Der Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig ist eine große Brachfläche, wie sie heutzutage nur noch selten inmitten einer deutschen Großstadt vorkommt. Aber in den nächsten Jahren wird sich dies durch Neubauten und neu gestaltete Freiflächen ändern. Atelier Loidl aus Berlin hat den ersten Preis für den Freiflächenwettbewerb gewonnen und plant eine Klimakomfortinsel.
Am 8. März 2024 hat sich das Preisgericht unter dem Vorsitz von Professor Burkhard Wegener, Landschaftsarchitekt aus Köln, für den Entwurf von Atelier Loidl Berlin entschieden. Das Landschaftsarchitekturstudio hat den Freiflächenwettbewerb zur Neugestaltung des Leipziger Wilhelm-Leuschner-Platzes im Süden der Altstadt gewonnen. Derzeit besteht der Platz aus einer wenig attraktiven Brachfläche. Die Stadt hat bereits Pläne für Neubauten in der östlichen Hälfte des Areals. Und auch der laufende künstlerische Wettbewerb für das nationale Freiheits- und Einheitsdenkmal, das auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz entstehen soll, musste bei der Freiraumgestaltung berücksichtigt werden.
Damit all diese Angebote gut eingebunden sind, ist auch eine überzeugende freiraumplanerische Gestaltung gefragt. Diese wird vermutlich das Atelier Loidl übernehmen. Ihr Entwurf für eine grüne Klimakomfortinsel überzeugte in dem nichtoffenen, einphasigen Realisierungswettbewerb.
Ideen für den Umgang mit Regenwasser gefragt
Der Wettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren fand Anfang März 2024 in Leipzig statt. Schubert + Hort Architekten aus Dresden betreuten das Verfahren. Insgesamt gab es 23 Bewerbungen. Die folgenden Preise und Anerkennungen wurden vom Preisgericht vergeben:
- Preis:Atelier Loidl Landschaftsarchitekten (Berlin)
- Preis:Planorama Landschaftsarchitektur, Maik Böhmer (Berlin)
- Preis: Därr Landschaftsarchitekten (Halle an der Saale)
- Anerkennung:hoch C Landschaftsarchitekten (Berlin)
- Anerkennung: Lohaus Carl Köhlmos (Hannover)
Neben Professor Burkhard Wegener von club L94 Landschaftsarchitekten, dem Vorsitz, saßen auch der Leipziger Baubürgermeister Thomas Dienberg, die Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke sowie Vertreter*innen des Stadtrats in der Fachjury. Interessierte können alle Entwürfe aus dem Freiflächenwettbewerb seit dem 14. März 2024 im Leipziger Stadtbüro am Burgplatz 1 anschauen.
Seit 2023 steht der Bebauungsplan für den Wilhelm-Leuschner-Platz. Die Entwürfe aus dem Wettbewerb sollten die geplante Bebauung aufnehmen, aber darüber hinaus auch Aufenthaltsflächen, Bewegungsangebote und gestaltete Grünflächen sowie Ideen zum Umgang mit Regenwasser vorschlagen. Der Entwurf gibt außerdem den Rahmen für das neu entstehende Freiheits- und Einheitsdenkmal vor, dessen Wettbewerb im Oktober 2024 entschieden wird. Dabei soll ein*e Vertreter*in des Atelier Loidl in der Jury sitzen.
Amöbenförmige Grünbereiche und Denkmal-Insel
Atelier Loidl beschreibt den Entwurf für einen grüneren Platz wie folgt: „Als ein neuartiges städtisches Ökotop mit den Orten für Tiere, Pflanzen und Mensch stellt sich der künftige Wilhelm-Leuschner-Platz den klimatischen Veränderungen unserer Zukunft“. Die Jury lobte diese selbstbewusste Antwort auf aktuelle Herausforderungen. Unter dem Titel „Ökotopia“ schlagen die Landschaftsarchitekt*innen großzügige Spiel- und Sportmöglichkeiten, grüne Aufenthaltsräume und urbane Plätze für die Öffentlichkeit vor. Baumrigolen und überflutbare Mulden helfen beim Regenwassermanagement.
