In Wien soll ein neuer Stadtteil entstehen: Rund um die Wiener Stadtwerke ist Rothneusiedl geplant, ein Zukunftsquartier mit Infrastruktur für eine klimaneutrale Stadt. Nun hat Wien verkündet, wer den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen hat.
Im April 2024 verkündete die Stadt Wien, dass die Büros Ortner & Ortner Baukunst (Stadtplanung) und capatti staubach urban landschaft (Landschaft) den Wettbewerb um die Gestaltung des Quartiers in Rothneusiedl gewonnen haben. Der Entwurf mit dem Titel „Der Grüne Ring“ schlägt ein klimafreundliches Quartier mit kompakter Bebauung in nachhaltiger Bauweise vor. Insgesamt sollen 9.000 Wohnungen für etwa 21.000 Menschen sowie um die 8.000 Jobs entstehen. Der Baustart ist für das Jahr 2030 geplant.
Weitere Unterstützung für das Projekt kommt von Transsolar KlimaEngineering (Klimakonzept), der Ingenieurgesellschaft Sieker (Regenwassermanagement), Concular (Kreislaufwirtschaft) und Rosinak + Partner (Verkehr). Für die nun folgende Detailplanung hoffen die Bürger*innen weiter darauf, viel Mitspracherecht zu erhalten.
Ein grüner Ring um Rothneusiedl
Der künftige Stadtteil Rothneusiedl ist bereits jetzt gut an den Verkehr angebunden. Daher besteht großes Potenzial für den lokalen Wirtschaftsstandort, der zugleich als Zukunftsquartier der Wiener Stadtwerke dient. Es gibt Raum und technische Voraussetzungen für Elektro- und Wasserstoffbusse und insgesamt könnten etwa 8.000 Jobs vor Ort entstehen – viele davon Green Jobs.
Um dieses Potenzial zu realisieren, hat die Stadt einen fachlichen, dialogorientierten Wettbewerb ausgerufen. Dieser wurde eng von den Bürger*innen begleitet. Vielfältige Formate luden dazu ein, sich zu informieren und einzubringen. Dabei äußerten die Teilnehmenden Prioritäten wie kurze Wege, Grün- und Parkflächen sowie Bewegungsorte für den sozialen Austausch.
Im April 2024 kürte die internationale Jury dann den Entwurf von Ortner & Ortner Baukunst mit capatti staubach urbane landschaften Part GmbH als Gewinner. Unter dem Titel „Grüner Ring“-Projekt werden großzügige Grünfläche und Räume für Stadtlandwirtschaft sichergestellt. Das innovative und nachhaltige Gesamtkonzept überzeugte die Jury, die ihren Auswahlprozess bereits im März 2023 begann.
„Der Grüne Ring“ stellt nun die Grundlage für das bis zum Jahr 2025 zu erstellende städtebauliche Leitbild. Vor jedem weiteren Schritt wird wieder die Bevölkerung eingebunden, um sicherzugehen, dass Planung und Beteiligung zusammenarbeiten.
5-Minuten-Stadt mit kurzen Wegen
Die Grundidee des Siegerentwurfs besteht darin, eine kompakte Stadt zu entwickeln, die von einem großzügigen, vielfältig nutzbaren Ring aus Parklandschaften, Wäldern und Stadtwildnis umgeben ist. So soll eine harmonische Verbindung zwischen städtischem Leben und ländlicher Weite entstehen. Der große, 3 Kilometer lange grüne Ring umschließt das lebhafte Stadtzentrum laut Entwurf vollkommen und bietet ökologische Brücken zu den umliegenden Feldern. Es bestehen bereits Windschutzgürtel in Form langer Hecken zwischen den Äckern, die in die Planungen integriert werden und sich bis ins Zentrum von Rothneusiedl ziehen sollen.
Die Stadt Wien plant bereits eine neue U-Bahn-Trasse, die entlang des zentralen Stadtplatzes verlaufen wird. Dort soll sich das Herz von Rothneusiedl befinden, ein Treffpunkt für Märkte, Veranstaltungen und Kommunikation. Entlang des Kerns sollen Schulen und Kindergärten Platz haben. Insgesamt sollen 9.000 Wohnungen zu erschwinglichen Preisen in bis zu elfgeschossigen Wohnbauten entstehen.
Auch das Konzept der essbaren Stadt ist im Siegerentwurf zu finden, wie von den Bürger*innen im Rahmen der Beteiligungsverfahren gewünscht. Im Norden von Rothneusiedl wird es Anbaufelder und Streuobstwiesen sowie Möglichkeiten für Urban Gardening geben. Ebenso sind Aspekte wie Kreislaufwirtschaft und 5-Minuten-Stadt bedacht: Kurze Wege, urbane Dichte, Mobility Hubs für Autos am Rand der Siedlung und U-Bahn-Anschluss ins Zentrum. Regenwasser soll versickern und so intelligent zu Wachstum und Kühlung beitragen.
Hohe Wohn- und Lebensqualität
Das Siegerprojekt schafft die Grundlage für einen klimafitten und vielfältigen neuen Stadtteil unserer wachsenden Stadt mit großzügigen Grün- und Freiräumen. In Kombination mit der Verlängerung der U1 entsteht hier ein top angebundener, nachhaltiger Stadtteil mit einer hohen Lebensqualität für alle, die hier künftig wohnen und arbeiten“, so Planungsstadträtin Ulli Sima.
Das Konzept für Rothneusiedl legt viel Wert auf hohe Wohn- und Lebensqualität und unterstreicht so die Philosophie der Stadt, dass Wohnen nicht in den eigenen vier Wänden endet. Vielmehr hat auch die Umgebung einen großen Einfluss auf die Wohnqualität, von Infrastruktur und öffentlicher Anbindung über Naherholungsgebiete bis hin zu leistbarem Wohnraum. Das Siegerprojekt zeigt, wie Klimaschutz, Wohn- und Grünraum miteinander verbunden werden und eine kompakte Stadt erzeugen können. Rothneusiedl soll Klimavorzeigestadt werden.
Die essbare Stadt
Nachdem das Siegerprojekt nun feststeht, beginnt der Leitbildprozess der Stadt, der etwa ein Jahr dauern wird. Auf Grundlage des städtebaulichen Leitbildes entstehen dann der Flächenwidmungs- und der Bebauungsplan. Darauf folgen die detaillierten Planungen. Für Rothneusiedl heißt das, dass erste Umsetzungsschritte erst im Jahr 2030 möglich sind.
Trotz der weitgehenden Berücksichtigung der Wünsche aus dem Bürgerbeteiligungsprozess gibt es auch Kritik an den Plänen für Rothneusiedl. Insbesondere die geplante Zubetonierung einiger Ackerflächen sorgt für Zweifel. Laut Jury soll die wertvolle Erde gesichert und als Substrat auf die Dächer der neuen Gebäude gebracht werden, um dort eine intensive Begrünung zu ermöglichen. Zudem soll die essbare Stadt im Vordergrund stehen. So gelang es der Stadt, sich gegen Greenwashing-Kritik zu wehren.
Weitere Vorschläge aus der Bürgerschaft empfehlen zum Beispiel ein Planungskonzept für die ganze Speckgürtel-Region der Hauptstadt und drücken den Wunsch nach einer Pufferzone zwischen Bauten und Verkehr aus. Bis zum Baubeginn ist noch viel Zeit, um diesen Vorschlägen nachzugehen – Wien ist schließlich gut im Zuhören.
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