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In Stuttgart-Bad Cannstatt gestalteten die Planer*innen von Latz+Partner LandschaftsArchitektur Stadtplanung die Freianlagen der sanierten und erweiterten Eichendorffschule neu. Wie die Bauarbeiten bei laufendem Schulbetrieb durchgeführt wurden, in welche Bereiche sich der Schulhof nun gliedert und wie Multicodierung zu mehr Nutzbarkeit und Aufenthaltsqualität beitragen, schildern die Planer*innen selbst in ihrer Projektvorstellung.


„miteinander leben lernen“

Die Eichendorffschule wurde in den 50er-Jahren als Volksschule mit Turnhalle erbaut, später als reine Grundschule geführt und in den Jahren 1992/93 zu einer Grund- und Hauptschule umgewandelt. Der gestiegene Raumbedarf konnte bereits damals mit den bestehenden Gebäuden am eigenen Standort nicht mehr gedeckt werden, sodass die Räumlichkeiten des nahegelegenen Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums mitgenutzt werden mussten.

Mit Einführung des Ganztagsbetriebes und der Weiterentwicklung des Schulstandortes zu einer vierzügigen Grundschule mit zweizügiger Gemeinschaftsschule ergab sich ein zusätzlicher Bedarf an Ganztagsräumen, Mensa und einem erweiterten Sportangebot. Die Schulanlage mit Klassenzimmer-Pavillons entsprach dabei nicht mehr den zeitgemäßen Anforderungen in räumlicher, technischer und vor allem in pädagogischer Hinsicht.

Zielsetzung war, am etablierten Schulstandort inmitten eines gewachsenen Wohngebiets eine Gemeinschaftsschule als Modellstandort für Inklusion und Ganztagsbetreuung zu schaffen.

Die Stadt Stuttgart ermöglichte der Schulgemeinde der Eichendorffschule, ihr pädagogisches Konzept vom „miteinander leben lernen“ mit dem Raum als dritten Pädagogen neu zu denken und zu planen. Hierfür wurde ein Bauteam gegründet, das sich aus Eltern, Lehrkräften und der Schulleitung der Eichendorffschule zusammensetzte. Für die Freianlagen wurde darüber hinaus auch die Schülerschaft mit eingebunden.

Durch den Umbau und die Erweiterung der Bestandsgebäude ergaben sich zwei Schulhofbereiche auf dem beengten Grundstück der Eichendorffschule. Plan: © Latz+Partner
Durch den Umbau und die Erweiterung der Bestandsgebäude ergaben sich zwei Schulhofbereiche auf dem beengten Grundstück der Eichendorffschule. Plan: © Latz+Partner

Pädagogisches Konzept

Die Gestaltung von Lernorten zwischen Schulgebäuden und Freianlagen ist im Wandel. Schulen entwickeln sich von reinen Lernorten zu lebendigen Häusern und multicodierten Freianlagen, die viel Raum für eine vielfältige Pädagogik bieten. Die Verantwortlichen für Schule und Bau in Stuttgart haben diesen Wandel frühzeitig erkannt und die Planung der Grund- und Gemeinschaftsschule Eichendorff entsprechend angepasst.

Das Lernen erfolgt nicht mehr für alle Schüler*innen nach einem festen Plan, sondern es wird zunehmend darauf geachtet, die individuellen Entwicklungsprozesse jedes Kindes zu erkennen und gezielt zu fördern. Der Unterricht ist nicht mehr frontal ausgerichtet, sondern basiert auf selbstständigem Lernen im Innen- und Außenraum, gegenseitiger Unterstützung während des teilweise langen Schultages und kooperativer Projektarbeit, die den Alltag der Schüler*innen prägen. Zusätzlich spielt Inklusion und der digitale Wandel eine zentrale Rolle im Schulalltag. Gerade deshalb ist es wichtig, Innen- und Außenräume zusammenzudenken, sie ineinanderfließen zu lassen und Rückzugsorte für Pausen, Bewegung und Entspannung zu schaffen.

Die klassische Schularchitektur mit langen Fluren ist überholt. Der Lernraum muss neu gedacht werden. Es reicht nicht aus, einfach nur mehr Räume hinzuzufügen – es werden innovative und wirtschaftlich umsetzbare Lösungen gebraucht. Die Klassenzimmer bleiben als zentrale Lern- und Rückzugsräume erhalten, können aber durch die Kombination mit anderen Flächen und Raumeinheiten mehr Möglichkeiten für differenzierten Unterricht bieten. Schulhofsflächen ergänzen dieses Angebot und sollten unterschiedliche Räume mit multicodierten Elementen anbieten, um alle Altersgruppen der Schülerschaft anzusprechen.