Der Entwurf bezieht sich auf 3,8 Hektar Fläche, die überplant werden sollen. Die Stadt Leipzig fragte nach einem grünen Platz, der als zukunftsweisende Klimakomfortinsel sowie als kommunales Pilotprojekt für klimaangepasstes Bauen dienen soll. Der Umgang mit Niederschlagswasser ist dabei besonders wichtig und sollte laut Ausschreibung „in erster Linie als Gestaltungselement betrachtet werden“.
Mit dem siegreichen Entwurf von Atelier Loidl hat ein Vorschlag für einen modernen, parkähnlichen Stadtraum mit Alleinstellungsmerkmalen gewonnen. Unter anderem war die Jury von dem hohen unversiegelten Anteil, der „landschaftlich locker verteilten Baumstruktur“ und dem intelligent integrierten Regenwassermanagement im Schwammstadt-Prinzip überzeugt. Die vorgeschlagene Struktur für den neuen Wilhelm-Leuschner-Platz besteht aus mehreren amöbenförmigen Grünbereichen und einer südwestlichen Insel, auf der sich möglicherweise das neue Denkmal befinden wird.
Wettbewerb für Freiheits- und Einheitsdenkmal folgt
Das Ziel der Stadt Leipzig besteht darin, weite Teile des Platzes zu entsiegeln. Die neuen Freiflächen sollen ökologisch wertvoller werden und eine hohe Aufenthaltsqualität anbieten. Zugleich waren im Wettbewerb Vorschläge für Klimaresilienz und variable Nutzbarkeit gefragt. Ein Bürgerbeteiligungsprozess zeigte, dass sich die Leipziger*innen mehr Grün wünschen. 52 Prozent stimmten für einen „bepflanzten, blumigen, kleinteiligen Ort“ als neue Gestaltung des Platzes.
Als Reaktion auf Stimmen aus der Bevölkerung wird der Leuschnerplatz künftig mehr Raum für Kinder bieten. Im Westen sollen ein Skatepark und ein großer Spielplatz entstehen. Auch wird der Raum vor der Stadtbibliothek autofrei und deutlich grüner. Bisher handelt es sich hier um eine Durchgangsstraße für den Kfz-Verkehr, die die Stadtbibliothek vom Platz abschneidet. Die Stadt hatte dies zu einer Bedingung beim Wettbewerb gemacht.
Für die Umsetzung steht ein Budget von 12 Millionen Euro netto für die Kostengruppen 500 zur Verfügung. Die nächsten Schritte für den Wilhelm-Leuschner-Platz werden sich nach der Wettbewerbsentscheidung um das Freiheits- und Einheitsdenkmal im Herbst 2024 klären.
Ausgleich des Baumverlustes im Westen des Wilhelm-Leuschner-Platzes
Als Nächstes wird die Stadt Leipzig gemeinsam mit dem Berliner Büro prüfen, ob die geplante Zwischenbegrünung umsetzbar ist. Diese würde aus einer etwa 2.000 Quadratmeter großen, temporären Bepflanzung des Wilhelm-Leuschner-Platzes bestehen. Das Ziel ist, schon ab Herbst 2024 erste Bäume und Sträucher im Norden des Citytunnel-Aufgangs zu pflanzen. Dies könnte im Einklang mit dem Siegerentwurf erfolgen. Außerdem wird diskutiert, wie genau der „Ökotopia“-Entwurf umgesetzt wird.
So wird der Wilhelm-Leuschner-Platz, der jahrelang einfach ein Parkplatz und in den 1990er Jahren sogar ein mehrstöckiges Parkhaus war, wieder ein Teil des lebendigen Leipziger Stadtzentrums. Dies folgt dem übergeordneten stadtentwicklungspolitischen Ziel, den städtischen Raum zwischen Zentrum und der Südvorstadt gestalterisch aufzuwerten und die bebauten Gebiete besser miteinander zu vernetzen. Dafür hat die große Brachfläche des Platzes eine strategische Bedeutung. Neben den geplanten Wohnungen, wissenschaftlichen und städtischen Einrichtungen, Büros und Einzelhandel wird die Grünfläche den Platz aufwerten. Zudem gleicht sie den massiven Baumverlust an der Westseite des Wilhelm-Leuschner-Platzes aus, der durch die Bebauung entsteht.
Übrigens: In Leipzig tut sich viel. Unter anderem probiert sich die Stadt an Superblocks, die bereits in Barcelona gut funktionieren.