25.02.2021

Projekt

„Die IBA Basel ist eine IBA der Prozessqualität“

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Als IBA im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz ist die IBA Basel 2020 die erste buchstäblich Internationale Bauausstellung. Mit ihrer Hilfe sind auf politischer, institutioneller, raumplanerischer und kultureller Ebene neue, grenzüberschreitende Verbindungen entstanden, die den Metropolitanraum Basel noch näher zusammengebracht haben. Ihr Weg war nicht immer einfach, ein Abenteuer für alle Beteiligten. Warum hat es sich dennoch gelohnt? Das haben wir in vier Gesprächen ausgewählte, langjährige IBA-Wegbegleiter gefragt. Darunter auch Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister von Basel-Stadt.

Beat Aeberhard ist seit 2015 Kantonsbaumeister von Basel-Stadt. (Foto: Kostas Mars)

“Die IBA hat Vorbildcharakter für andere Stadtregionen Europas.”

Beat Aeberhard, im Jahr 2008 veröffentlichte der Trinationale Eurodistrict Basel (TEB) gemeinsam mit dem Baudepartement des Kantons Basel-Stadt den ersten Memorandumsentwurf zur IBA Basel 2020 und läutete somit diese IBA ein. Welchen Herausforderungen stellte sich die Region Basel in der damaligen Zeit?

Räumlich stellten sich damals keine wesentlich anderen Herausforderungen als heute, vielleicht mit Ausnahme der Tatsache, dass Basel damals über kein nennenswertes räumliches Entwicklungspotenzial verfügte. Das hat sich grundlegend geändert, Basel besitzt heute bedeutende Entwicklungsflächen auf ehemaligen Industrie- und Infrastrukturflächen, die für neue Nutzungen zur Verfügung stehen. An der trinationalen Grenze liefen bereits damals beachtliche Planungen wie die Nordtangente oder der Novartis-Campus.

Auch wurden – unter anderem durch das ETH-Studio Basel – etliche Studien zur räumlichen Entwicklung der Agglomeration erarbeitet. Das Potenzial einer grenzüberschreitenden Stadt hatte bereits die Studie „Eine Stadt in Werden?“ von Jacques Herzog und Pierre de Meuron zusammen mit Rémy Zaugg von 1991 dargelegt. Mit anderen Worten, spätestens anfangs der Nullerjahre wurde es offensichtlich, dass sich die Probleme nicht mehr länger entlang der Grenze lösen ließen, sondern dass es nun an der Zeit wäre, gemeinsam im Geist ein neues großes Projekt anzugehen. Da fiel die Lancierung einer grenzüberschreitenden IBA auf fruchtbaren Boden.

In der Agglomeration gab es zum Zeitpunkt 2008 bereits viele andere Institutionen, die an den Themen der Grenzüberschreitung arbeiteten. Warum entschied sich die trinationale Politik im Zuge der Aufstellung der IBA für noch eine weitere, neue Institution?

Wohl in kaum einer anderen Grenzregion existieren so viele Gremien, Institutionen und enge Verflechtungen wie im Raum Basel. Das betrifft auch die politische Ebene. Mit dem Format der IBA wurde bewusst eine akademische Herangehensweise gewählt, um eine Ergänzung zum politischen-bürgernahen Ansatz der Eurodistrikte zu schaffen. Der Fokus auf die projektbezogene, städtebauliche und stadtplanerische Entwicklung ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Instruments IBA.

Stichwort Abenteuer: Inwiefern war bzw. ist die IBA Basel 2020 ein Abenteuer?

Eine grenzüberschreitende IBA ist sicherlich eher ein Abenteuer als jede andere IBA in der Vergangenheit. IBAs beruhen ja auf einer Selbstverpflichtung der Partner. Und eine Selbstverpflichtung über drei Länder hinweg ist ein zusätzliches Wagnis. Zudem ist auch der lange Zeitraum von zehn Jahren ein Projektrisiko, da sich Rahmenbedingungen ständig ändern. Zusätzlich erschwert wurde die Übungsanlage durch die Ausrichtung der IBA als primär beratende Institution mit bescheidenen finanziellen Ressourcen.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach die IBA Basel aus?

Sie ist eine IBA der Prozessqualität. Es wurden Prozesse initiiert, überprüft, eingefordert und letztlich in einigen Bereichen auch institutionalisiert. Die prozesshafte Herangehensweise mit dem Slogan „Gemeinsam über Grenzen – Au-delà des frontières, ensemble“ hat meines Erachtens durchaus Vorbildcharakter für andere Stadtregionen Europas. Sie zeigt neue Wege auf, wie Stadtentwicklung auch gehen kann. Das ist ihre große Errungenschaft.

“Stadträume sind da, um verdichtet zu werden.”

Der IBA Basel wird immer wieder vorgeworfen nicht mit den deutschen IBAs mithalten zu können. Ihr werden zu wenig Bauaktivitäten vorgeworfen. Wie stehen Sie zu der Kritik, Beat Aeberhard?

Prozessinnovation ist schwierig darzustellen. Zentral ist nicht die große Architekturschau wie bei den IBA in Stuttgart, Berlin oder auch im Ruhrgebiet. Große, ja womöglich spektakuläre Bauprojekte würden dem Geist dieser IBA gar nicht entsprechen. In dem Sinne schwimmt die IBA Basel tatsächlich gegen das tradierte Verständnis einer Bauausstellung. Selbstkritisch kann man ergänzen, dass die gewählte Übungsanlage mit einem bewusst beschränkten Budget auch gar keine großen Sprünge zulässt. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass es konkret nichts zu zeigen gäbe.

Die Handlungsfelder der IBA Basel sind „Landschaftsräume“, „Stadträume“ und „Zusammen leben“ – warum hat man sich für diese entschieden?

