05.05.2014

Projekt

Trocken durchs Wasser gehen

Da die Niederlande größtenteils unter Meeresniveau liegen, musste sich das Land schon immer gegen das Wasser behaupten. Doch man machte sich die Kraft des Wassers auch zunutze. Mithilfe ihrer „Geheimwaffe”, der Holländische Wasserlinie, wehrten die Niederländer zu Kriegszeiten Gegner ab, indem sie gezielt Überflutungen auslösten.

Ende des 16. Jahrhunderts vereinigten sich sieben Provinzen der heutigen Niederlande und spalteten sich von der Vorherrschaft Philipp II. von Spanien ab. Neben den Deichen, die das Meer abwehrten, errichteten sie Schutzzonen gegen Feinde. Dort, wo 
die Natur keine Hürde darstellte, fügten sie befestigte Städte und manchmal Forts ein, und es entwickelte sich ein Netzwerk aus Trutzstreifen und Befestigungen. So entstand 1628 die West Brabantse Waterlinie als Verteidigungslinie, bei der einige Städte und Dörfer mit Sand- und Steinwällen befestigt und verbunden wurden. Im Verteidigungsfall wurde das Land vor diesen Wällen geflutet. Im 19. Jahrhundert verfielen die Anlagen zusehends und gerieten in Vergessenheit. Heute haben Touristen diese Bauwerke mit ihren Erholungsmöglichkeiten wiederentdeckt. Jedes der Forts wird dabei auf eine andere Weise genutzt, als Campingplatz etwa, als Weinkeller, Museum, Restaurant oder Naturreservat.

Brücke zum Fort de Roovere
Brücke zum Fort de Roovere
Brücke zum Fort de Roovere
Brücke zum Fort de Roovere
Brücke zum Fort de Roovere

Unsichtbare Brücke über den Graben

Die West Brabantse Waterlinie umfasst die Festung Fort de Roovere. Das Fort dient heute als Erholungsgebiet, mehrere Rad- und Wanderrouten führen an ihm vorbei. Mit der Wiederherstellung der Wasserlinie musste auch eine Brücke über den Wassergraben des Forts gebaut werden. Da es höchst ungewöhnlich ist, eine Brücke über einen Verteidigungsgraben zu bauen – insbesondere auf der feindlichen Seite – schied eine konventionelle Bauweise aus. Vielmehr galt es, eine Brücke zu entwerfen, die sich gut in die Festung einfügt und den ursprünglichen Charakter der Verteidigungsanlage aufrechterhält. Wir, das Architekturbüro RO&AD aus dem niederländischen Bergen op Zoom, gestalteten deshalb eine unsichtbare Brücke, die in das Zentrum der Festung führt. Die Brücke besteht aus Holz, das mit Hilfe einer Kautschukfolie wasserfest gemacht wurde. Wie eine Fuge durchzieht sie die Festungsanlage und den Wassergraben. Die Brücke ist aus der Ferne nicht sichtbar, weil der Oberboden und das Wasser bis an die Oberkante der Geländer heranreichen. Nähert man sich der Brücke, sieht man durch eine schmale Fuge die Festung.

Mit Scheuklappen durchs Wasser

An jeder Stelle der Brücke entsteht dabei ein anderer Eindruck. Vom Brückenkopf hat man einen wunderbaren Blick auf die Umgebung. Steigt man die Treppen hinab, wirken die hohen Geländer wie Scheuklappen und man kann nur geradeaus sehen. Auf 
der Brücke selbst ist der Besucher von Wasser umgeben und bleibt doch trocken. Mit den Händen kann man ins Wasser fassen, das gegen das Geländer plätschert. Ein wenig erinnert die Szenerie an Moses, der einst das Wasser des Roten Meeres teilte, 
damit sein Volk trockenen Fußes vor den Streitwagen des Pharaos flüchten konnte.

Aus dem Englischen von Simon Herr

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