27.05.2021

Gesellschaft

Trinkwasserknappheit in Deutschland

Knappes Trinkwasser

Armin Schuster, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), warnte im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, vor Trinkwasserknappheit im Zuge des Klimawandels. Wie es dazu kommt, das knappes Trinkwasser zukünftig ein mögliches Szenario sein könnte und wie ernst die Lage wirklich ist, lesen Sie hier.

Aus deutschen Wasserhähnen fließt in der Regel Trinkwasser von sehr guter Qualität. Es ist hierzulande engmaschig und das am strengsten kontrollierte Lebensmittel. Und es kann wie selbstverständlich jederzeit in den eigenen vier Wänden bezogen werden. Doch der Klimawandel zeigte in der Vergangenheit schon in einzelnen Kommunen, dass knappes Trinkwasser in unseren Breiten zukünftig kein allzu abwegiges Szenario mehr sein könnte.

Knappes Trinkwasser könnte im Zuge des Klimawandels auch in Deutschland Realität werden. Foto: Manki Kim/​UNSPLASH

Knappes Trinkwasser in den Kommunen

 

Prominentes Beispiel: Lauenau. In der niedersächsischen Gemeinde mit etwa 4 000 Einwohner*innen ging im August 2020 für kurze Zeit das Trinkwasser aus. Einerseits weil die Niederschlagsmengen zu niedrig waren. Andererseits weil die Einwohner*innen während der Corona-Pandemie mehr Wasser, etwa für die Bewässerung ihrer Gärten und zur Befüllung ihrer Pools, verbrauchten. In der Folge rief die Verwaltung ihre Bürger*innen auf, Wasser zu sparen. Zudem verteilte die Feuerwehr Brauchwasser aus Tankwägen an öffentlichen Abgabestellen. Auch in Hessen gab es 2020 Kommunen, in denen die Versorger vor Trinkwasserknappheit warnten und sogar die Wasserspeicher leer liefen.

Deutscher Wasserverbrauch in Zahlen

Der Trinkwasserbedarf eines durchschnittlichen Menschen beträgt zwischen zwei und drei Litern. Das ist die Menge, die er zum Sicherstellen seines Überlebens trinken sollte. Tatsächlich pro Kopf und Tag verbraucht werden in Deutschland durchschnittlich etwa 125 Liter Wasser. Mit circa 5 Litern trägt dabei der Verbrauch für das Trinken und die Essenszubereitung bei. Den Löwenanteil von über 100 Litern machen in dieser Rechnung die Posten Körperhygiene und Toilettenspülung aus. Rechnet man jedoch noch die Gesamtverbrauche aus den Sektoren Industrie und Landwirtschaft mit ein, kommt man auf eine Menge von rund 4 000 Litern Wasser Pro Kopf und Tag. Also mehr als das 30-fache des unmittelbaren, persönlichen Verbrauchs.

Foto: Imani/UNSPLASH

Deutschland befindet sich in Jahren der Dürre

Während Flutkatastrophen sofort sicht- und spürbare Auswirkungen haben, vollziehen sich Dürrekatastrophen schleichend über Jahre und werden anfangs kaum bemerkt. Die subjektive Wahrnehmung des Wetters kann zudem über die wirkliche Entwicklung der in den Grundwasserspeichern vorhandenen Trinkwassermengen hinwegtäuschen. Während im Frühjahr 2021 Regen in vielen Regionen eher keine Mangelware zu sein schien, befindet sich Deutschland aktuell tatsächlich im vierten Dürrejahr in Folge.

In den Jahren 2018 und 2019 begannen Hitze und ausbleibender Regen dafür zu sorgen, dass die jährlich nutzbaren und sich erneuernden Grund- und Oberflächenwassermengen, das sogenannte Wasserdargebot, drastisch schwanden. Das in Deutschland über 30 Jahre gemittelte Wasserdargebot beträgt nach Angaben des Umweltbundesamts 188 Milliarden Quadratmeter pro Jahr. Im Jahr 2018 waren es hingegen nur 119 Milliarden Quadratmeter. Auch in den folgenden Jahren gab es ein Regendefizit. Auch der Frühling 2021 war wieder, wie schon die letzten sieben Frühlinge, trockener als der langfristige Durchschnitt.

Ist ein Boden über längere Zeit zu trocken und damit auch in tieferen Schichten ausgetrocknet, beginnt ein Teufelskreis. Die kurz- und mittelfristige Wasseraufnahmekapazität des Bodens sinkt. Auftreffendes Regenwasser fließt in ausgetrockneten Böden schneller ab, als es tieferliegende Bodenschichten benetzen kann.

Foto: Przemyslaw Stroinski/​UNSPLASH

Landwirtschaft und Wald leiden

Das macht vor allem der Landwirtschaft zu schaffen und kann – bisher temporär und lokal beschränkt – zu einer Konkurrenzsituation um die verfügbare Wassermenge mit der öffentlichen Wasserversorgung führen. Und nicht nur das. Bleiben angemessene Regenmengen wie in den letzten drei Jahren aus, können Böden schneller komprimieren und durch Wind erodieren. Außerdem können Pflanzen unter Umständen die ausgebrachten Düngemittel nicht mehr vollständig aufnehmen. Neben Ernteausfällen kann die Folge hieraus auch eine Auswaschung der angereicherten Stickstoff- und Phosphorsalze in das darunter liegende Grundwasser sein und damit eine Minderung der Trinkwasserqualität in einer Kommune.

Auch der sowieso schon leidende Wald wird durch trockene Jahre und sinkende Grundwasserspiegel noch zusätzlich unter Druck gesetzt. Frühzeitiger Laubwurf, Astbruch und eine verminderte Resistenz gegen Pilzbefall und Borkenkäfer sind die Folge.

Panik nicht angezeigt

Panik ist indes nicht angezeigt. Zur Wüste wird Deutschland aller Voraussicht auch in vielen Jahren nicht werden. Aber umgedacht muss werden. Mehr Achtsamkeit im Umgang und vielleicht auch ein bisschen Dankbarkeit für etwas, dass für fast jeden zweiten Menschen auf der Erde keine Selbstverständlichkeit ist: fließendes Wasser aus dem Hahn. Armin Schuster vom BBK fasst es gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ so zusammen: „Ich will keinen Alarm schlagen, dazu ist es noch zu früh. Aber ein ressourcenschonender, nachhaltiger Umgang mit Wasser sowie eine erhöhte Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit in der Bevölkerung bei extremen Wetterlagen ist bereits heute sehr angezeigt“.

Hier kommen Sie zur Homepage des BBK.

Zum Dürremonitor des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung lesen Sie hier.

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