07.11.2021

Projekt

BUGA Erfurt 2021 – ein Überblick

Den Aufstieg zum Petersberg begleitet eine bunte Blütenwiese. Foto: Stadtverwaltung Erfurt; BUGA Erfurt 2021

2021 war Erfurt Standort der Bundesgartenschau, die im Oktober des selben Jahres ihren feierlichen Abschluss fand. Eines der Zentren der BUGA Erfurt 2021 war der egapark, den die BUGA GmbH denkmalgerecht und zeitgemäß sanieren ließ. Die Stadt nahm sich die BUGA Erfurt aber auch zum Anlass, lange vernachlässigte Gebiete in den Fokus zu rücken. So etwa den Erfurter Petersberg oder die tief gelegene und zugewachsene Gera, an der mit der Geraaue Grüne Infrastruktur im besten Sinne entstand. Alles was Sie zur BUGA Erfurt 2021 wissen müssen, lesen Sie hier.

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Erfurt blickt auf eine lange Gartenschau-Tradition zurück. Bereits 1865 fand hier eine solche Ausstellung statt, weitere folgten. Die „Allgemeine deutschen Ausstellung von Produkten des Land- und Gartenbaues“ von 1865 könnte man als Ur-Bundesgartenschau bezeichnen, auch wenn der Schwerpunkt wie der Name schon sagt, auf gärtnerischen Erzeugnissen lag. Attraktionen waren Exoten wie einerseits Tabak, Ananas-Stauden oder andererseits auch Agaven. Die zentrale Rolle, die Erfurt damals im Gartenbau spielte, geht maßgeblich auf den Erfurter Christian Reichart (1685–1775) zurück. Er gilt als Begründer des erwerbsmäßigen und Gartenbaus. Er entwickelte neue Geräte und effektive Produktionssysteme, führte beispielsweise die Fruchtfolge ein. Außerdem machte er unter anderem den Blumenkohl und Brokkoli in Erfurt heimisch.

Den Aufstieg zum Petersberg begleitet eine bunte Blütenwiese. Foto: Stadtverwaltung Erfurt; BUGA Erfurt 2021

BUGA Erfurt 2021: ein „Petersberg für alle“

Kohl wuchs auf der Bundesgartenschau 2021 tatsächlich auch – und zwar auf dem Petersberg, neben dem egapark eines der beiden Zentren der Ausstellung. Erfurt ergriff die Chance, die die BUGA Erfurt bot, um den ehemaligen Klosterberg, der für die Erfurter*innen lange nicht zugänglich war, für die Stadt zurückzuerobern. Nachdem man das Kloster ab 1665 zu einer Stadtfestung ausgebaut und bis zum Zweiten Weltkrieg militärisch genutzt hatte, verschwand der Berg aus der Kognitiven Karte der Erfurter*innen; er wurde im Laufe der Zeit zum Fremdkörper, den man mied. Dabei befinden sich dort zahlreiche sehenswerte historische Gebäude wie die Klosterkirche oder die barocke Zitadelle. Das alles ist jetzt wieder zugänglich auf dem „Petersberg für alle“, wie es Sascha Döll, der Leiter des Erfurter Gartenamts, ausdrückt.

Eines der Zentren der BUGA ist der egapark. Foto: Stadtverwaltung Erfurt; BUGA Erfurt 2021

Beteiligt: die Büros Franz Reschke und Heuschneider

Auf dem Areal gelangen Erfurter*innen und Tourist*innen über einen barrierefreien Panoramaweg, entworfen von Franz Reschke Landschaftsarchitektur, durch eine Blütenwiese von der Innenstadt auf den Petersberg. Oder schnell und noch bequemer per Aufzug. Brücken verbinden die Plateaus, ein Rundweg führt über die Bastion und bietet immer wieder neue Perspektiven auf die Umgebung. Die Außenanlagen des Bergensembles gestalteten Heuschneider Landschaftsarchitekten aus Rheda-Wiedenbrück. Neue Wegeachsen führen dort die Gebäude zusammen und schaffen einen neuen Freiraum mit grandiosem Blick über die Stadt. Zur Bundesgartenschau gestaltete Laura Heuschneider auf dem Petersberg außerdem eine Zeitreise durch die Gartenepochen. Und hier findet eben auch der Blumenkohl, den Christian Reichart einst nach Erfurt brachte, neben weiteren Kohlsorten, Kräutern und Blumen seinen Platz.

Hier geht es zur offiziellen Website der BUGA Erfurt.

