05.06.2020

Porträt

Wasser in der Stadt von morgen


Von der wassersensiblen Stadt zur klimaresilienten Region

Als erster Wasserwirtschaftsverband Deutschlands organsierte vor 120 Jahren die Emschergenossenschaft den sicheren Abfluss – für die Abwässer in der Bergbauregion zwischen Duisburg und Dortmund. Ihr Auftrag des Wassermanagements hält bis heute an, die Herausforderungen aber sind andere. Stichwort: Klimawandel. Um diesem und seinen Folgen für die lokalen Gewässer begegnen zu können, gründete die Emschergenossenschaft gemeinsam mit den Kommunen der Region und dem Land Nordrhein-Westfalen 2014 die Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“. Juliane von Hagen stellt uns die Initiative hier vor.

Spätestens seit der IBA Emscher Park wissen viele, dass die Emscher eine zentrale Rolle im Ruhrgebiet spielt. Das Gewässersystem wurde beinahe über Nacht durch die rasante Industrialisierung nicht nur zum Rückgrat der Montanregion, sondern auch zum Sammelbecken aller Abwässer von Industrieunternehmen und Haushalten. Während andere Regionen Abwässerkanäle bauten, erlaubten die Bergsenkungen des Kohleabbaus das nicht. Also blieb nichts anderes, als alles in die Emscher zu leiten. Damit war das Gewässersystem schnell überfordert und ganze Stadtteile standen immer wieder unter Wasser.

Im Jahr 1899 begann die Emschergenossenschaft als Deutschlands erster Wasserwirtschaftsverband das regionale Problem zu lösen und organisierte den sicheren Abfluss. Inzwischen sind die Zeiten des Bergbaus lang vorbei und damit auch die, der Emscher als offener Abwassersammler. Ihr Umbau zu einem attraktiven Gewässer ist aber bis heute weiterhin in vollem Gange. Denn während man früher mit den Abwässern kämpfte, beschert heute der Klimawandel dem Wasser in der Stadt große Aufmerksamkeit. Stichwort: Regenwassermanagement. Und wieder versuchen die Emscherkommunen die damit verbundenen neuen Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Davon zeugt die Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“.

Bereits 2005 hatten zahlreiche Städte der Emscherregion die „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ unterzeichnet, in der sie sich verpflichteten in 15 Jahren 15 Prozent des Regenwassers von der Kanalisation abzukoppeln. Insbesondere Maßnahmen zur Versickerung, Rückhaltung oder gedrosselter Einleitung standen auf der Agenda. 2014 reichte der Fokus auf Regenwasser nicht mehr aus. Deswegen erweiterten die Emschergenossenschaft, die Kommunen der Region und das Land Nordrhein-Westfalen ihre Bemühungen und gründeten die Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“.

Die Initiative zielt darauf ab, wasserwirtschaftliche Maßnahmen mit solchen zur Klimaanpassung zu verknüpfen. Dank Unterstützung durch die Ruhrkonferenz kann die Zukunftsinitiative konkrete Projekte fördern, die dazu beitragen im gesamten Gebiet des Regionalverbandes Ruhr bis 2040 den Abfluss von Regenwasser in Mischsysteme um 25 Prozent zu reduzieren und die Verdunstungsrate um zehn Prozent zu erhöhen. Konkret planen sie verrohrte Gewässer zu reaktivieren, versiegelte Flächen zu entsiegeln und abzukoppeln, Fassaden und Dächern zu begrünen, attraktive Regenwasserversickerungsanlagen und multifunktionale Freiflächen zu bauen.

Schon kleine Maßnahmen bringen wichtige Veränderungen

„Vom Reden zum Handeln“, beschreibt Andreas Giga die Zielrichtung. Als Leiter der neu eingerichteten Service-Organisation der Zukunftsinitiative weiß er, dass es zwar unzählige Konzepte gibt, deren Umsetzung aber oft an der großen Zahl Beteiligter und daraus resultierender Interessenkonflikte scheitert. Und genau da setzt die Initiative an. Sie bringt Akteure aus unterschiedlichen Kommunen und Fachbereichen zusammen, fördert den Austausch über kommunale und disziplinäre Grenzen hinweg, vernetzt Experten und Entscheider, versucht alle für eine gemeinsame Vision zu begeistern: für eine klimaresiliente Region.

