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Der Gelsenkirchener Heinrich-König-Platz war lange vor allem eines: ein überdimensionierter U-Bahnzugang aus den 1980er-Jahren. Nach der Umgestaltung des Platzes wurde aus dem „Loch“ ein attraktiver Stadtraum. Wie Landschaftsarchitekt Stefan Bernard das Projekt ein Jahrzehnt später einschätzt, lesen Sie hier.


Raum für das bürgerliche Leben

Triste Plätze, überdimensionierte Straße und wenig attraktive U-Bahn-Eingänge sind Bausünden aus der Vergangenheit, die noch heute in vielen deutschen Städten zu finden sind. Der Strukturwandel, verbunden mit dem Verlust an Arbeitsplätzen, der kontinuierliche Bevölkerungsrückgang, gefolgt von Wohnungsleerständen und abnehmender Kaufkraft, führten auch in der Gelsenkirchener Innenstadt zu einem allgemeinen Verlust an Attraktivität und Qualität, besonders im öffentlichen Raum.

2009 schrieb die Stadt Gelsenkirchen einen europaweiten freiraumplanerischen Wettbewerb aus, um den Heinrich-König-Platz umzugestalten. Die Berliner Landschaftsarchitekten Bernard und Sattler konnten die Jury überzeugen und wurden mit der Planung der Platzgestaltung beauftragt. Auf Basis von Machbarkeitsstudien und Einbeziehung der Öffentlichkeit entwickelten sie das Gestaltungskonzept für den Platz, der „Neue Heinrich“ feierte 2017 seine feierliche Einweihung.

Seitdem hat sich der Platz von einem reinen U-Bahn-Zugang zu einem offenen, attraktiven Stadtraum mitten in der Gelsenkirchener City gewandelt. Mit warmgrauem Pflaster, dem schattigen Georgshain und viel Platz für Feste ist nun wieder ein Ort für das bürgerliche Leben entstanden. Bewegung und Ruhebereiche haben hier jeweils ihren Raum, und die beiden imposanten Kirchen sind seit der Neugestaltung wieder prägnant in den Fokus gerückt.

Insgesamt betrug die Bauzeit vier Jahre – und das nach einer zehnjährigen Baustelle am Hans-Sachs-Haus. Das Land Nordrhein-Westfalen trug 8 Millionen Euro der Baukosten, während die Stadt Gelsenkirchen für den Rest der insgesamt 10 Millionen Euro Baukosten aufkam.

Bei der Einweihung des Platzes im Jahr 2017 zeigte sich direkt, dass der Heinrich-König-Platz viel Raum für Feste und bürgerliches Leben bietet. Bildquelle: Hartwig Heuermann
Bei der Einweihung des Platzes im Jahr 2017 zeigte sich direkt, dass der Heinrich-König-Platz viel Raum für Feste und bürgerliches Leben bietet. Bildquelle: Hartwig Heuermann

Historische Mitte wiederhergestellt

Ursprünglich war der Heinrich-König-Platz ein ebenerdiger, lebendiger Platz. Mit dem Bau der unterirdischen Stadtbahn in den 1980er Jahren wurde er zu einem überdimensionierten, verwinkelten U-Bahn-Eingang mit Terrassen. Er war unattraktiv und galt aufgrund seiner schlecht einsehbaren Bereiche sogar als innerstädtischer Angstraum. Um den Stadtumbau in Gelsenkirchen voranzutreiben, entschied die Stadt, dem Platz seine verloren gegangene Attraktivität und zentrale Funktion zurückzugeben.

Die bauliche Umsetzung erfolgte in fünf Bauabschnitten zwischen 2013 und 2017. Dies begann mit dem Überbau des Trogs, der zur Stadtbahn führt. Statt dem „Loch“ entstand ein neuer Zugang zur Bahnhaltestelle per Treppe. Der Zugang mit Rolltreppe erhielt eine öffentliche Toilette sowie zwei neue Fahrstühle direkt zur Fahrebene der U-Bahn. Anschließend erfolgte die Oberflächengestaltung des Platzes, der nun großzügig und barrierefrei ist. Seine ruhige Mitte dient als offener Bewegungsraum und Fläche für kulturelle Nutzung.

Neue Aufenthalts- und Sitzmöglichkeiten wie der Georgshain aus hellen Gleditschien laden zum Verweilen ein. Dort hat auch das Denkmal für den Namensgeber des Platzes einen neuen Standort gefunden: Heinrich König war ein Gelsenkirchener Priester, der sich dem Nationalsozialismus widersetzte und im KZ Dachau ums Leben kam. Mit einem Wasserspiel für Familien, neuen Lichtstelen und einer sicheren Atmosphäre gewann Gelsenkirchen durch die Umgestaltung des Heinrich-König-Platzes ihre historische Mitte zurück.

