06.07.2015

Projekt

Des Stadtgartens Kern

Der im Herbst 2013 fertiggestellte Zuger Stadtgarten zeigt, was er in sich hat: eine Tiefgarage. Früher versteckt unter angehäufter Erde, legten das Landschaftsarchitekturbüro Planetage mit Thomas Volprecht (Büro Planwirtschaft) und Ramser Schmid Architekten, alle Zürich, Teile des Bauwerks im Rahmen einer Umgestaltung frei.

Stadtgarten Zug. Foto: Guido Baselgia
Stadtgarten Zug. Foto: Guido Baselgia
Stadtgarten Zug. Foto: Ralph Feiner
Stadtgarten Zug. Foto: Guido Baselgia
Stadtgarten Zug. Foto: Guido Baselgia
Stadtgarten Zug. Foto: Guido Baselgia
Stadtgarten Zug
Stadtgarten Zug

Die Umnutzung des Zeughausgebäudes in einen Lesesaal der Stadtbibliothek und das Obergericht des Kantons war im Jahr 2010 Ausgangspunkt eines Wettbewerbs zur Gestaltung der angrenzenden Flächen. Mit der Fertigstellung entstand im schweizerischen Zug, 20 Kilometer südlich von Zürich, ein vielfältig nutzbares, reich bepflanztes Kleinod im Stadtzentrum. In der Auslobung war gefordert, wichtige historische Achsen zu beachten, den Stadtgarten mit den städtischen Freiflächen zu vernetzen und den -alten Teil der Stadtbibliothek mit dem neu geschaffenen Lesesaal im Zeughaus zu verbinden. Besonders knifflig war es, die Tiefgarage aus den 70er Jahren und die – in der Schweiz nicht untypische – Hanglage des Geländes gestalterisch einzubeziehen.

Material zwischen Tradition und Identität

Mit ihrem Konzept „Intarsie – Hangkante – Hangband“ bezog das Planerteam nach deren Sanierung die Tiefgarage nicht nur ein, sondern nutzte sie als Kernelement des Parks. Höhenunterschiede halfen, in dem kleinteiligen Stadtgarten Orte für verschiedene Nutzergruppen zu schaffen. Die vorwiegend verwendeten Materialien Kopfsteinpflaster und Asphalt orientieren sich an Motiven der Altstadt und der angrenzenden Umgebung. Einzige Ausnahme sind Holzlatten, mit denen die Planer die freigelegten Tiefgaragenwände und den darüber errichteten Pavillon verkleideten. Ob Holz als für die Zuger Altstadt untypisches Material verwendet werden sollte, darüber gab es kontroverse Diskussionen. Letztlich überzeugte das Planerteam die Kritiker damit, dass es ein wichtiges Element des Konzepts und der Gestaltung sei. Holz steht in dem Entwurf auch symbolisch für die Lebensdauer der Tiefgarage, die sie verkleidet: „Langlebig, aber nicht ewig haltbar“, sagt Marceline Hauri vom Büro Planetage.

Getreu dem Wettbewerbs-Slogan „oben / unten“ entstand ein Park auf drei Ebenen:

Auf der oberen Ebene spannt sich ein Platz zwischen dem Lesesaal der Bibliothek, dem Liftaufbau auf der Tiefgarage und der alten Stadtmauer auf. Der ehemalige Exerzierplatz wurde zum Vorbereich des Lesesaals: Auf Rasen können Besucher im Freien liegen und lesen, über eine Wasserfläche haben sie einen herrlichen Blick bis in die Altstadt, eine angrenzende Asphaltfläche ist mit Tischen und Stühlen ausgestattet. Wie Intarsien liegen der Rasen und ein dicht mit Iris und Binsen bepflanztes, nachts beleuchtetes Wasserbecken in der Fläche. Gespeist wird es von Hangwasser, das sich an der Tiefgaragenwand staut. Nachdem das gesammelte Wasser durch eine Rohrleitung in einen unterirdischen Tank geflossen ist, tritt es in dem neuen Becken mit einer Temperatur von neun Grad Celsius wieder an die Oberfläche. Aus Sicherheitsgründen steht das Wasser nur zehn Zentimeter hoch in dem 50 Zentimeter tiefen Becken. Während bei Dunkelheit die Stimmungsbeleuchtung am Lesesaal dezent im Hintergrund schimmert, beleuchten vier Straßenlaternen den Platz.

