garten-Event. Ein neues Kongresszentrum und der Umzug des Botanischen Gartens nach Klein-Flottbek hatten damals eine dritte Umgestaltung und Erweiterung des Parks erfordert.

Das Gelände der igs 2013 in Hamburg
Das Gelände der igs 2013 in Hamburg
Das Gelände der igs 2013 in Hamburg
Das Gelände der igs 2013 in Hamburg
Das Gelände der igs 2013 in Hamburg
Das Gelände der igs 2013 in Hamburg
Das Gelände der igs 2013 in Hamburg
Das Gelände der igs 2013 in Hamburg

In den vergangenen Jahrzehnten hatte sich die stadtplanerische Aufmerksamkeit mit der HafenCity und der Entwicklungsstrategie „Sprung über die Elbe“ weiter nach Süden verschoben. Mit der Internationalen Gartenschau 2013 (igs) wurde auf der Elbinsel Wilhelmsburg nun ein neuer, etwa 100 Hektar großer Park eröffnet. Er soll als neue grüne Mitte zur Keimzelle einer nachhaltigen Stadtteilentwicklung werden. Mit igs und der parallel laufenden Internationalen Bauausstellung (IBA) wendet sich Hamburg einem Stadtgebiet zu, das spätestens seit der Flutkatastrophe von 1962 ein Hinterhof-Dasein fristete. Das Gespann igs und IBA war herausgefordert, Wilhelmsburg als Wohnort zu stärken und einen Umgang mit den zahlreichen stadträumlichen Barrieren – etwa der Wilhelmsburger Reichsstraße – sowie der unausgewogenen Sozialstruktur zu finden.
Den Rahmenplan zur Gartenschau sowie das Nachnutzungskonzept verfasste das Bonner Landschaftsarchitekturbüro RMP Stephan Lenzen. Es fand 2005 als Gewinner des freiraumplanerischen Wettbewerbs die heterogene Struktur vor, die stadträumlich die gesamte Elbinsel prägt. Sein Entwurf überzeugte die Jury, weil er gerade diese Eigenheit des Landschaftsraums aufnahm und ausformulierte. 
In das Patchwork aus Kleingärten, verwunschenen Wiesen und Wäldchen sowie Wettern und Bracks platziert das Bonner Büro die „Passagen“. Als Korridore entlang des Rundwegs sollen sie mit sparsamen Eingriffen in den Bestand die vorgefundenen Strukturen integrieren, sie miteinander verbinden, aber auch Raum für neue Parknutzungen schaffen.

Angelehnt an den Roman von Jules Verne folgt die Gartenschau dem Titel „In 80 Gärten um die Welt“. Dieses Motto spiegelt zum einen den räumlichen Entwurf wider, thematisiert aber auch die kulturelle Vielfalt Wilhelmsburgs sowie Hamburgs Identität als Hafenstadt – als Tor zur Welt. Die 80 Gärten verteilen sich auf die Parkpassagen, die sieben Welten, wie sie die igs-Macher nennen. Neben den einzelnen Gärten in der „Welt der Religionen“ oder den „Wasserwelten“ sorgt ein übergeordnetes Pflanzkonzept dafür, dass die Identität der verschiedenen Parkwelten auch über die Gartenschau hinaus wahrnehmbar bleibt. Zudem hatte die igs zwei Jahre vor der Gartenschaueröffnung damit angefangen, einen detaillierten Pflege- und Entwicklungsplan aufzustellen (siehe Garten + Landschaft 5/2012). Das „Blütenmeer“ in der „Welt der Kontinente“ etwa ist so bepflanzt, dass es sich auch nach dem Event kostengünstig pflegen lässt.

Der künftige Inselpark wird in seiner Atmosphäre und Nutzung die Reihe bestehender Hamburger Volksparks ergänzen. Er bietet viele neue Sportangebote, die es in dieser Konzentration und Vielfalt in der Hansestadt sonst nicht gibt. Die Gärten in der „Welt der Bewegung“ mitsamt der größten Skateanlage Norddeutschlands bleiben auch nach der Ausstellung bestehen, eine Kletterhalle sowie einen Hochseilgarten sind jetzt schon in Betrieb. Der Rundweg aus Asphalt ist als Jogging, Fahrrad- sowie Skaterstrecke geeignet und neue Kanäle schaffen mit den vorhandenen Wettern und Bracks eine drei Kilometer lange Kanustrecke – eine weitere Reisemöglichkeit durch den Park.

Im Vergleich zum Altonaer Volkspark und Winterhuder Stadtpark wird im Inselpark in Wilhelmsburg zudem ein ganz anderes Naturerlebnis möglich sein. Die vorgefundene Wildnis, die sich mit den Jahren in vielen Bereichen durch extensive Pflege entwickeln konnte, wurde dort parktauglich adaptiert. So pflanzte man an den Wettern genannten Kanälen Wildstauden, die, damit der Blick auf das Wasser frei bleibt, nicht zu hoch wachsen. Das ursprüngliche Wilde musste dort und anderenorts jedoch zunächst in seine Schranken gewiesen werden. Wegen 2.500 gefällter Bäume blieb der Unmut vieler Wilhelmsburger und von Naturschutzverbänden nicht aus.

Ein starkes Parkgerüst für die Zukunft

Es ist vorstellbar, dass die verschiedenen Teilbereiche des Parks auch ohne 80 Gärten und ihre Themenwelten ablesbar bleiben. In dieser Hinsicht ist der Balanceakt zwischen Bewahren, Aufwerten und Nutzbarmachen in der Rahmenplanung gelungen. Der Inselpark zeigt seine Stärke insbesondere in den Übergängen von einem Parkbereich zum anderen. Mit der Leitidee der Passagen entsteht ein Park, dessen Qualität sich den Besuchern daher am ehesten beim Durchwandern erschließt. Selbst die Überquerung der Bundesstraße 4/75 (Wilhelmsburger Reichsstraße), die wegen Verzögerungen im Genehmigungsverfahren erst nach der Gartenschau an die Bahntrasse verlegt werden kann, fügt sich als Etappe in die Reise durch die Parkwelten ein. Sie gehört eben auch (noch) zu Wilhelmsburg.

Projektdaten:
Internationale Gartenschau Hamburg 2013

Auftraggeber: Internationale Gartenschau Hamburg 2013 GmbH
Rahmenkonzept: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn/Hamburg
Projektleiter: Philip Haggeney
Pflanzplanung: Rahmenkonzept mit Biotopstauden und Wildstaudenaussaaten sowie Stauden 
und Wechselflor in den Wasserwelten und der Welt der Kontinente: RMP Stephan Lenzen 
Landschaftsarchitekten; Mark Krieger Pflanzungen, beide Hamburg
Stauden und Wechselflor in der Welt der Häfen: Hanne Roth, Ingolstadt
Rhododendren: Bruno Leipacher und -Mathias Kuklik, beide Wuppertal
Rosen: Christian Meyer, Berlin und Christiane Haberkorn, Lübeck
Wechselflor, Stauden Welt der Religionen und Wasserwerk: Petra Pelz, Biederitz
Wechselflor, Stauden Welt der Kulturen und Dahlien: Ingrid Gock, Lübeck
Wechselflor und Stauden Lüneburger Heide und Vier- und Marschlande: Anja Rehse, Hamburg
Fläche: 100 Hektar
Bauzeit: 2009 bis 2013
Kosten: 45 Millionen Euro

Fotos: Juliane Werner

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