Der Georgshain stellt die ruhige Mitte des Heinrich-König-Platzes dar, der inzwischen, sieben Jahre nach seiner Einweihung, fester Bestandteil der Gelsenkirchener Stadtmitte ist. Bildquelle: Christo Libuda (Lichtschwärmer)
Der Georgshain stellt die ruhige Mitte des Heinrich-König-Platzes dar, der inzwischen, sieben Jahre nach seiner Einweihung, fester Bestandteil der Gelsenkirchener Stadtmitte ist. Bildquelle: Christo Libuda (Lichtschwärmer)

Beton mit Natursteinpflaster als Bordüre

Mit der Oberflächengestaltung des Heinrich-König-Platzes wurde eine neue, belebte urbane Mitte geschaffen. Dies war erforderlich, da der Stadt Gelsenkirchen ein solcher sozialer Raum für die Stadtgemeinschaft fehlte. Aufgrund der großzügigen Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen war das Interesse an Baumaßnahmen groß. Bürgerbeteiligungsprozesse zeigten, dass eine weitere Baustelle zwar skeptisch gesehen, aber auch als notwendig akzeptiert wurde.

Wie es auch heute oft der Fall ist, mussten die Landschaftsarchitekt*innen zudem die Autolobby überzeugen, da durch den Umbau einige Stellplätze wegfielen. Indem diese vor dem Ärztehaus am Platz drei Kurzzeitparkplätze einrichteten und den Zugang zur U-Bahn vereinfachten, konnten sie mit dem Gesamtkonzept überzeugen.

Der Platz hat einen sachlichen Charakter mit einer Oberfläche aus Schiffsverband. Dieser Kunststein wurde nicht zuletzt deshalb gewählt, um eine optische Verbindung zur benachbarten Ebertstraße herstellen. An den Randbereichen kam Natursteinpflaster zum Einsatz. Dazu erklärt Stefan Bernard: „In den ersten Konzepten hatten wir noch gehofft, den gesamten Platz mit Natursteinplatten gestalten zu dürfen. Dies hätte jedoch – zumal, wenn man auf lokale Steine gegangen wäre – das Budget gesprengt.  Die ausgewählten Betonsteine wurden in der Folge intensiv mit allen Beteiligten bemustert und haben sich schlussendlich bewährt. Darüber hinaus kommen diese aus regionaler Produktion. Das kleinteiligere Natursteinpflaster entlang der Fassaden ist eine Art Bordüre des Platzes und ist zumal im Nahbereich der beiden denkmalgeschützten Kirchen auch richtig gewählt.“

Die Gestaltung des Platzes rückt die beiden Kirchen in den Fokus und arbeitet mit Betonsteinen aus der Region. Bildquelle: Hartwig Heuermann
Die Gestaltung des Platzes rückt die beiden Kirchen in den Fokus und arbeitet mit Betonsteinen aus der Region. Bildquelle: Hartwig Heuermann

Ein Platz für Menschen und ihre Feste

Die Umgestaltung des Heinrich-König-Platzes hatte das Ziel, einen Identifikationsort für die Stadt Gelsenkirchen zu bieten. Als Scharnier zwischen Ebert- und Bahnhofstraße sollte der Heinrich-König-Platz eine zentrale Funktion übernehmen. Nun, zehn Jahre später, erklärt Landschaftsarchitekt Stefan Bernard (heute bei studio polymorph, LandschaftsarchitektenBernard & Waszczuk PartGmbB), wie sich dies entwickelt hat: „Die Neugestaltung des Heinrich-König-Platzes ist zweifelsohne ein Gewinn für die Stadt Gelsenkirchen, die gesteckten Ziele scheinen erreicht. Im Alltag wird der Platz wunderbar von den Anwohner*innen angenommen und bespielt. Und durch seine robuste Gestaltung hält er auch den vielen Großveranstaltungen mit teilweise hunderten von Gästen gut stand.“

Ein Blick in die Planungsunterlagen des Heinrich-König-Platzes zeigt, dass vor etwa zehn Jahren andere Themen im Vordergrund standen, als das heute der Fall wäre – Barrierefreiheit statt Klimawandel. Dazu sagt Stefan Bernard: „Zeiten und Ansprüche ändern sich. Landschaftsarchitektonisches Entwerfen, so wie wir als studio polymorph es verstehen, sucht nach der bestmöglichen Lösung innerhalb gegebener Ansprüche und Ziele. Gewünscht war ein städtischer, robuster Platz, Kernprämissen waren die Verbesserung der Sicherheit, der Orientierung sowie das Konzept von Design for all. All dem wird unser Entwurf gerecht, wir erhalten – nicht zuletzt aus Gelsenkichen – viele positive Rückmeldungen.“

Übrigens: Ein weiteres Projekt vom studio polymorph finden Sie hier.

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