06.12.2016

Projekt

Mannheim 2030

die teils wie Propfen in den Grünzügen liegen.

Wie derzeit viele andere deutsche Städte, arbeitet auch Mannheim an einem übergeordneten Freiraumkonzept „Mannheim 2030“. Den Auftrag dafür erhielten die Berliner Landschaftsarchitekten bgmr zusammen mit den Stadtplanern von yellow z. Garten + Landschaft sprach mit Klaus Elliger, Leiter des Fachbereichs Stadtplanung Mannheim und Georg Bock, Verantwortlicher für die Freiraumplanung in der Projektgruppe Konversion. Der Fachbereich Stadtplanung ist der Initiator des Freiraumkonzepts.

Das Freiraumsicherungskonzept für Mannheim
Die Stadtklimanalyse aus dem Jahr 2010 (Pläne: Fachbereich Stadtplanung Mannheim)

Was gab den Anstoß für ein Freiraumkonzept Mannheim 2030?

Klaus Elliger: Die Konversion gab ganz klar den Anstoß, das Thema Freiraumkonzept grundsätzlich neu aufzugreifen.

Georg Bock: Natürlich haben auch andere Städte Konversionsflächen. Wir haben aber sehr viele: insgesamt acht Flächen, die in der Größe variieren und über den gesamten Stadtraum verteilt sind, sowohl im Innenstadtbereich als auch an der Peripherie. Da bereits eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Flächen stattgefunden hat und der Planungsprozess nicht auf den Konversionsflächen aufhört, haben wir immer über einen gesamtstädtischen Transformationsprozess unter klimaökologischen Gesichtspunkten nachgedacht.

Klaus Elliger: Anhand der Grafik 1 (Leitbild für Grünzüge und Frischluftkorridore) sieht man deutlich, dass zwei der Konversionsflächen, die Coleman- und die Spinelli Barracks, wie ein Propfen in den Grünkorridoren sitzen. Sie stellen aus stadtklimatischer Sicht thermische Barrieren dar und behindern den Frischluftaustausch zwischen Innenstadt und den Flächen außerhalb der Stadt. Die stadtplanerischen Impulse, die durch die Konversion gesetzt werden, sollen aufgenommen und in einem gesamtstädtischen Freiraumsystem zusammengefasst werden.

Wann werden die Konversionsflächen frei? Rührt daher der zeitliche Horizont bis 2030?

Klaus Elliger: Zuerst hieß es, die Amerikaner verlassen Mannheim komplett in einem Rutsch. Damit wären 510 Hektar Fläche auf einmal frei geworden. Nun gibt es eine kleine Irritation: Im Norden Mannheims befindet sich eine Kaserne mit knapp 200 Hektar. Diese wird aktuell noch von den Amerikanern genutzt. Ein zeitnaher Abzug ist aber durchaus realistisch.. Bei einer der Konversionsflächen, die in Rede stehen, laufen die Verhandlungen(Spinelli Barracks). Bei der zweiten hängt es nun von der Entscheidung der Amerikaner ab, wann die Flächen freigegeben werden (Coleman Barracks). Die BIMA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) kann darüber noch nicht befinden. Im Rahmen des Konzepts wird die Fläche aber bereits voll mitgeplant.

Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Konzept?

Klaus Elliger: Wir sehen zwei Aspekte: Die Konkretisierung des bereits bestehenden Leitbilds für Grünzüge und Frischluftkorridore. Damit verbunden: die planerische Stärkung der Grünzüge, die Schaffung von Akzeptanz bei der Politik und Bürgerschaft und insbesondere ein Bewusstmachen, wo die Grünzüge sind. Denn einige der Menschen, die dort unmittelbar wohnen, mögen zwar die Einzelgrünfläche sehen und vielleicht auch nutzen, aber sie haben noch nicht den räumlichen Zusammenhang als Teil eine großen Grünzugs verinnerlicht. 