Die Freianlagen, wie auch das Schulgebäude werden durch flexible, ganztägig nutzbare Einheiten bestimmt, die auf Veränderungen in der Pädagogik reagieren können.
Die EDSS-Zugänge zu den einzelnen Außen- und Innenräumen wurden neu konzipiert und in den Lernalltag integriert. Auch der Brandschutz wurde nicht als Hindernis gesehen, sondern neu interpretiert. Gerade bei Schulen wie der EDSS ist es wichtig, dass Orte entstehen, die allen Nutzer*innen der Schule ein Gefühl von Gemeinschaft und Zuhause vermitteln. Das Ganztagskonzept geht weit über den reinen Lernraum hinaus. Kommunikation, Rückzugsmöglichkeiten, Bewegung und Ruhe sind wesentliche Bestandteile des Tagesablaufs und brauchen entsprechenden Freiraum.

Dass das Konzept der Eichendorffschule gemeinsam mit den Verantwortlichen aus Verwaltung, Pädagogik und Planung entwickelt wurde, zeigt den Willen zur Veränderung in der Schulgestaltung und setzt ein beispielhaftes Zeichen für die Schullandschaft in Deutschland.

Die neu gestalteten Freianlagen der Eichendorffschule bieten vielfältige Nutzungsmöglichkeiten auf dem Dach und in den Schulhöfen sowie in den Spiel-, Sport- und Zwischenräumen an. Foto: © David Matthiessen Fotografie
Die neu gestalteten Freianlagen der Eichendorffschule bieten vielfältige Nutzungsmöglichkeiten auf dem Dach und in den Schulhöfen sowie in den Spiel-, Sport- und Zwischenräumen an. Foto: © David Matthiessen Fotografie

Bauabwicklung im laufenden Schulbetrieb

Schwierige Rahmenbedingungen für die Baudurchführung des Neu- und Umbaus und für die Außenanlagengestaltung waren die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs und das sehr beengte Grundstück mit einer ungünstigen Erschließung.

Im 1. Bauabschnitt wurde nach Rückbau der Turnhalle inmitten des verbliebenen Gebäudeensembles der kompakt organisierte Clusterneubau mit Großteil der Klassen, den Fachunterrichtsräumen und der Aula mit Mensa erstellt.

Im 2. Bauabschnitt wurde die Schule um eine neue Zweifeld-Turnhalle ergänzt, die sich im Westen an den Neubau anschließt. Der vorgelagerte, direkt angebundene zweigeschossige Fachklassenbau wurde kernsaniert und als neuer Verwaltungs- und Lehrkräftebereich umgebaut. Im Osten wurden die letzten noch erforderlichen Unterrichtsräume als eingeschossiger Cluster mit Dachterrasse angebaut.

An der Eichendorffschule fließen Innen- und Außenräume ineinander und es sich Rückzugsorte für Pausen, Bewegung und Entspannung entstanden. Foto: © David Matthiessen Fotografie
An der Eichendorffschule fließen Innen- und Außenräume ineinander und es sich Rückzugsorte für Pausen, Bewegung und Entspannung entstanden. Foto: © David Matthiessen Fotografie
An der Eichendorffschule fließen Innen- und Außenräume ineinander und es sich Rückzugsorte für Pausen, Bewegung und Entspannung entstanden. Foto: © David Matthiessen Fotografie
Foto: © David Matthiessen Fotografie
An der Eichendorffschule fließen Innen- und Außenräume ineinander und es sich Rückzugsorte für Pausen, Bewegung und Entspannung entstanden. Foto: © David Matthiessen Fotografie
Foto: © David Matthiessen Fotografie

Freianlagen zu Neubau und Sanierung im laufenden Betrieb

Mit dem Umbau des Bestandes ergeben sich zwei Schulhofbereiche. Westlich der Turnhalle befindet sich ein kleiner Allwetterplatz mit tribünenartigen Sitzstufen. Er dient als Ergänzungsangebot in den Pausen und kann gleichzeitig in den Schulsport mit einbezogen werden.

Ausgehend von der Überlegung, einen überdachten Pausenhofbereich zu bieten, wird am südwestlichen Zugang eine Pergola gestaltet. Diese erhöht die Aufenthaltsqualität deutlich, bietet Regen- und Hitzeschutz und trägt somit zur ganzjährigen Nutzbarkeit des Freiraums bei. Unter Ausnutzung des vorhandenen Höhensprungs schiebt sie sich bastionsartig aus dem Gelände. Durch den innovativen Umgang mit Topografie werden durch die neue Bastion zusätzliche Flächen gewonnen und der Schulhof erweitert.

