München hat viele schöne Orte. Doch die Bahnunterführung Orleansstraße/Friedenstraße am Ostbahnhof, welche Berg am Laim mit Haidhausen verbindet, gehörte bislang nicht dazu. Nun transformierte das Münchner Kollektiv „die Städtischen“ die Unterführung von tristen Grau in knalliges Pink. Mehr zur kreativen Umgestaltung der Münchner Unterführung und was es mit dem „Kunstkorridor“ auf sich hat, erfahren Sie hier.
Alles begann mit einer Spraydose
Francesco Sormani durchquerte schon oft besagte Münchner Unterführung. Und wie viele andere Tunnel war auch dieser ein klassischer Angstraum: dunkler Beton, flackernde Neonröhren und unangemessene Schmierereien. Also griff Sormani kurzerhand selbst zur Farbe und sprühte „We are all one“ und ein rotes Herz an die Wand. Doch sein Versuch, den Tunnel zu verschönern, endete in einer Geldstrafe von rund 1 000 Euro, als ihn ein Polizist auf frischer Tat erwischte. Daraufhin startete Sormani ein Crowdfunding, um die Kosten zu decken und versprach gleichermaßen, die Unterführung in München neu zu gestalten.
Ein Ort mit Potenzial
So wandte sich Sormani an das junge, interdisziplinäre Kollektiv aus München namens „die Städtischen“. Diese Gruppe von Kreativen aus verschiedenen Disziplinen setzt sich dafür ein, den öffentlichen Raum aufzuwerten und Menschen zusammenzubringen. Eines ihrer Projekte ist zum Beispiel die Kulturinsel vor dem Gasteig HP8.
Die Städtischen teilten seine Ansicht, dass die 160 Meter lange Münchner Unterführung Potenzial hat — sowohl für diejenigen, die sie durchqueren, als auch für die angrenzenden Viertel, die von einer besseren Willkommensgeste profitieren. Also präsentierten sie die Idee den örtlichen Bezirksausschüssen. Doch dort sah man zuerst keinen Änderungsbedarf. „Ihnen war nicht wirklich bewusst, dass dieser Ort ein Angstraum darstellt und wieviel Potenzial für kreative Prozesse diese Unterführung in sich trägt. Dies den Beteiligten klar zu machen, war unser erstes Ziel“, erzählt Sormani, der mittlerweile Projektleiter bei den Städtischen ist.
Von Schwäche zu Stärke
Die Münchner Unterführung ist Eigentum der Deutschen Bahn. Also musste von deren Seite erst eine Genehmigung zur kreativen Umgestaltung her. Dies war ein langwieriger Prozess von zwei Jahren. Im nächsten Schritt bemühten sich die Städtischen um finanzielle Unterstützung. Nach vielen Gesprächen und Überzeugungsarbeit gelang es dann, beide Viertel für die Idee zu gewinnen und vom Kulturreferat rund 30 000 Euro finanzielle Mittel zu bekommen. Doch die öffentlichen Gelder reichten nicht für eine Umsetzung aus. Letztendlich finanzierten anliegende Firmen, insbesondere aus dem Werksviertel, mit etwa 90 000 Euro zwei Drittel des Projekts. Auch die Umsetzung erfolgte partizipativ. Am Ende beteiligten sich etwa siebzig Personen an der Umgestaltung. So verwandelte sich innerhalb eines Monats die graue Münchner Unterführung in ein fröhliches Farbhighlight.
Zukunft pink
Der Tunnel wurde dabei baulich nicht verändert. Stattdessen arbeitete das Kollektiv ausschließlich gestalterisch. Das Ziel war es, dass die Unterführung für Passant*innen so angenehm wie möglich wird. So dient beispielsweise die Verwendung der amorphen Kreise dazu, den Tunnel optisch zu verkürzen. Dabei hielt man alles in Pink – Wände, Decke und Boden. Laut der beteiligten Architektin Hanna Fastrich gleicht Pink nämlich Aggression aus, wirkt beruhigend und macht optimistisch. Auch lässt die hellere Farbe den Tunnel nun breiter wirken. Und damit die Wirkung der Aktion möglichst lange anhält, kam ein Graffitischutz auf die Wände. Neben der farblichen Veränderungen arbeiteten die Städtischen außerdem mit städtebaulichen Maßnahmen. So stellen sie zum Beispiel Abfallbehälter im Tunnel auf, damit er sauber bleibt.
Herausforderungen
Die Städtischen verfolgten stets einen inklusiven und partizipativen Ansatz bei der Umgestaltung der Münchner Unterführung. Dabei involvierten sie nicht nur die Anwohner*innen, die Nutzer*innen und Unternehmen, sondern auch Expert*innen für Stadtentwicklung und Inklusion. Doch die Hauptschwierigkeit bestand darin, dass man alle Probleme gleichzeitig lösen musste. Beispielsweise die vierwöchige Sperrung des Tunnels während der Umgestaltungsmaßnahme und die damit einhergehende Verkehrsumleitung war ein großer bürokratischer Aufwand.
Ein Tunnel geht durch die Metamorphose
Aber das Kollektiv veränderte nicht nur die Farbe des Tunnels. Es schuf auch den Kunstkorridor „Metamorphose“. Dieser setzt sich aus einer Installation von Rahmen zusammen. Damit will man ein langfristiges Konzept einläuten. Schließlich wird der umgestaltete Tunnel voraussichtlich nur zwei bis drei Jahre in seiner aktuellen Form bestehen. Durch den Kunstkorridor kann die Münchner Unterführung nun professionell und kuratorisch weiter bespielt werden. Gleichzeitig dient sie als öffentliche Galerie. Und tatsächlich, es fragen viele lokale Künstler*innen mit Ideen und Konzepten an.
Positives Feedback
Das Projekt stoße bei 95 Prozent der Menschen auf positive Resonanz. Denn die Nachbarschaft und Nutzer*innen der Münchner Unterführung zeigen sich dankbar gegenüber den Veränderungen. „Viele sagen uns wie hell dieser Tunnel nun wirkt. Früher haben sie Angst gehabt, nun freuen sie sich auf den Tunnel, wenn sie abends von der Arbeit wieder nach Hause fahren“, sagt Sormani. „Menschen aus ganz Deutschland melden sich bei uns und das Projekt macht Schule. Sie fragen nach Tipps und Informationen oder wollen das wir in Ihrer Kommune/Ortschaft ähnliche Projekte umsetzten können. Viele Organisationen der Stadtentwicklung laden uns zum Austausch ein. Die beteiligten Politiker bedankten sich bei uns.“
Was erwartet uns noch?
Die Städtischen haben noch mehr Projekte in Planung. Darunter befinden sich wieder Umgestaltungen von öffentlicher Infrastruktur in München. Aber jetzt freuen wir uns erst einmal auf die offizielle Eröffnung der neuen, pinken Münchner Unterführung im August 2024. Zugänglich ist sie bereits jetzt und lädt dazu ein, entdeckt zu werden.
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