Technik und Beton hinter Holzlamellen

Auch vom „Belvedere“ bietet sich ein schöner Blick über die Altstadt. Steigt man vom Zeughausplatz wenige Stufen hinauf, erschließt sich ein ganz anderer Ort: Unter einem weit ausladenden Dach liegt ein Platz mit frei beweglichen Stühlen. Hinter den horizontal mit Kiefernholzlatten verkleideten Wänden eines Pavillons auf der Tiefgarage verbergen sich Liftaufbau und Lüftungszentrale. Um die Holzlatten lange haltbar zu machen, wurden sie im ökologisch unbedenklichen „Akoia“-Verfahren behandelt. Im unteren Teil hat die Holzverkleidung einen rautenförmigen Anschnitt, der sich nach oben hin verliert und in gerade geschnittene Elemente übergeht. Dadurch sollen Kleinkinder daran gehindert werden, an der Wand hochzuklettern. Bei den älteren Kindern setzt man auf Eigenverantwortung. Auch für die Atmosphäre im Zuger Stadtgarten spielt die Lattung eine wichtige Rolle: Außer durch ihre Optik wirkt sie, indem Tageslicht die entstandenen Lücken im Pavillondach durchflutet und so ein reizvolles Schattenmuster auf einer darunter liegenden Opakscheibe entsteht. Barrierefrei ist der Belvedere-Platz über eine Rampe erreichbar. Und er ist prädestiniert zum Lesen, da die mit Sand abgestreute wassergebundene Wegedecke Geräusche gut absorbiert.

Rosen und Stauden hinter Eibenhecken

An der Hangkante ist der Betonsockel der Tiefgarage aus den 70er-Jahren hinter einem „Vorhang“ aus vertikalen Holzlamellen verborgen. Zugleich bilden die Latten einen Zaun als Absturzsicherung, der dezent von unten beleuchtet wird.

Das sogenannte Hangband erstreckt sich über die untere Ebene. Üppige, von Eiben-hecken eingefasste Staudengärten mit Rosen als Leitpflanzen erinnern an frühere Stadtgärten
am Rande der Altstadt. Kleine Betonmauern überbrücken Niveauunterschiede und begrenzen die Tiefgaragenzufahrt. Um den Unkrautbewuchs von Anfang an gering und die Pflegekosten niedrig zu halten, ließ das Büro Planetage die Stauden sehr dicht pflanzen. In Anlehnung an die traditionellen Beläge der Altstadt bestehen die Fußwege aus bogenförmig verlegtem Guberstein 8/11, einem Schweizer Quarzsandstein.

Da die Tiefgarage grundlegend saniert und ihr Sockel teilweise freigelegt werden musste, war es nicht vermeidbar einen großen Teil des alten Baumbestands durch neue Bäume zu ersetzen. Nun fassen am Hangband ein Blauglockenbaum und Katsurabäume zusammen mit drei alten Platanen das Gelände zur tiefer gelegenen Bibliothek. Zur Oswaldkirche hin stehen locker verteilt die für die Region Zug typischen Kirschbäume.

Ein echtes Pilotprojekt ist die Beleuchtung des Stadtgartens. Testweise setzte die Stadt dort Ideen aus ihrem Plan Lumière um. Dieser Rahmenplan für öffentliche Beleuchtung beinhaltet Leitsätze zur gestalterischen Aufwertung, höherer Energieeffizienz und Vermeidung von Lichtverschmutzung. Strittig war allerdings, wie die Beleuchtung der Tiefgarageneinfahrt abgestimmt werden soll. Über die richtige Lichtstärke für eine sichere Ein- und Ausfahrt aus der Garage gab es unterschied-liche Vorstellungen. Zwar war diese Beleuchtung nicht Teil der Umgebungsgestaltung, aber an der Schnittstelle zum Projekt des Büros Planetage. Als übergeordnete Planer konnten sie auf einen Kompromiss zwischen Sicherheit und Ästhetik hinwirken: eine etwas schwächeren Einfahrtsbeleuchtung.

Die zahlreichen technischen Rahmenbedingungen, die rund um die Tiefgarage einzuhalten waren, machten die Planung deutlich aufwendiger als das nun sichtbare Ergebnis vermuten lässt. Trotz der vielen unsichtbaren, weil unter der Oberfläche verborgenen Details, hat sich der Aufwand gelohnt: Die zahlreichen Besucher sprechen Bände.

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