29.08.2021

Gesellschaft

Stonehenge-Autobahntunnel laut Gericht ungesetzlich

200 Meter neben dem Stonehenge soll ein Autobahntunnel gebaut werden (Foto: Song Shin/Unsplash)

200 Meter neben dem Stonehenge soll ein Autobahntunnel gebaut werden (Foto: Song Shin/Unsplash)

Die britische Regierung setzt sich seit mehreren Jahren für die Untertunnelung des steinzeitlichen Stonehenge-Denkmals ein. Sie argumentiert mit weniger Lärm, weniger Stau und mehr Lebensqualität für die Anwohner*innen der umliegenden Dörfer. Davon lassen sich die Gegner*innen des Mega-Projekts jedoch nicht beeindrucken. Sie formierten sich zur Stonehenge Alliance und gingen gerichtlich gegen das Bauvorhaben vor – und erhielten Recht.

200 Meter neben dem Stonehenge soll ein Autobahntunnel gebaut werden (Foto: Song Shin/Unsplash)
200 Meter neben dem Stonehenge soll ein Autobahntunnel gebaut werden (Foto: Song Shin/Unsplash)

Um das neolithische Denkmal Stonehenge ranken sich viele Geschichten und Mythen, die jährlich abertausende an Besucher*innen anziehen. Viele davon reisen über die Autobahn A303 an, die in Sicht- und vor allem in Hörweite des Denkmals vorbeizieht. Von mystisch-romantischer Abgeschiedenheit ist dort keine Rede.

Dagegen wollte highways england, die staatliche Firma, die sich um Englands Autobahnen kümmert, etwas tun. Ihr Ziel ist es, die A303, die Englands Südwesten mit dem Südosten verbindet, zu verbessern. Auf der Höhe von Stonehenge soll der einspurige Streckenabschnitt zweispurig werden. Aber nicht nur das: Direkt neben dem neolithischen Denkmal ist ein Tunnel geplant, der den Verkehr außer Sichtweite der Sehenswürdigkeit führen würde.

Die Autobahn A303 ist befindet sich in Sicht- und Hörweite von Stonehenge (linker Bildausschnitt) (Foto: TobyEditor/Wikimedia Commons)

Keine Alternative für Stonehenge-Autobahntunnel

Der geplante Umbau hat aber nicht nur kosmetische Gründe. Laut highways england dauert es aktuell – abhängig von der Tageszeit – eine Stunde oder länger, um Stonehenge auf der Autobahn zu passieren. Dieser Zeitraum will die Erweiterung auf acht Minuten reduzieren.

Zwei mehr als drei Kilometer lange Tunnel – einer für jede Fahrtrichtung – sollen 200 Meter neben Stonehenge unter der Erde durchführen und so auf der Oberfläche die Landschaft für Besucher*innen, Reiter*innen, Radfahrer*innen und natürlich Flora und Fauna wieder verbinden. Mehrere neue Knotenpunkte sollen außerdem verhindern, dass Autofahrer*innen die umliegenden Dörfer verstopfen, um Stau auszuweichen. Highways england plante, 2023 in die erste Phase des Mega-Projekts zu starten.

Daraus wird aber vorerst nichts. Denn eine Gruppe aus NGO und Einzelpersonen hat sich unter dem Namen The Stonehenge Alliance zusammengefunden, um die Weltkulturerbestätte zu schützen. Die Stonehenge Allianz hatte sich schon 2001 gebildet, um einen Ausbau der Autobahn im Weltkulturerbe-Gebiet zu verhindern. Dieser wurde schließlich tatsächlich auf Eis gelegt – ob dieses Ergebnis nur der Allianz zuzuschreiben ist, bleibt unklar.

Heute spricht sich die Stonehenge Allianz mit ihrer Save Stonehenge World Heritage Site-Kampagne gegen das Mega-Projekt von highways england aus. Ihre Argumentation: Der Aus- und Umbau würde die Landschaft, die als eine der archäologisch bedeutsamsten Landflächen Europas gilt, schwer schädigen. Die Kampagne kritisiert unter anderem, dass highways england keine Alternativen in Betracht gezogen habe, dass bisher unentdeckte archäologische Funde zu Schaden kommen könnten und dass die ansässigen Tiere durch die Bauarbeiten nachhaltig gestört würden. Des weiteren wären zu wenige Abklärungen bezüglich Flutrisiko, Grundwasserschutz, Geologie und Landkontamination getroffen worden, da es sich beim Untergrund um eine einzigartiges Kalkgestein handle, dessen Reaktion auf die geplanten Maßnahmen nicht sicher sei.