Georg Bock: Wir sehen bei diesem Freiraumkonzept nicht nur ökologische oder freiraumplanerische Aspekte im Vordergrund. Wir verfolgen dabei einen ganzheitlichen und integrierten Planungsansatz. Auch weitere Handlungsfelder, z.B. städtebaulicher und kultureller Art spielen eine Rolle. Da es ein so großes Konzept ist, ist uns wichtig, die gesamte Stadt sowie die Verknüpfung mit der Region zu berücksichtigen. Wir sehen die Möglichkeit, weitere Impulse für die Stadtentwicklung zu setzen und eine große Zahl von Akteuren einzubinden, letztendlich auch zur Initiierung und zum Aufbau eines Akteursnetzwerkes. Darüber hinaus verstehen wir das Konzept als eine interdisziplinäre Gemeinschaftsaufgabe aus verwaltungsexternen und –internen Akteuren. Und es uns wichtig, die Öffentlichkeit einzubinden. Im Rahmen des Konversionsprozesses, gab es für die Öffentlichkeit an verschiedenen Stellen die Möglichkeit, sich an der Planung zu beteiligen. Das wollen wir fortführen, mit dem Ziel, eine Sensibilisierung herzustellen für die Qualitäten der Stadt, wobei der Freiraum eine große Rolle spielt.

Das Berliner Landschaftsarchitekturbüro bgmr, das bereits ähnliche Konzepte für Berlin, München und Nürnberg erarbeitet hat, bekam auch den Auftrag für Mannheim 2030. Was überzeugte?

Klaus Elliger: Es gab ein Auswahlverfahren, eine ganze Reihe von Bewerbern und wir haben uns nicht ausschließlich an Landschaftsarchitekten gewandt. Die Zusammenarbeit im Team mit Stadtplanern war uns wichtig. So hatten wir es auch ausgelobt. Die Erfahrung aus anderen Städten und die Zusammensetzung des Teams war für uns ausschlaggebend. Uns war wichtig, für die Fragestellung mit bgmr nicht nur ein starkes Freiraumplanungsbüro zu gewinnen, sondern mit yellow z auf der stadtplanerischen Seite, auch ein Büro, das hier in Mannheim schon bei einem anderen Konversionsprojekt tätig war. So konnten wir eine gewisse Kenntnis des Ortes voraussetzen, zumindest bei den Stadtplanern. Und wir denken, dass uns das Team mit seinen Erfahrungen aus den anderen Städten wahrscheinlich am meisten weiterhelfen kann.

Georg Bock: bgmr hat bereits interessante Leitfragen aufgeworfen hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Stadt. Zum Beispiel: Wie wird die Oberfläche der Stadt wassersensibel und klimaangepasst entwickelt? Wie kann die produktive Stadt umgesetzt werden? Wie können offene Stoffwechselprozesse geschlossen werden? Auch nach dem Umgang mit der Infrastruktur – in Mannheim eine ganz wichtige Frage. Dann gab es einen sehr guten Ansatz für ein späteres Konzept zur Einbindung der vorhandenen landschaftlichen Strukturen, die hier sehr präsent sind: Mannheim als Stadt zwischen Rhein und Neckar. Darüber hinaus stellten sie die Frage nach den aktuellen städtischen Prägungen: was macht die Stadt eigentlich aus?

Was unterscheidet Mannheim von den anderen Städten bzw. was sind die spezifischen Herausforderungen in Mannheim?

Klaus Elliger: Die Lage der Stadt an zwei Flüssen. Bei der Entwicklung hin zum Wasser ist noch Luft nach oben. Das hat den ganz einfachen Grund, dass hier im Rheintal die Flüsse Rhein und Neckar mäanderten. Sowohl der Neckar als auch der Rhein haben sich nach jedem Hochwasser ein neues Bett gesucht. Deshalb hat sich hier eher die Industrie an die Wasserlagen gesetzt. Wir haben entweder sehr naturräumliche Situationen an den Ufern oder industrielle, aber relativ wenig Wohnen am Wasser.
Die Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Bereich liegen aber im Kleinen. Das neue technische Rathaus wird in der Nähe des Rheins errichtet. Dort versuchen wir, einen Trittstein zu schaffen, um die Verbindung zwischen der Innenstadt und dem Rhein zu verbessern. In einem größeren Maßstab haben wir bereits das Konzept „Blau_Mannheim_Blau“ erarbeitet. „Blau“ steht jeweils für Rhein und Neckar. Da haben wir genau geschaut, wo die Interventionsorte sind, die man entwickeln müsste, um im Bewusstsein der Mannheimer die Stadt an zwei Flüssen noch stärker als Identifikationspunkt auszumachen.
Koblenz zum Beispiel verbindet jeder mit der Mündung der Mosel und dem Deutschen Eck. Das wurde natürlich gerade durch die BUGA (2011) nochmal stärker herausgearbeitet. Wo der Neckar in den Rhein fließt, steht in Mannheim ein Öltank. Das sagt alles. Fragt man einen Baden-Württemberger nach der Lage Mannheims, käme er vermutlich nicht auf die Idee zu sagen, Mannheim liege am Neckar.

