Warum ist Boden kein Joghurt? Diese und andere dringende Fragen beantwortet die Ausstellung “Boden für alle”, die im Architekturzentrum Wien noch bis Juli zu sehen ist. Neben den erschreckenden Basisinformationen finden sich Best-Practice-Beispiele und Möglichkeitsräume. Lesen Sie hier, warum sich der Besuch lohnt.

Eine digitale Uhr, umringt von liebevoll gestalteten Animationen und erschreckenden Zahlen: In Echtzeit läuft die Fläche an neu versiegeltem Boden über den Bildschirm, an entstandener Straße und die Anzahl neu gebauter Einfamilienhäuser. Der Eingangsbereich der Ausstellung „Boden für alle“ im Architekturzentrum Wien ist ein Blickfang. Einer, der wach macht und Besucher*innen voll Tatendrang in die Ausstellung überleitet. Denn es muss sich etwas ändern – die Uhr tickt.
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Von der Begriffsdefinition „Was ist Boden“ und einem historischen Kontext gelangt man über Worst-Case-Szenarien (getarnt als satirische Comics) zu „Was die Raumplanung könnte, so man sie ließe“ und „Warum Boden kein Joghurt ist“. Man erfährt, warum und seit wann Boden eine Handelsware ist oder auch welche politischen Kompetenzverteilungen wir überdenken sollten.
Achterbahn der Emotionen
In sieben Themenblöcke ist die Ausstellung unterteilt; jeder Punkt überwältigend detailreich, durchaus humoristisch aufgearbeitet und abwechslungsreich präsentiert. Bilder, Zahlen und Fakten finden sich auf Holztafeln. Interviews, über die Dauer von zwei Jahren (!) in ganz Österreich gefilmt, warten hier auf Zuschauer*innen. Fähnchen auf vertikalen Seilen weisen die Grundstückspreise der Bundesländer aus. Konservierte Bodenprofile zeigen anschaulich den Einfluss des Menschen auf diese Ressource.

Doch spätestens bei Abschnitt fünf ist der anfängliche Tatentrang verschwunden. Zu übermächtig wirken die „Gegner*innen“, die zwischen uns, den erschreckenden Zahlen und einem verantwortungsvollen Umgang stehen. Diese Motivationsachterbahn scheint aber von den Kuratorinnen Karoline Mayer & Katharina Ritter wohlwissend geplant. Denn sie schließen die Ausstellung mit internationalen Vergleichen und Best-Practice-Beispielen und zeigen Möglichkeitsräume auf. Ehrlich ermutigt wird man in die versiegelte Realität des Wiener Museumsquartiers entlassen.
Boden für alle? Eher weniger.
Die Ausstellung „Boden für alle“ im Architekturzentrum Wien will die Kräfte sichtbar machen, die an unserem Boden zerren, und die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergründe offenlegen. All das ist gelungen. Mit wenigen Mitteln, aber kreativen Zugängen wurde eine undurchsichtige Datenmenge verständlich gemacht. Diese kuratorische Leistung verstärkt die Ausstellungsgestaltung von PLANET architects und die Grafik von LWZ & Manuel Radde. Die so abwechslungsreich gestaltete Ausstellung spricht definitiv alle an – ob der gewählte thematische Zugang dies auch tut, bleibt offen. Dennoch ist nach dem Besuch eines klar: Die Uhr tickt.
Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie beim Architekturzentrum Wien.
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