15.08.2021

Porträt

„Wir brauchen ein Referendariat für Landschaftsarchitekten“

Andrea Gebhard

Andrea Gebhard

Die Arbeitsprozesse im Büro und in der Verwaltung unterscheiden sich in ihrer Dynamik, ihren finanziellen und personellen Ressourcen sowie in ihren Abhängigkeiten und Sicherheiten. Die Zusammenarbeit ist dadurch nicht immer einfach. Wir sprachen mit Andrea Gebhard und Florian Hochstätter und fragten sie, wie zufrieden sie mit der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind, und diskutierten, wie man diese optimieren kann. Eine Idee ist die Einführung eines Referendariats, das die Position der Landschaftsarchitektur in den Führungsebenen der Staatsbauverwaltungen stärken soll.

Florian Hochstätter, studierte Architektur an der Bauhaus Universität in Weimar und schloss das Referendariat an der Obersten Baubehörde Bayerns mit der großen Staatsprüfung ab. Seit 2006 ist er zuständig für den Bereich Gestaltung öffentlicher Raum im Baureferat der Landeshauptstadt München und seit September 2018 Leiter der Hauptabteilung Gartenbau im Baureferat. Foto: Sonja Weber, mahl gebhard konzepte

Doppelte Arbeit ablösen

Frau Gebhard, Herr Hochstätter, Sie arbeiten viel zusammen. Wo liegen die Fallstricke in Ihrer Zusammenarbeit, in der zwischen Büro und Verwaltung?

Gebhard: Fallstricke gibt es keine, aber ab und an Fragen, wie man die Zusammenarbeit optimieren kann. Das betrifft insbesondere die Akquisition. Die hat sich stark verändert. Früher riefen die Stadtverwaltungen an, mit der Bitte ein Angebot für ein Projekt abzugeben. Das VOF­, später das VgV­-Verfahren veränderte einiges: die Prozesse in der Verwaltung und die in den Büros. Mit derVgV geht ein enormer Arbeitsaufwand einher. Darüber muss man sprechen.

Hochstätter: Wir im Baureferat sind als öffentliche Verwaltung verpflichtet, das VgV­Verfahren als rechtliche Maßgabe umzusetzen. Und das Verfahren so an sich ist auch richtig. Die Honorare werden mit Steuergeldern finanziert. Wir als Verwaltung müssen transparent machen, was mit diesen Geldern passiert und dafür Sorge tragen, dass die Bestqualifizierten den Planungs­auftrag erhalten. Das gelingt mit dem Verfahren gut. Im eigenen Interesse und dem unserer Auftragnehmer und Partner versuchen wir, die Verfahren so schlank wie möglich zu gestalten. Es sind aber gemessen an der Gesamtzahl wenige Projekte, die mit dem Schwellenwert von über 220 000 Euro in die VgV­Kategorie fallen.

Gebhard: Was ich unnötig finde, ist das VgV­Verfahren im Wettbewerb. Wenn ein Büro einen Wettbewerb gewinnt, muss es anschließend noch das Verfahren durch­laufen. Das ist doppelte Arbeit.

Hochstätter: Das kann ich nachvollziehen. Die Verwaltung ist an die Gesetzgebung gebunden.

Gebhard: Wir könnten gemeinsam mit der Vergabestelle versuchen, diesen Punkt zu verbessern. Ich finde es wichtig, dass man eine Lanze dafür bricht, das VgV­-Verfahren im Wettbewerb abzulösen.

Andrea Gebhard ist Landschaftsarchitektin, Stadtplanerin und seit Ende Mai 2021 die oberste Repräsentantin der deutschen Architekt*innenschaft. Nach ihrem Amt als Leiterin der Abteilung Grünplanung im Planungsreferat München war sie Geschäftsführerin der BUGA 05 München GmbH und gründete 2009 gemeinsam mit Johannes Mahl das Büro mahl gebhard konzepte. Foto: Sonja Weber, mahl gebhard konzepte

Wertschät­zung für die Planung aufbauen

Ansonsten gibt es in München keinerlei Probleme oder Differenzen?

Hochstätter: Nein, nicht wirklich. Das Baureferat der Landeshauptstadt München arbeitet höchst professionell, unsere Partner ebenso. Mit 650 Mitarbeitern und aktuell 500 laufenden Projekten sind wir die größte kommunale Gartenbauverwaltung Deutsch­lands. Gerade in den letzten Jahren haben wir – unter anderem dank der sehr guten Büros, die es in München gibt – tolles Personal gefunden. Das stärkt uns, gleich­ zeitig liegt darin auch eine gewisse Proble­matik. Büros und Verwaltung tun sich schwer, das passende Personal zu finden. Der Arbeitsmarkt ist beinahe leer geräumt.

Gebhard: Der Großteil der Projekte mit der Verwaltung läuft nach HOAI. Beide Seiten wissen, worauf sie sich einlassen. Schwieri­ger sind die Aufträge, die frei verhandelt werden. Nicht nur für uns stehen Kosten und Zeit in direktem Zusammenhang. Hier muss Verständnis auf beiden Seiten bestehen. Man muss Respekt voreinander haben für die Arbeit des anderen, und das Gegenüber als qualifizierten Partner betrachten.