Sanierung des egaparks als Basis für die BUGA Erfurt

Ähnlich bunt geht es im 36 Hektar großen egapark zu. Der Ausstellungspark, das zweite Zentrum der Bundesgartenschau, ist ein wichtiges Zeitzeugnis der 1960er-Jahre. Schon in den 1920er-Jahren entstand auf dem Areal der Festung Cyriaksburg ein Park. Dort befindet sich auch das Deutsche Gartenbaumuseum, das die BUGA Erfurt sanieren ließ und eine neue Ausstellung erhielt. Dieser alte Bereich wurde anlässlich der IGA 1961 – der „Ersten internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder“ – erweitert und spiegelt eine gelungene Verbindung von Tradition und Moderne wider. Entstanden nach dem Entwurf des Landschaftsarchitekten Reinhold Lingner, zählt die Anlage zu den wenigen Gärten, die zu Zeiten der DDR entstanden und bis heute nahezu unverändert erhalten blieben. Seit 1992 steht der Park unter Denkmalschutz.

Ein barrierefreier Panoramaweg führt von der Innenstadt bis zum obersten Plateau des Petersbergs. Foto: Stadtverwaltung Erfurt; BUGA Erfurt 2021

egapark erstrahlt im neuen Glanz

Lingner, der die Landschaftsarchitektur der DDR maßgeblich mitprägte, entwarf hier ein Ensemble aus einem Guss: Beete, Ausstellungshallen und Pavillonbauten komponierte er im Stil der Nachkriegsmoderne als gestalterische Einheit, die sich bis in die Möblierung und das Innere der Gebäude durchzog. Vier der Hallen mit den großen Glasfronten zum Park sind heute noch erhalten. Und auch sonst ist das Gartendenkmal noch nahezu komplett. Mittelpunkt der Anlage war und ist das 6 000 Quadratmeter große Blumenbeet in der Längsachse des Parks. Zur IGA 1961 konzipierte die Künstlerin Alice Lingner, Reinhold Lingners Frau, die Bepflanzung. Zur Bundesgartenschau komponierte Christine Orel hier ein Farbenmeer aus Wechselflor.
Überhaupt erstrahlt der Park in neuem Glanz. 2011 stand die Frage im Raum, wie der etwas in die Jahre gekommene egapark fit für die Zukunft gemacht werden könnte. Es entstand ein Entwicklungskonzept für eine denkmalgerechte, zeitgemäße Sanierung, das Basis für die erfolgreiche Bundesgartenschaubewerbung war.

geskes hack gestalten Geraaue

Neue Anziehungspunkte wie das Danakil baute man im Rahmen der BUGA Erfurt: eine neue Halle, benannt nach der gleichnamigen Senke in Äthiopien. Wüste und Urwald, Wassermangel und -überfluss werden hier folglich thematisiert und welche Strategien Pflanzen und Tiere jeweils entwickelt haben, um mit den Extremsituationen umzugehen. Außerdem wurden die einzelnen Parkbereiche mit Fingerspitzengefühl und Blick auf die historischen Strukturen saniert. Zum Beispiel also der Karl-Foerster-Garten, angelegt in den 1960er- und 70er-Jahren. Auf 17 Terrassen gibt es thematische Staudengärten von Stein über Heide bis Wasser. Hier blieben die Strukturen und auch die typischen Materialen wie Waschbeton der Sechziger erhalten. Und auch die Pflanzpläne orientieren sich an den einstigen Pflanzungen und wurden wo nötig zeitgemäß aktualisiert. Gleiches gilt für den Irisgarten, den der Landschaftsarchitekt Gerhard Steffke 1965 gestaltete. Der eng mit dem Namen des Iris-Züchters Alexander Steffen verknüpfte Terrassengarten war lange gesperrt. Zur Bundesgartenschau sanierte man sie ebenfalls denkmalgerecht.

Das Danakil ist der äthiopischen Danakil-Senke benannt - dem heißesten Ort der Welt. Foto: Stadtverwaltung Erfurt; BUGA Erfurt 2021

„Grüne Infrastruktur im besten Sinne“ – Gartenamtsleiter Sascha Döll

Von den Terrassen eröffnet sich ein weiter Blick über Erfurt. Wichtige Blickbeziehungen werden wieder erlebbar, zum Beispiel zur Geraaue, anfangs ebenfalls als Maßnahme und Ausstellungsbereich der Bundesgartenschau geplant. Sie ist zwar nicht mehr Teil der Schau, aber ein entscheidendes städtebauliches Schlüsselprojekt für Erfurt. Sascha Döll ist daher auch entsprechend, stolz, dass die Stadt es geschafft hat, das Vorhaben zu stemmen, mit Eigen- und Fördermitteln, obwohl die Bundesgartenschau GmbH sich aus dem Projekt Geraaue zurückgezogen hat. „Wir haben hier Grüne Infrastruktur im besten Sinne realisiert“, freut sich der Gartenamtsleiter, „und mit 60 Hektar den größten Landschaftspark Thüringens geschaffen“. Und das in einem Bereich, der als sozial durchaus schwierig gilt.