Die drei Handlungsfelder sind meines Erachtens wesentliche Themen, die eine von diversen Grenzen fragmentierte Stadtregion heute zu beschäftigen haben. Stadtnahe Landschaftsräume müssen wir gerade im Zeitalter des Klimawandels und einer rasch fortschreitenden Biodiversitätskrise als das begreifen, was sie sind: Nämlich eigenständige Räume und nicht etwa Bauerwartungsland.

Es ist unsere Pflicht, dass wir uns heute darauf beschränken, nur noch dort zu bauen, wo bereits etwas da ist. Dieses Verständnis ist im Stadtstaat Basel schon ziemlich weit verbreitet, in Frankreich oder Deutschland, wo es noch viel mehr freies Land gibt, ist das anders. Darüber hinaus sind die Landschaftsräume wertvolle Erholungsräume für eine wachsende Bevölkerung. Im Gegenzug sind Stadträume da, um verdichtet zu werden. Auch das ist Chance und Pflicht zugleich. Und schließlich ist „Zusammen leben“ als Themenfokus bei der ersten grenzüberschreitenden IBA selbsterklärend.

“Es braucht ein Gremium, das die IBA Projekte künftig koordiniert.”

Welches IBA Basel Projekt steht Ihrer Meinung nach sinnbildlich für die Ziele der IBA Basel?

Aus meiner sehr persönlichen Optik verkörpert das Projekt 3Land mit seinen vielfältigen Themenschwerpunkten die Zielsetzung der IBA Basel 2020 exemplarisch. Die Verbesserung der institutionellen Beziehungen, die (manchmal beschwerliche) Arbeit an einem gemeinsamen Projektverständnis sowie die Fokussierung auf Brachen, die an der Grenze Rücken an Rücken liegen, um daraus letztlich neue bi- oder trinationale Zentren zu schaffen, zeugen vom Willen, die Region gemeinsam weiterzubringen. Das ist durchaus ein Paradigmenwechsel.

2020 endet die IBA Basel offiziell. Bestandsaufnahme: Welche Erfolge hat die IBA Basel der Region gebracht? Welchen Mehrwert hat sie gestiftet? Wo muss man nachjustieren?

Zunächst: Beachtlich ist nur schon allein die Tatsache, dass die IBA Basel gemeinsam durchgeführt wurde. Das Verständnis, in einer gemeinsamen Region zu leben, ist in der breiten Bevölkerung gestiegen. Ich persönlich schätze an der IBA, dass sie auch einen freien Denkraum ermöglicht hat. Ein Reflexionsrahmen, der auch mal bewusst vom Alltagsgeschäft entkoppelt war. Das mag banal klingen, aber im täglichen Arbeitsablauf ist das „über den Tellerrand hinaus“-Denken in der Regel kaum möglich. Daran müssen wir unbedingt festhalten.

Welchen Herausforderungen muss sich die Region nun im Zuge der Verstetigung stellen? Wie gelingt dies? Stichwort hierzu: Agenda 2040.

Wir im Bau- und Verkehrsdepartement sind uns einig, dass es ein Gremium braucht, das die IBA Projekte künftig koordiniert. Aktuell läuft viel über persönliche Beziehungen. Es müssen Strukturen geschaffen werden, damit auch bei wechselnden Verantwortlichen an den grenzüberschreitenden Projekten weitergearbeitet wird. Zentral scheint mir, dass wir an langfristigen, grenzüberschreitenden Strategien weiterarbeiten. Das kann projektbezogen oder auch im Themenmodus sein. So kann das in den letzten Jahren Begonnene weiterwachsen, damit der Metropolitanraum vorankommt.

“Wir führen den IBA-Auftrag weiter”

Beat Aeberhard, in der Corona-Krise preschten viele europäische Länder mit Einzelmaßnahmen vor. Die IBA Basel steht für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Wie lief das Krisenmanagement in der trinationalen Metropolitanregion ab?

Die Corona-Krise führt uns vor Augen, dass in schwierigen Zeiten umgehend auf Abschottung gesetzt wird. Dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit aber gerade im trinationalen Metropolitanraum aufrechtzuerhalten ist, darüber besteht Einigkeit. Die Arbeitspendler müssen nach wie vor die Grenze passieren können. Und das können sie auch. Auf die IBA Basel bezogen bedeutete das, dass wir uns in der Zeit der geschlossenen Grenzen vor allem  digital ausgetauscht haben, so zum Beispiel über die geeigneten Formate und den richtigen Zeitpunkt der Schlusspräsentation, denn diese musste aufgrund der Pandemie auf dieses Frühjahr (30. April bis 6. Juni 2021) verschoben werden. Und schließlich zeigt die Patientenaufnahme aus dem schwer betroffenen Elsass in die Intensivstationen von Schweizer Spitälern den Geist der täglich gelebten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eindrücklich. Den IBA-Auftrag – gemeinsam über Grenzen zu wachsen – den führen wir weiter.

Beat Aeberhard ist seit 2015 Kantonsbaumeister von Basel-Stadt. Er leitet die Dienststelle Städtebau & Architektur, die das Planungsamt, das Hochbauamt und die Kantonale Denkmalpflege umfasst. Zuvor war er sieben Jahren Stadtarchitekt von Zug. Nach seinem Studium in Architektur an der EPF Lausanne und Zürich arbeitete er als selbständiger Architekt in Zürich und unterrichtete an der ETH Zürich. Aeberhard hält überdies einen Master of Science in Architecture and Urban Design der Columbia University in New York.

Warum wir eine IBA-Basel-Serie gestartet haben? Das lesen Sie hier.

Sämtliche Beiträge zur IBA Basel 2020 finden Sie hier.

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