Stonehenge-Urteil als Weckruf für die Regierung

Dazu kommt, dass die geplanten Bauarbeiten die UNESCO-Welterbekonvention verletzen und die Empfehlungen der UNESCO zu den Plänen ignorieren. Dies könnte dazu führen, dass Stonehenge auf der roten Liste des gefährdeten Welterbes landet. Laut UNESCO sind mit der Einschreibung auf der roten Liste konkrete Vorgaben zur Behebung oder Abwendung der Gefährdung, ein Programm für Abhilfemaßnahmen sowie ein verstärktes Monitoring durch jährliche Berichte zum Erhaltungszustand verbunden.

Damit will die Regierung die Ost-West-Achse der Autobahn stärken und den Verkehr im Gebiet reduzieren (Foto: Bryony Elena/Unsplash)
Das neolithische Denkmal zieht jedes Jahr Unmengen an Besucher*innen an (Foto: Andrew Perabeau/Unsplash)

Errichtung von Stonehenge dauerte über ein Jahrtausend

Die Einwände der Stonehenge Allianz haben Früchte getragen. Ende Juli hat der High Court entschieden, dass der britische Verkehrsminister rechtswidrig gehandelt habe. So habe er keine weniger schädlichen Alternativen in Betracht gezogen. Der Richter hob aus diesen Gründen die Genehmigungsanordnung, die der englische Verkehrsminister erteilt hatte, auf. Laut der britischen Nachrichtenseite BBC wird das Projekt nun auf Eis gelegt, bis die Regierung über ihre nächsten Schritte entschieden hat.

John Adams, der Leiter der Stonehenge Alliance zeigt sich in einer Pressemitteilung glücklich über das Urteil: „Jetzt, wo wir vor einem Klimanotstand stehen, ist es umso wichtiger, dass dieses Urteil ein Weckruf für die Regierung ist. Sie sollte ihr Straßenprogramm erneut überprüfen und Maßnahmen ergreifen, um den Straßenverkehr zu reduzieren und die Notwendigkeit für den Bau neuer und breiterer Straßen zu beseitigen, die die Umwelt sowie unser kulturelles Erbe bedrohen.“

Dass Stonehenge ein großer Teil des kulturellen Erbes Großbritanniens ausmacht, ist klar. Es ist nicht nur eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Großbritanniens, sondern auch ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Es liegt in England, zwischen Bournemouth und Bristol und ist Teil der Weltkulturerbestätte Stonehenge, Avebury and Associated Sites. Das Bauwerk entstand über einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren – noch vor der Erfindung des Rades oder bevor die Menschen anfingen, mit Metall zu arbeiten. Der Bau begann nämlich schon 3 000 vor Christus, mit einer ersten von mehreren Etappen.

Stonehenge könnte früher als Observatorium genutzt worden sein (Foto: Hulki Okan Tabak/Unsplash)
Die Steine sind nämlich auf die Himmelskörper ausgerichtet (Foto: Cajeo Zhang/Unsplash)

Opferstätte oder Observatorium?

Das erste Denkmal – die erste Etappe – bestand vor allem aus Erdwerk und fand seinen Zweck in Feuerbestattungen. Erst etwa zwischen 2 500 und 2 000 vor Christus kamen die typischen Steine in weiteren Etappen hinzu. Aus riesigen, tonnenschweren Sarsensteinen und kleineren Blausteinen entstand Stonehenge, wie wir es heute kennen. Dafür waren aber gewaltigen Anstrengungen vonnöten – diese Masse zu bewegen (und das ohne Räder zu benutzten!) hätte damals die Manpower von hunderten Arbeitern erfordert. Von der Planung und Organisation ganz zu schweigen. Insgesamt dauerte die Errichtung von Stonehenge über 1 000 Jahre an.

Für was also der Spaß? Um das neolithische Monument ranken sich mehrere Theorien und Mythen, was der genaue Zweck dahinter war, kann aber niemand mit Bestimmtheit sagen. Und das, obwohl sich die Forschung schon seit Jahrzehnten damit beschäftigt. Aber Stonehenge ist so alt, dass es keinerlei kollektives Gedächtnis mehr gibt, das sich an seinen ursprünglichen Sinn erinnern kann. Es gibt keine genauen Überlieferungen, die die letzten 4 500 Jahre überdauert haben – obwohl es natürlich einige Theorien gibt. Darunter etwa, dass es sich bei Stonehenge um einen Ort für Zeremonien handelte, eine Opferstätte oder ein Observatorium. Letztere bezieht sich auf die Ausrichtung der Steine, die nach der Sonnenwende und der Tagundnachtgleiche angeordnet sind.

Gerade auch aktuell: Der Münchner Olympiapark als Weltkulturerbe? Warum er das Zeug dazu hätte, lesen Sie hier.

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