23.05.2025

Gesellschaft

Passive Kühlung als Schlüsselstrategie

Beat the Heat
Gründächer, helle Fassaden und schattenspendende Elemente: Passive Kühlung senkt die Hitzebelastung in Städten nachhaltig und energieeffizient. Foto von abodi vesakaran via unsplash
Gründächer, helle Fassaden und schattenspendende Elemente: Passive Kühlung senkt die Hitzebelastung in Städten nachhaltig und energieeffizient. Foto von abodi vesakaran via unsplash

Die Sommer werden heißer, die Nächte wärmer, die Städte dichter – mit der fortschreitenden Klimaerwärmung stehen urbane Räume vor einer wachsenden Herausforderung: der städtischen Hitzebelastung. Während konventionelle Klimatisierung auf aktive Systeme wie Klimaanlagen setzt – oft teuer, energieintensiv und emissionsreich – rückt ein alternatives Konzept zunehmend in den Fokus von Architekt:innen, Stadtplaner:innen und Klimaforscher:innen: Passive Kühlung.


Was ist passive Kühlung?

Der Begriff „Passive Kühlung“ beschreibt Maßnahmen, die ohne aktive Energiezufuhr – also ohne elektrische Kühlgeräte – Räume, Gebäude oder sogar ganze Stadtquartiere abkühlen. Im Gegensatz zur aktiven Kühlung nutzt die passive Variante natürliche physikalische Prozesse wie Verdunstung, Wärmestrahlung oder Luftzirkulation.

Ziel ist es, Hitze aufzuhalten, bevor sie eindringt, beziehungsweise sie effizient abzuleiten. Dabei stehen drei Prinzipien im Mittelpunkt:

  • Sonnenschutz und Verschattung

  • Wärmedämmung und Reflexion

  • Verdunstungskühlung und Luftaustausch

Gerade in dicht bebauten Innenstädten, wo der sogenannte „Urban Heat Island“-Effekt auftritt – also eine deutlich höhere Temperatur im Vergleich zum Umland –, können diese Methoden den Unterschied zwischen einer unerträglichen und einer erträglichen Sommernacht ausmachen.


Methoden der passiven Kühlung

 Verschattung und Reduktion solarer Einstrahlung

Sonneneinstrahlung ist eine der Hauptquellen für die Erwärmung von Gebäuden und Asphaltflächen. Effektiver Sonnenschutz reduziert die aufgenommene Wärme erheblich.

  • Dach- und Fassadenbegrünung: Pflanzen absorbieren Sonnenlicht und kühlen durch Verdunstung. Eine extensive Begrünung senkt die Oberflächentemperatur eines Dachs um bis zu 40 °C.

  • Sonnenschutzlamellen und Vordächer: Architektonische Elemente wie Lamellen, Balkone oder auskragende Dachflächen spenden Schatten und reduzieren die direkte Einstrahlung.

  • Textile Verschattungen: Urbanes Mobiliar, Sonnensegel und textile Überdachungen über Straßen oder Plätzen können Mikroklimata gezielt beeinflussen.

Reflektierende Materialien und helle Oberflächen

Dunkle Oberflächen absorbieren bis zu 90 % der Sonnenstrahlung, helle hingegen reflektieren sie zu einem großen Teil. Der sogenannte „Albedo-Effekt“ spielt dabei eine zentrale Rolle.

  • Cool Roofs: Spezielle Dachbeschichtungen mit hoher Reflexionsfähigkeit (z. B. Titandioxid-basiert) reduzieren die Dachtemperatur und damit die Innenraumerwärmung.

  • Helle Straßenbeläge: Statt schwarzem Asphalt werden zunehmend helle oder sogar kühlende Pflasterungen eingesetzt, die das Stadtklima nachweislich entlasten.

 Verdunstung und Wasser als Kühlmedium

Wasserflächen und feucht gehaltene Oberflächen erzeugen durch Verdunstungskälte spürbare Abkühlung – ein Prinzip, das seit der Antike Anwendung findet.

  • Wasserinstallationen im öffentlichen Raum: Brunnen, Nebeldüsen und Wasserläufe erhöhen die Luftfeuchtigkeit lokal und senken die Umgebungstemperatur.

  • Permeable Böden: Materialien wie Rasengittersteine oder offenporige Pflaster lassen Wasser versickern und fördern die Bodenverdunstung.

  • Blau-grüne Infrastruktur: Die Kombination aus Begrünung und Wassermanagement – etwa über Retentionsdächer oder bepflanzte Versickerungsmulden – kühlt mehrfach: durch Verdunstung, Verschattung und Reduktion versiegelter Flächen.