„Wir können auf Dauer nicht der alleinige Treiber für Maßnahmen und Projekte sein. Das wäre nicht zielführend. Wir können das nur zusammen schaffen“, erklärt Andreas Giga. Die Zukunftsinitiative will aufzeigen, dass alle von allen Bemühungen profitieren, dass wassersensible Städte eine große Lebensqualität haben. „Keiner will im Hochsommer in einer glutheißen Stadt sitzen. Unter einer schattigen Parkbank hingegen, vor der ein Wasserspiel plätschert, das von einer Zisterne gespeist wird, lässt es sich aushalten.“

Es sind also gar nicht immer große Projekte, die vonnöten sind. Oft sind es kleine Maßnahmen, die wichtige Veränderungen bringen. Und davon sind zahlreiche bereits in der Umsetzung. So werden in Herten zum Beispiel Umstrukturierungsmaßnahmen in der Innenstadt genutzt, um auch Raum für Grün und Wasser zu schaffen. In Bochum entstehen zahlreiche Rigolen, die Straßenbäume mit Wasser versorgen. Die Städte Oberhausen und Bottrop begrünen Dächer, unter anderem die von Bushalte-Wartehäuschen und Schulen. Die Liste könnte fortgeführt werden und wird in Zukunft wachsen. In ihren ersten Monaten hat die Service-Organisation der Zukunftsinitiative bereits 33 Förderanträge auf den Weg gebracht und wird allein in diesem Jahr vier Millionen Euro investieren.

Von der Initiative ist zu wenig bekannt

Bis die Zukunftsinitiative aber große Leuchtturm-Projekte präsentieren kann, wird es noch dauern. Und bis die Emscherregion wirklich eine „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“sein wird – wie das Projekt bei der Ruhrkonferenz offiziell heißt – werden ebenso noch einige Jahre ins Land gehen. Vielleicht bedarf es bis dahin auch einer besseren Zusammenarbeit aller. Denn wer heute auf die Webseite der Zukunftsinitiative stöbert, trifft zum Beispiel auf das Univiertel in Essen.

Ohne Frage ist das ein vorbildliches Projekt, in dem Wasser eine zentrale Rolle spielt. Nicht umsonst ist die Parkgestaltung von scape Landschaftsarchitekten aus Düsseldorf mehrfach, unter anderem mit dem Landschaftsarchitekturpreis des BDLA Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet worden. Aber hier ist es eher den innovativen und nachhaltig denkenden Planern zu verdanken, dass sie ein Wasserbecken mit ausgeklügelten Kreisläufen zum wichtigen, ökologisch relevanten Element ihrer Parkgestaltung machten. Das Produkt der Zukunftsinitiative ist das nicht direkt. Dafür liegen die Anfänge des Univiertels zu lange zurück. Sicher ist es aber ihrem Spirit und ihren Bemühungen zu verdanken, dass die Ideen von scape heute aufgegriffen werden: Knapp zehn Jahre nach Fertigstellung des Parks wird aktuell der Anschluss des Areals an das lokale Gewässersystem gebaut.

Initiative muss Menschen zusammenbringen

Künftig wird das überschüssige Regenwasser, was die Kapazitäten des Wasserkreislaufs im Park übersteigt, nicht mehr in den Mischwasserkanal fließen, sondern endlich in der Berne landen. Schade, dass von dieser Maßnahme so wenig zu hören ist. Vielleicht ist es aber auch nicht einfach, diese unsichtbaren Dinge sichtbar zu machen. Aber genau das wäre eine wichtige Aufgabe der Zukunftsinitiative: ihre Vision und ihre Maßnahmen publik zu machen.

Außerdem bleibt zu hoffen, dass die neue Initiative genug Kraft hat Menschen und Akteure über kommunale und disziplinäre Grenzen hinweg zusammen zu bringen. Denn nur gemeinsam kann das neue Mammutprojekt, die dringend notwendige Klimaanpassung in den Städtenzu meistern. Und nur gemeinsam kann an der Emscher wieder ein Projekt mit internationaler Strahlkraft entstehen.

Mehr zur Zukunftsinitiative unter: www.wasser-in-der-stadt.de

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