Das Freiraumsicherungskonzept für Mannheim
Die Stadtklimanalyse aus dem Jahr 2010 (Pläne: Fachbereich Stadtplanung Mannheim)

In welchem Bezug steht die Mannheimer BUGA 2023 zum geplanten Freiraumkonzept?

Klaus Elliger: Die BUGA ist der Nukleus und ist ein nicht zu unterschätzender Baustein des Freiraumkonzepts.

Georg Bock: Die BUGA dient dazu, den Grünzug Nord-Ost zu entwickeln (siehe Grafik 2: Grünzüge). Das ist ein Freiraum von ca. 230 Hektar Größe, der sich von der Innenstadt bis an den Rand Mannheims erstreckt. Innerhalb dieses Grünzugs liegt ein Militärgelände, die Spinelli Barracks. Im Rahmen der Entwicklung des Grünzugs Nord-Ost soll dieses Militärgelände nahezu komplett rückgebaut werden. Auf diesem Gelände soll die Bundesgartenschau 2023 stattfinden. Das heißt, die Bundesgartenschau dient der Entwicklung dieses Grünzugs und dieser ist wiederum ein Teil des übergeordneten Freiraumkonzepts. Indem man den Grünzug Nord-Ost realisiert, realisiert man bereits einen essentiellen Teil des gesamtstädtischen Freiraumkonzepts und trägt zur Strukturierung der Gesamtstadt bei. Daher kommt der BUGA eine wichtige Funktion als Motor bzw. Initial zu.

Also ein erstes umgesetztes Beispiel des Freiraumkonzeptes. Allerdings in umgekehrter Reihenfolge. Das Konzept für die BUGA steht bereits, bgmr binden dieses dann in ihr Freiraumkonzept ein?

Georg Bock: Ganz genau. Auch auf anderen Konversionsflächen, z.B. beim Benjamin-Franklin-Village, geht die städtebauliche Entwicklung schon mit großen Schritten voran. Auch diesen Baustein wird man aufnehmen und in die übergeordnete Struktur einfügen. Aber es geht vor allem darum, die einzelnen Flächen untereinander zu verknüpfen und eine Verbindung der Innenstadtbereiche mit der Region über Grünräume zu gewährleisten. Darüber hinaus sollen Räume, die der Kaltluftentstehung und des Luftaustausches dienen, entwickelt werden.

Klaus Elliger: Wir fangen nicht bei Null an. In der Vergangenheit gab es sehr viele Konzepte. Mannheim war relativ fortschrittlich unterwegs. Es gibt einen Grünordnungsplan (Grafik: 3) von 1974. Danach gab es das Freiraumsicherungskonzept (Grafik 4) aus dem Jahr 2000, dann das schon genannte „Blau_Mannheim_Blau“-Konzept für die Wasserlagen im Jahr 2008 und, ganz regelmäßig und zuletzt im Jahr 2010 aktualisiert, eine Stadtklima-Analyse (Grafik 5). Dies alles wird nun nochmal gebündelt und bekommt mit dem Freiraumkonzept ein übergeordnetes Dach.

Das Konzept ist erst in der Anfangsphase. Gibt es bereits erste Ansätze und Ideen? Wenn ja, wie sehen diese aus?

Klaus Elliger: Um direkte inhaltliche Ansätze in die Öffentlichkeit zu bringen, ist es noch zu früh. Wir sind jetzt mit den ersten Analysen gestartet. Und wir haben einige Akteure eingebunden. Die Analysephase ist weitgehend abgeschlossen. Der konzeptionelle Teil beginnt Anfang nächsten Jahres.

Bis wann soll das Ganze umgesetzt sein?

Klaus Elliger: Wir hoffen, dass wir bis Mitte des nächsten Jahres soweit sind, das belastbare Konzept in die politischen Gremien zu bringen.

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