25.02.2021

Gesellschaft

Waldsterben: Deutschlands desaströse Waldpolitik

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Zwei Prozent der Landfläche Deutschlands sollen laut den Vorgaben des Bundesamtes für Naturschutz Wildnis sein. Im Schnitt kommen unsere Bundesländer jedoch gerade mal auf 0,6 Prozent, wie eine Frontal21-Umfrage nun zeigt. Der neueste BMEL-Waldbericht offenbart zudem Deutschlands desaströse Waldpolitik. Deutschland scheitert am selbstgesteckten Naturschutzziel und erfüllt nicht einmal ein Drittel der Vorgaben – derweil schreitet das Waldsterben weiter voran.

Vom Borkenkäfer geschädigte Fichten in Deutschland (Foto: Sonja Ritter/WWF)

Enttäuschende Resultate des NBS

2007 beschloss die Bundesregierung eine „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ (NBS). Ihr Ziel ist unter anderem: Fünf Prozent der Waldfläche und zwei Prozent der Gesamtfläche des Bundes sollten bis 2020 Wildnis werden. Das bedeutet, dass man sie der Natur überlässt, um den Schutz der heimischen Biodiversität zu fördern. 

„Wildnisgebiete“ sind dabei nach der Definition des Bundesamts für Naturschutz „ausreichend große, (weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten“. Mit anderen Worten: Wildnis ist, wo der Mensch die Natur machen lässt. Dabei müssen verwilderte Gebiete nicht immer Wald sein und umgekehrt entsprechen die allerwenigsten Wälder in Deutschland dieser Definition.

Ein wichtiger Faktor bei der Definition von Wildnisflächen ist deren Größe. Im Sinne des NBS werden nur naturbelassene zusammenhängende Flächen ab 1 000 ha zu den Wildnisflächen gezählt. In Ausnahmefällen, wie Mooren oder Küstengebieten können auch kleinere Flächen ab 500 ha dazugezählt werden.

Über die Resultate der NBS berichten nun das RedaktionsNetzwerk Deutschland und das ZDF-Magazin Frontal 21. Statt der beschlossenen zwei Prozent können demnach gerade 0,6 Prozent der deutschen Landesfläche als reines Wildnisgebiet bezeichnet werden. Damit erfülle der Bund seine eigenen Vorgaben nicht einmal zu einem Drittel.

Über die Bundesländer hinweg gebe es dem Bericht nach erhebliche Unterschiede. So komme Mecklenburg-Vorpommern dank seiner ausgedehnten Nationalparks immerhin auf 1,58 Prozent. Damit verfehlt das Bundesland zwar das Ziel, sei aber bundesweiter Spitzenreiter in Sachen Wildnisfläche. Das Saarland mit 0,97 und Brandenburg mit 0,79 Prozent folgen auf Platz zwei und drei. Nordrhein-Westfalen weise als Schlusslicht in der Statistik gerade einmal 0,19 Prozent Wildnisflächen auf. Selbst das waldreiche Bayern komme nur auf 0,63 Prozent.

Vom bundesweitem Ziel von zwei Prozent ist das noch weit entfernt. Viel zu weit, um das grassierende Artensterben und das Waldsterben in Deutschland zu bremsen.

Quote von fünf Prozent Naturwald verfehlt

Auch am Ziel, den Anteil wilder Wälder in Deutschland auf fünf Prozent zu erhöhen, ist die Bundesrepublik anscheinend gescheitert. Laut einer Studie des NABU wiesen im April 2019 nur 2,8 Prozent deutscher Wälder die Eigenschaft eines verwilderten Naturwaldes auf, also etwas mehr als die Hälfte der Fünf-Prozent-Vorgabe für 2020. Der Rest der Wälder, also etwa 97 Prozent, werden mehr oder weniger intensiv bewirtschaftet.

Deutscher Wald in schlechtem Zustand

Zusätzlich kommt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in seinem Waldzustandsbericht 2020 zu dem Schluss, dass sich die Vitalität des deutschen Waldes allgemein weiter verschlechtert. Indikator für den Zustand eines Baumes ist hier die sogenannte Kronenverlichtung, also um wie viel eine Baumkrone von einer voll belaubten bzw. benadelten Krone abweicht. Durch Faktoren wie Dürre und Schädlingsbefall verliert die Baumkrone Blattwerk und kann so als Indikator für den Stresszustand eines Baumes dienen.

Gerade bei den ohnehin schon von dem sich verändernden Klima gebeutelten Buchen und Fichten macht sich das deutlich. So stieg nach der Studie des BMEL der Anteil deutlicher Kronenverlichtungen bei den Buchen von 47 auf 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Fichten gestaltet sich die Zunahme von 36 auf 44 Prozent verhältnismäßig sogar noch dramatischer.

Waldsterben in Deutschland: Sägen am eigenen Ast

Geht es dem Wald schlecht und gibt es angesichts riesiger bewirtschafteter Flächen keine unberührten Rückzugsgebiete für die Natur, leiden darunter zunächst die Schwächsten, vornehmlich Insekten und hochspezialisierte Pflanzen. Uns Menschen ist das so lange egal, bis wir bemerken, dass es unser eigener Ast ist, an dem wir sägen.

Scheinbar unattraktive Spezies wie Wespen und Schimmelpilze dienen weder als Sympathieträger, noch haben sie eine Lobby. Dabei ignorieren wir die Tatsache, dass selbst das unscheinbarste Lebewesen in der Natur tragendes Teil eines komplizierten Kartenhauses ist, dessen Statik wir nicht verstanden haben und immer noch unermüdlich aushöhlen. Wenn wir nicht endlich entschiedener handeln und unsere Natur stärker in Schutz nehmen, werden wir Menschen ganz sicher zu den Arten gehören, die den Einsturz dieses Hauses bei lebendigem Leibe miterleben müssen.

Mehr zum Thema Artenvielfalt und Biodiversität erfahren Sie in der G+L “Pflanzen für Artenvielfalt”.

Warum das FSC-Siegel nicht immer positive Auswirkungen auf Waldwirtschaft hat, erfahren Sie hier.

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