Wie funktioniert das in anderen Städten?

Gebhard: Regensburg oder Ingolstadt beispielsweise haben ebenso hervorragende Gartenämter, mit denen immer klare Vereinbarungen getroffen werden. Proble­matisch können Abteilungen sein, in denen die Leitungen nicht mit Kollegen aus der Planung besetzt sind, sondern mit Juristen oder Betriebswirten. In solchen Fällen kann es manchmal schwierig sein, die Wertschät­zung für die Planung aufzubauen.

Hochstätter: Die Kommunikation kann nur funktionieren, wenn wir uns fachlich ebenbürtig sind. Wenn wir als Garten­bauamt Mittler zwischen Fachplanern, Bürgerschaft und Politik sein wollen, dann müssen wir verstehen, was uns der Land­schaftsarchitekt auf den Tisch legt.

Transparenz für die Arbeit erhöhen

Nochmals zum Punkt des Verständnisses füreinander. Um das zu unterstützen, muss man den Wechsel zwischen Büro und Verwaltung fördern. Dann lernt jeder die andere Seite kennen.

Gebhard: Absolut. Ich bin für eine gewisse Durchlässigkeit. Der Landschaftsarchitekt aus der Verwaltung muss ins Büro wechseln können – und umgekehrt. Die Planer in der Verwaltung müssen sehen, mit welchem monetären Stress wir umgehen, und die freien Büros müssen anerkennen, mit wie vielen internen Gremien sich die Behörden stets auseinandersetzen.

Hochstätter: Hier können wir noch viel bewegen. Im Münchner Baureferat haben die meisten Büroerfahrung oder waren sogar selbstständig. Viele Büromitarbeiter wissen jedoch nicht, was die Verwaltung alles leistet. Wir als Verwaltung müssen uns hier mehr anstrengen, an die Universitäten gehen, präsenter sein, deutlich machen, was wir leisten. Stichwort: duales Studium.

Gebhard: Ja, oder Stichwort: Referendariat. Ich finde es wahnsinnig wichtig, dass wir es endlich schaffen, ein eigenes Referendariat für Landschaftsarchitekten einzurichten. Seit meiner ersten Tätigkeit vor 35 Jahren versuche ich, die Oberste Baubehörde bzw. das Ministerium davon zu überzeugen.

Hochstätter: Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Die Lehrgänge und Vorträge im städtebaulichen Referendariat sind auf höchstem Niveau. Sie gewähren nicht nur einen Einblick in die Behörden, in die Sachbearbeitungsebene, sondern auch in höchste Leitungsfunktionen. Dass diese Form der Ausbildung für Landschafts­architekten aktuell nicht möglich ist, ist ein Defizit für diese.

Gebhard: Und ein Defizit für den Staat. Da die Landschaftsarchitektur in den Führungsebenen der Staatsbauverwaltun­gen nicht vertreten ist. Die Zusammenar­beit funktioniert ansonsten sehr gut.

Foto: Sonja Weber, mahl gebhard konzepte

Bürgerschaft von Anfang an abholen

 

Hochstätter: Die Personalgewinnung im qualifizierten und hoch qualifizierten Bereich ist ein Problem, das sich durch alle Kommunen zieht. Dort findet man kaum jemanden, der die baufachliche Kompetenz, die Entwurfskompetenzen und zugleich das Know­how zum Verwaltungshandeln hat. Das Referendariat würde diese Lücke schließen.

Gebhard: Wichtig sind Kollegen, die Fragen nach der Zukunftsfähigkeit stellen; sowohl in Bezug auf die nachhaltige Gestaltung als auch hinsichtlich der ökologischen Voraussetzungen. Denn gute Landschaftsarchitektur versteht es, im großen Maßstab zu arbeiten und dies mit ökologischen Ansätzen zu verbinden. Uns fehlen manchmal genau diese Leute, die die Fragen der Gestaltung und der Multicodierung dieser Räume stellen und wissen, wie man Funktionen verlagern kann und muss.

Hochstätter: Wir sind uns also einig, wenn ich das so konstatieren darf: Zwischen der Münchner Verwaltung und den Büros knirscht es nicht.

Gebhard: Dies kann ich grundsätzlich bestätigen. Lassen Sie uns wegen des Referendariats am besten zusammen zum Staatsminister gehen. Was die Kommuni­kation zwischen Verwaltung und Büro angeht, können wir aber doch noch einiges tun. Ich wäre für eine Art Gesprächskreis, in dem man sich jedes halbe Jahr trifft und gemeinsam mit Architektenkammer, Verwaltung und Landschaftsarchitekten bespricht, wo Schnittstellen sind, wo Fragestellungen. Um die Transparenz für die Arbeit zu erhöhen.

Ich möchte noch den Punkt Beteiligung ansprechen. Hier sind wir in den letzten Jahren durch einige Lernprozesse gegangen. Führt Bürgerbeteiligung wirklich zu besseren Projekten?