„Jeder Abschnitt hatte seine eigenen Herausforderungen“ – Christof Geskes

Plattenbauten dominieren den Norden der Stadt, die Wohnviertel sind zudem bei wohlhabenderen Erfurter*innen dementsprechend unbeliebt. Mit der neu gestalteten Geraaue erhielten diese Viertel einen Freiraum, der seinesgleichen sucht. Gewonnen hat den Wettbewerb für die Geraaue im Jahr 2014 das Berliner Landschaftsarchitekturbüro geskes hack. Mit einem klaren gestalterischen Rahmen für den 4,5 Kilometer langen Grünzug entlang der Gera, der von der Innenstadt bis an den Stadtrand führt und Teilstück des überregionalen Gera-Radwegs ist. Es galt, erstens die heterogenen Teilstücke vom historischen Park bis hin zu einem Kraftwerk und einer alten Kläranlage zu integrieren, zweitens ein durchgängiges Parkband zu schaffen und drittens die Gera, die sehr tief liegt und völlig zugewachsen war, erlebbar zu machen. „Jeder Abschnitt hatte seine eigenen Herausforderungen“ erinnert sich Landschaftsarchitekt Christof Geskes.

Am Flussabschnitt „Klärchen“ befand sich bis 1988 noch eine Kläranlage. Foto: Stadtverwaltung Erfurt; BUGA Erfurt 2021

Für die Stadt gebaut – nicht für die BUGA Erfurt

Den Auftakt macht der Nordpark, eine denkmalgeschützte Anlage, die Max Bromme zu seiner Zeit als Stadtgartendirektor von Erfurt Anfang des 20. Jahrhunderts entwarf und der ein heute noch beliebtes Schwimmbad beherbergt. Hier ging es vor allem um einen neuen, barrierefreien Zugang über das historische Garnisonslazarett. Außerdem wurde aus einer Straße, die den Nordpark zerschnitt, der Verkehr herausgenommen. Ein beachtlicher Erfolg für Stadt und Landschaftsarchitekten. Ähnlich gingen die Planer*innen in den anderen Bereichen vor: Sie arbeiteten städtebauliche Problempunkte heraus und boten überzeugende Lösungen an. Zum Beispiel für den sich direkt anschließenden Bereich, der in keinem größeren Kontrast zum historischen Park stehen könnte: dem sogenannten Klärchen. Der Flussabschnitt war, nachdem die Kläranlage 1988 dort geschlossen wurde, weitgehend sich selbst überlassen. Dort bewegten die Landschaftsarchitekten Unmengen an Boden, sodass jetzt gleich einem Amphitheater Stufen zur Gera hinunterführen. Und sie so den Erfurter*innen zurückgeben.

BUGA Erfurt wird sich langfristig bezahlt machen

Immer wieder im Verlauf des Grünzugs Richtung nördlichem Stadtrand entstanden solche neuen Zugänge zum Wasser. Die BUGA schuf außerdem Attraktionen wie zum Beispiel ein Teich und zahlreiche Spielplätze. Stets mit Rücksicht auf den Bestand vorhandener Parks und bestehender Nutzungen.
So holte sich Erfurt zur Bundesgartenschau zentrale Abschnitte der Stadt zurück, die lange vernachlässigt wurden. Mit viel Engagement und hohen Investitionen: Allein 100 Millionen Euro gab die Stadt für die Geraaue aus, etwas weniger als die Hälfte nochmal für die Sanierung des Petersbergs. Viel Geld, ohne Frage. Doch da die beiden Projekte erstens in den Händen der Stadt lagen und zweitens nicht bei der Bundesgartenschau GmbH, war beispielweise auch die Pflegeabteilung des Gartenamts von Anfang an mit einbezogen. Gebaut wurde also nicht für die Schau, sondern zudem für die Stadt. Für Erfurt wird sich die Bundesgartenschau folglich ohne Zweifel langfristig bezahlt machen.

Mehr zu den Gartenschauen 2021 lesen Sie hier:

Mehr zur Bundesgartenschau Erfurt 2021 lesen Sie hier:

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