27.12.2021

Aktuelles

Radverkehr und Verkehrswende

Ruhende Fahrräder stehen auf einem Stadtplatz.

Das Fahrrad ist schon jetzt bei vielen Städter*innen ein beliebtes Verkehrsmittel. Foto: Philipp Böhme

Eine neue Veröffentlichung des Deutschen Institut für Urbanistik besagt, dass die Zeit für den Radverkehr nie so günstig war wie jetzt. Was für das Gelingen einer erfolgreichen Verkehrswende laut Difu notwendig ist, lesen Sie hier.

Ruhende Fahrräder stehen auf einem Stadtplatz.
Die Zeit für den Radverkehr war laut Difu noch nie so günstig wie jetzt. Foto: Martin Randelhoff

Radverkehr in ungeahnter Zahl

Die Veröffentlichung „Radwege und Verkehrswende. Eine Geschichte von Gegenwind und Rückenwind“ des Deutschen Instituts für Urbanistik blickt auf den Radverkehr – von der Vergangenheit bis heute. Sie zeigt das verkehrspolitische Potenzial des Radverkehrs auf. Darüber hinaus skizziert die Publikation, was für das Gelingen einer erfolgreichen Verkehrswende notwendig ist.

Die Pandemie und vor allem die dazugehörigen Lockdowns haben die Menschen verändert. Sie haben neue Gewohnheiten entwickelt, mit denen sie sich durch ihr Quartier, ihre Stadt oder ihre Umgebung bewegen. Infolgedessen waren plötzlich so viele Fußgänger*innen zu sehen wie selten. Auch tauchten Fahrräder in ungeahnter Zahl auf. Das Radfahren war vor allem deshalb so attraktiv, weil der Lockdown den Autoverkehr reduziert hatte. In einigen Städten entstanden Pop-Up-Radwege. Vielerorts waren die temporär gedacht, aber sind heute nicht mehr wegzudenken. Der Fahrradhype zeigt sich mittlerweile in vielen Städten in der ganzen Welt. 

Engstellen trotz Fahrradhype

Obwohl die Zeichen auf Radwege und Verkehrswende stehen, geht es nur langsam voran. Viele Kommunen haben noch keine umsetzbaren Projekte. Oder es fehlt ihnen das Personal oder die notwendigen Eigenmitteln. Darüber hinaus blockieren nicht selten das Straßenverkehrsrecht oder andere Normen Veränderungen. Der Vorrang für den Autoverkehr ist oftmals große Bremse für den notwendigen Wandel. Darauf verweist auch der Titel der neuen Veröffentlichung beim Deutschen Institut für Urbanistik. Mit „Radverkehr und Verkehrswende. Eine Geschichte von Gegenwind und Rückenwind“ wird das Dilemma bereits im Titel angerissen. Die Publikation lenkt den Blick auf die aktuelle Straßenverkehrsordnung und macht deutlich, wie der starke Fokus auf das Auto zustande kam. Sie zeigt aber auch auf, dass die Zeichen für Radverkehr und Verkehrswende derzeit gut stehen.

Das Fahrrad ist schon jetzt bei vielen Städter*innen ein beliebtes Verkehrsmittel. Foto: Philipp Böhme

Fahrrad für alle

Mit dem Auto verbinden zwar viele Menschen Wohlstand und Mobilität. Aber die enorme Zunahme der Automobilität begrenzt zunehmend unseren Lebensraum und unsere Gesundheit. Autos sind in vielen urbanen Gefügen zum Störfaktor geworden. Das war nicht immer so. Als das Fahrrad um 1900 erschwinglich wurde, wurden Fahrräder bald zum Massenverkehrsmittel. Der Radverkehr bekam ersten Rückenwind. Das Fahren mit Straßenbahnen war hingegen teuer. Und an eine massenhafte Verbreitung privater Autos war zunächst kaum zu denken. Das kam erst nach dem zweiten Weltkrieg. Die ersten und frühen Radwege entstanden auf und am Rand von Fahrbahnen. Damit konnten Radfahrer*innen neben den von Pferden und Fuhrwerken beschmutzten Chausseen fahren. Erst später wanderten die Radwege in den Seitenraum, nicht selten abgetrennt durch ein Hochbord.