Hochstätter: Eindeutig ja. Das Ziel unserer Arbeit sind Räume für die Öffentlichkeit. Da ist es unsinnig, die Bürgerschaft bei der Gestaltung öffentlicher Räume auszugren­zen. Für mich ist es das Qualitätsmerkmal eines Projektprozesses und letztlich auch des Planungsergebnisses, wie gut und intensiv die Bürgerbeteiligung war.

Gebhard: Ich war kürzlich im Baakenpark in Hamburg. Hier fand viel Beteiligung statt und der Park ist hervorragend. Das Atelier Loidl beweist mit dem Projekt, wie es funktionieren kann. Gleichzeitig haben die Hamburger den Planern vertraut. Das ist mir persönlich wichtig. Es kann nicht jeder Stuhl, jede Bank von der Bürgerschaft designt werden, Beteiligung hat ihre Grenzen. Diese muss man kommunizieren, und die Öffentlichkeit muss dem Planer und seiner Fachkompetenz vertrauen.

Foto: Sonja Weber, mahl gebhard konzepte

Verbindung zwischen Hirn und Hand ist wichtig

 

Was können wir tun, um das Vertrauen zu stärken?

Gebhard: In dem wir überzeugend auf­treten. Als Planer muss ich meine Ideen präsentieren und meine Haltung deutlich machen können. Die Vermittlung muss stattfinden.

Hochstätter: Und wir in der Bauverwaltung müssen die Bürgerschaft von Anfang an abholen. Das Baureferat in München hat daher dem Stadtrat bereits 2012 ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem wir bereits vor Beginn eines Projekts die Bürgerschaft beteiligen. Dazu bereiten wir eine Defizit­Potenzial­Analyse vor und visualisieren grundsätzliche Gestaltungs­möglichkeiten. Auf dieser Grundlage diskutieren wir mit der Öffentlichkeit, welche Entwicklungen möglich wären und ob diese überhaupt erwünscht sind. Das kommt gut an.

Letztes Thema: Digitalisierung. Inwiefern müssen sich die Profession, die Verwaltung und die Büros der Digitalisierung annehmen?

Hochstätter: Man kann und darf sich der Digitalisierung nicht verschließen. Am Ende ist unser Produkt aber ein Analoges. Dass das Internet den öffentlichen Raum künftig kompensieren wird, dem stehe ich skeptisch gegenüber. Der öffentliche Stadtraum ist durch nichts zu ersetzen. Im Gegenteil. Durch die Prosperität Münchens, die im Übrigen auch die Digitalisierung antreibt, findet eine enorme Verdichtung statt. Das ist das Thema, das uns in München beschäftigt. Um dieser Entwicklung zu begegnen, brauchen wir höchste Qualitäten im öffentlichen Raum.

Gebhard: Das kann ich bestätigen, es kommen immer mehr Menschen in unsere Städte. Gleichzeitig wächst mit der Digitalisierung und der Präsenz der virtuellen Welt der Wunsch nach der realen Welt. Auf diese Tendenzen können wir nur reagieren, indem wir mit guter Planung multicodierte und multifunktionale Räume entwickeln.

Hochstätter: Gleichzeitig müssen wir uns auf die zweite Generation der Digital Natives einstellen. Die will nicht mehr mit der Hand zeichnen, die hat andere Prozesse im Kopf, digitale Prozesse. Wir, die noch analog aufgewachsen sind, können das vielleicht begreifen, wirklich leben werden wir es aber nie. Dementsprechend müssen wir uns bewegen. Ansonsten rücken keine jungen Menschen nach. Im Münchner Baureferat sind wir da auf einem guten Weg. Für grundsätzliche Fragestellungen zum Thema Digitalisierung in der Stadt­verwaltung gibt es seit 1,5 Jahren ein eigenes Referat.

Gebhard: Die Verbindung zwischen Hirn und Hand darf man nicht unterschätzen. Die Digitalisierung hat im Arbeitsleben auch viel Erleichterung mit sich gebracht. Gleichzeitig ist es wichtig, bei diesem Thema, eine gewisse Kritikfähigkeit beizubehalten.

Interviewpartner*innen:

Andrea Gebhard ist Landschaftsarchitektin, Stadtplanerin und Vorsitzende des Beirats der Bundesstiftung Baukultur sowie Vorsitzende der DASL in Bayern. Nach ihrem Amt als Leiterin der Abteilung Grünplanung im Planungsreferat München war sie Geschäftsführerin der BUGA 05 München GmbH und gründete 2009 gemeinsam mit Johannes Mahl das Büro mahl gebhard konzepte.

Florian Hochstätter, geboren in München, studierte Architektur an der Bauhaus Universität in Weimar und schloss das Referendariat an der Obersten Baubehörde Bayerns mit der großen Staatsprüfung ab. Seit 2006 ist er zuständig für den Bereich Gestaltung öffentlicher Raum im Baureferat der Landeshauptstadt München und seit September 2018 Leiter der Hauptabteilung Gartenbau im Baureferat.

Andrea Gebhard ist bei der 94. Bundeskammerversammlung am 28. Mai 2021 als neue Präsidentin für die Bundesarchitektenkammer gewählt worden. Mehr dazu lesen Sie hier.

 

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