Multicodierung und multifunktionale Nutzungen ermöglichen platzsparende Lösungen und tragen zur Nutzbarkeit und Aufenthaltsqualität im Freiraum bei: Die Stützmauer an der Sportfläche im Norden fungiert gleichzeitig als Boulderwand. Eine in die Stützmauer der Bastion integrierte Einhausung bietet Platz für Müllcontainer und Geräte.

Bauminseln spenden Schatten und eignen sich zum Aufenthalt an heißen Sommertagen. Zusätzlich entstehen mehrere Spielbereiche, Elemente wie zum Beispiel Klettergeräte, Tischtennisplatten und Kleinspielfeld als Rückzugsraum ergänzen das Angebot.

Nach Norden schließt eine Lärmschutzwand das Schulgelände ab, die sich in unmittelbarer Nähe am Geländeeinschnitt der Schienentrasse der DB befindet. Das Gelände fügt sich durch den sensiblen Umgang mit dem Bestand und unter größtmöglichem Baumerhalt wie selbstverständlich in die bestehenden Strukturen von umliegender Wohnbebauung und Kirchenbauten am Südhang ein.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die neuen EDSS-Freianlagen vielfältige Nutzungsmöglichkeiten vom Dach, über die Schulhöfe, in den Spiel-, Sport-, Zwischenräumen und dem Schulgarten anbieten, die identitätsstiftend wirken – auch aufgrund der Tatsache, dass Teile des Gebäudebestands recycelt und integriert werden konnten.

Am südwestlichen Zugang zur Schulanlage entstand mit einer Pergola ein überdachter Pausenhofbereich. Dabei wurde ein vorhandener Höhensprung in der Topografie genutzt. Foto: © Latz+Partner
Am südwestlichen Zugang zur Schulanlage entstand mit einer Pergola ein überdachter Pausenhofbereich. Dabei wurde ein vorhandener Höhensprung in der Topografie genutzt. Foto: © Latz+Partner
Am südwestlichen Zugang zur Schulanlage entstand mit einer Pergola ein überdachter Pausenhofbereich. Dabei wurde ein vorhandener Höhensprung in der Topografie genutzt. Foto: © Latz+Partner
Foto: © Latz+Partner
Am südwestlichen Zugang zur Schulanlage entstand mit einer Pergola ein überdachter Pausenhofbereich. Dabei wurde ein vorhandener Höhensprung in der Topografie genutzt. Foto: © Latz+Partner
Foto: © Latz+Partner

Projektinfos

Bauherr: Landeshauptstadt Stuttgart, Garten-, Friedhofs- und Forstamt

Freianlagen:
Konzeption: Latz+Partner LandschaftsArchitektur Stadtplanung PmbB, Kranzberg
Prof. Tilman Latz und Iris Dupper
Projektleitung: Burkhard Krüpe, Iris Dupper
Stellvertretende Projektleitung: Roland Jakob, Projektmitarbeit: Doyoung Ahn
mit NU Stefan Huber Landschaftsarchitektur München (LPH 6-9)

Planung seit 2014, Realisierung bis 2025
Fläche: ca. 7.500 m2

Architektur:
Planungsgemeinschaft Eichendorffschule
Hausmann Architektur GmbH, Aachen/Köln (LPH 1 bis 4 und Leitdetails)
mit Werkgemeinschaft HHK Plan GmbH, Stuttgart (LPH 5 bis 9)


Büroprofil

Iris Dupper, Landschaftsarchitektin, ist Partnerin und Geschäftsführerin von Latz+Partner. Zuvor hatte sie Studios Îlot für Landschaftsarchitektur, München, gegründet. 2006 war sie die erste Rompreis-Stipendiatin der Villa Massimo für Landschaftsarchitektur.

Tilman Latz, Landschaftsarchitekt, Architekt und Stadtplaner, ist seit 2011 Inhaber und Chefdesigner von Latz+Partner. Seit 2022 hat er die Professur für Planen und Entwerfen in der Landschaftsarchitektur an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf inne.

 

Die Märzausgabe der G+L widmet sich dem Thema Schulen: Wie ein Schulhof im Jahr 2025 aussehen sollte, was sich Schüler*innen und Leher*innen wünschen und wie es an Deutschlands Schulen um digitale Bildung bestellt ist, erfahren Sie in den Projektvorstellungen, Interviews und Kommentaren der Märzausgabe. Das Heft ist hier im Shop erhältlich.

Ergänzend zum Heft gibt es auf der Webseite der G+L hier weitere Schulhofprojekte zu entdecken.

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