In den 1930er-Jahren kam erster Gegenwind auf. In der NS-Zeit avancierten Kraftwagen zum nationalen Fortschrittssymbol. Hitler verkündete einen großen Straßenbauplan. Von da an, ging es bei der Straßenplanung primär darum, störende Fahrräder aus dem Weg zu bekommen. Dem Fluss des Autoverkehrs galt höchste Priorität. Mit einer Reichsstraßen-Verkehrsordnung aus dem Jahr 1934 wurden Radfahrer*innen regelrecht an der Rand gedrängt. Zudem mussten sie einzeln hintereinander fahren. Die Länder und Provinzen hielt man an, Radwege zu bauen, um störenden Fahrräder von der Straße zu bekommen. Dafür aber war die Zeit bis zum zweiten Weltkrieg zu kurz.

Verkehrswende startete ab 1973

In den Jahren nach dem Krieg vervielfachte sich die Anzahl der Autos. Gleichzeitig fiel der Radverkehr auf ein historisch niedriges Niveau. Viele Radwege verwahrlosten und wurden abgebaut oder umgenutzt. Entlang von Bundesstraßen entstanden nur Radwege, um den Verkehr zu entflechten und den Fluss des Autoverkehrs zu erleichtern. Eine erste Verkehrswende kam in den 1970er-Jahren. Nachdem der Club of Rome 1972 vor den Grenzen des Wachstums gewarnt hatte und die Ölkrise 1973 Fahrverbote an Sonntagen verhängte, kam es zu einer Art Wende. Die moderne Umweltbewegung entstand und brachte ein Umdenken. 

Rückkehr des Radverkehrs 

So kam langsam das Fahrrad auch wieder auf die verkehrspolitische Agenda. 1983 erschien das erste Programm zur Umweltentlastung durch Fahrradverkehrs. Darüber hinaus gediehen Forschungsinitiativen für  Modellvorhaben Fahrradfreundliche Stadt. Ein Konzept für die Verkehrswende entstand nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio im Jahr 1992. In der Folge gab es verschiedene Beschlüsse, die Einfluss auf den Radverkehr hatten. Im Jahr 1997 entstand sogar eine Fahrradnovelle der Straßenverkehrsordnung. In den Jahren 2002, 2012 und 2021 beschloss die Bundesregierung jeweils einen Nationalen Radverkehrsplan. 

Der Superkilen in Kopenhagen ist eine interessante Freizeitfläche, die auch als Radweg funktioniert. Foto: Darth Liu / unsplash

Es hakt in den Kommunen 

Der erneute Rückenwind für Radwege und Verkehrswende initiierte verschiedene Förderprogramme. Seit 2013 fördert auch das Bundesumweltministerium kommunale Radverkehrsinvestitionen. Seit 2018 unterstützt der Bund den Bau von Radschnellwegen. Und dank des Handlungsdrucks im Klimaschutz verfügt das Bundesverkehrsministerium derzeit über 1,4 Milliarden Euro in verschiedenen Förderprogrammen. Aber auch innovative Techniken, elektrounterstützte Fahrräder und fahrradbasierte Logistik- und Lieferdienste gewinnen an Bedeutung und erobern den Markt und das Straßenbild.

Trotz positiver Entwicklungen kommen Radverkehr und Verkehrswende nicht zügig weiter. In vielen Kommunen fehlt es laut des Difu an umsetzbaren Projekten oder am Willen. Denn das Straßenverkehrsrecht und andere Normen erschweren noch immer Veränderungen. Jeder Wandel, der die Bequemlichkeit des Autoverkehrs beeinträchtigen oder Parkplätze kosten könnte, hat es schwer. Darüber hinaus fehlt es in Kommunen an Personal, um Fördermittel zu beantragen, Investitionen in Radwege zu planen und umzusetzen. Vielerorts reichen auch die kommunalen Finanzen nicht, um notwendige Eigenmitteln aufzubringen. 

Dennoch fand der langjährige Leiter des Forschungsbereichs Mobilität am Deutschen Institut für Urbanistik die Zeit noch nie so günstig für Radverkehr wie momentan. Neben einem großen Handlungsdruck gibt es einen Wertewandel und zahlreiche Innovationen. Immer mehr Beschlüsse und Konzepte unterstützen den Radverkehr. Dazu gibt so viele Fördergelder wie nie. Das gibt Anlass, an Radverkehr und Verkehrswende weiter zu glauben und ihre Umsetzung voran zu treiben.

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