 Natürliche Belüftung und thermische Trennung

Durchdachte Architektur kann natürliche Luftströmungen nutzen und Hitzestau vermeiden.

  • Kamineffekt und Querlüftung: In Gebäuden mit Öffnungen auf mehreren Seiten kann durch Druckunterschiede Luft zirkulieren. Der sogenannte „Stack-Effekt“ nutzt die Tatsache, dass warme Luft aufsteigt.

  • Innenhöfe und Lüftungsschächte: Historisch bewährte Bauformen wie Riads oder Atrien fördern die Luftzirkulation und schaffen schattige, kühle Zonen.

  • Thermische Zonierung: Durch gezielte Trennung wärmeexponierter Bereiche von kühlen Rückzugsorten kann das Innenraumklima optimiert werden.


Materialien für passive Kühlung

Nicht nur die Methode, auch die Materialwahl entscheidet über die Effektivität passiver Kühlung. Einige Schlüsselmaterialien:

  • Lehm und Ton: Sie speichern Feuchtigkeit und geben diese langsam wieder ab, ideal für Verdunstungskühlung.

  • Keramische Fassadenplatten: Sie reflektieren Sonnenstrahlung und halten thermische Belastungen stand.

  • Photokatalytische Oberflächen: Neue Entwicklungen setzen auf Materialien, die nicht nur kühlend wirken, sondern auch Luftschadstoffe abbauen (z. B. mit Titandioxid).

  • Phase-Change-Materials (PCM): Diese innovativen Werkstoffe speichern überschüssige Wärme und geben sie verzögert wieder ab – ideal für Tag-Nacht-Temperaturausgleich.


Praxisbeispiele weltweit

Barcelona: Superblocks und kühlende Infrastruktur

In Barcelonas „Superblocks“ wird der Autoverkehr massiv eingeschränkt, Asphalt durch helle Beläge ersetzt und der öffentliche Raum begrünt. Wassernebelanlagen an zentralen Plätzen tragen zur passiven Kühlung bei.

Singapur: Blau-grüne Vorzeigestadt

Singapur verbindet konsequent Stadtentwicklung mit Ökosystemen: Skygardens, bepflanzte Fassaden, künstliche Seen und smarte Wasserwiederverwendung sorgen für ein kühlendes Mikroklima – trotz tropischer Temperaturen.

Wien: „Cool Streets“ und mobile Verdunstungselemente

In der österreichischen Hauptstadt werden temporäre „Cool Streets“ eingerichtet: mit Sprühnebelanlagen, schattenspendenden Elementen und entsiegelten Flächen als Testlabore für dauerhafte Maßnahmen.


Herausforderungen und Potenziale

Trotz nachweisbarer Wirksamkeit wird die passive Kühlung in vielen Städten noch zu wenig genutzt. Gründe sind:

  • Investitionskosten und Förderlücken: Obwohl sich passive Maßnahmen langfristig rechnen, schrecken viele Akteur:innen vor den initialen Kosten zurück.

  • Mangelndes Bewusstsein: Oft fehlt das Wissen über einfache, effektive Maßnahmen, sowohl bei Bauherr:innen als auch in der Verwaltung.

  • Baurechtliche Hürden: In dichten Innenstädten sind Begrünungen oder Veränderungen der Dachlandschaft oft genehmigungspflichtig.

Gleichzeitig liegt in der passiven Kühlung enormes Potenzial – sowohl für den Klimaschutz als auch für die soziale Resilienz. Denn gerade vulnerable Gruppen leiden besonders unter der urbanen Hitze. Maßnahmen zur passiven Kühlung verbessern nicht nur das Stadtklima, sondern auch die Lebensqualität, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit.


Passive Kühlung als urbane Notwendigkeit

Passive Kühlung ist weit mehr als ein architektonischer Trend. Sie ist eine strategische Antwort auf die größte Herausforderung städtischer Räume im 21. Jahrhundert: die zunehmende Hitzebelastung. Städte, die heute in klimagerechte, passive Kühlstrategien investieren, sichern sich nicht nur einen Vorsprung in Sachen Nachhaltigkeit – sie sichern auch das Wohlbefinden ihrer Bürger:innen.

Ob durch begrünte Dächer, kühlende Wassernebel oder reflektierende Materialien – die Lösungen liegen längst bereit. Was fehlt, ist der konsequente politische Wille, diese auch flächendeckend umzusetzen.

Denn die Zukunft der Stadt ist nicht nur eine Frage des Wachstums. Sie ist eine Frage der Kühlung.

Mehr zu Beat the Heat erfahren Sie hier.

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