Kritik an der Wolke
Zürichs neue Wolke hat bereits viele Interessierte angezogen. Dabei zeigte sich schnell, dass die erhoffte Wirkung nur minimal ist. Personen, die direkt unter dem Aluminiumring stehen, berichten von einem leichten Kühleffekt. Allerdings ist dieser in der Umgebung und in anderen Ecken des Turbinenplatzes kaum zu bemerken. Der kühlende Sprühnebel gelangt nicht bis zum Boden und die Umgebungsluft hat keine erkennbar niedrigere Temperatur.
Auch der Wasserverbrauch von „Alto Zürrus“ ist – gerade angesichts der Dürren in Europa – ein Kritikpunkt. Denn sie verbraucht Trinkwasser und Energie. Bis zu 100 000 Liter Trinkwasser pro Jahr werden versprüht. Das sind folglich 7,5 Liter pro Minute mit dem Energieverbrauch eines Staubsaugers.
Das Pilotprojekt startete im Juli 2022 und soll bis Herbst 2024 laufen. Es erfolgt im Rahmen der Fachplanung Hitzeminderung. Diese hat das Ziel, die Stadt in heißen Sommermonaten abzukühlen. Die Finanzierung kommt von einem Smart City Innovationskredit.
Ein Mitarbeiter von Grün Stadt Zürich hatte die Idee für „Alto Zürrus“. Im Rahmen eines stadtinternen Wettbewerbs setzte er sich durch. Die Projektkosten liegen laut Grün Stadt Zürich bei 140 000 Franken. Darin sind auch die Kosten für die wissenschaftliche Begleitung des Effekts enthalten. Denn der Effekt soll genau gemessen und dokumentiert werden.
Vergleiche zu „Le Nuage“ in Yverdon 2002
Beobachtende wie etwa die Neue Züricher Zeitung (NZZ) verglichen die künstliche Wolke auf dem Turbinenplatz dabei mit „Le Nuage“. Diese begehbare Wolke der Expo 2002 in Yverdon war deutlich größer. Es handelt sich um eine Stahlkonstruktion im Neuenburgersee mit einer Höhe von 20 Metern und 31 400 Edelstahl-Düsen.
Die NZZ schrieb damals: „Wer in Yverdon-les-Bains durch die Erdhügelbauten der Arteplage schlendert, fühlt sich an prähistorische Tumuli und Dolmen erinnert. Kommt man bei feuchtem Wetter aus dieser Richtung zum See, sieht man vor sich aus dem Nebel eine kleine Insel ragen. Aus dieser Perspektive wirkt die Wolke wie das mystische Avalon. Zwei Stege aus Fiberglas führen hinein.“
In der „Alto Zürrus“-Wolke ist es nicht möglich, wie im mystischen Avalon durch eine Wolke zu wandeln. Jedoch handelt es sich bei dem Pilotprojekt auf dem Turbinenplatz auch nicht um Kunst, sondern um ein Mittel zum Zweck.
Die städtische Wärmeinsel Turbinenplatz
Bereits 2021 pflanzte die Stadt Zürich zusätzliche Bäume auf dem Turbinenplatz im Escher-Wyss-Areal. Es handelt sich um einen der größten Plätze der Stadt. Da er vor allem mit Beton bedeckt ist, wird es hier im Hochsommer drückend heiß. Diese Bäume benötigen jedoch Zeit zum Wachsen. Auch sind die Standortbedingungen am Turbinenplatz nicht ideal: Die Bäume werden sich nicht nennenswert ausbreiten oder eine große Krone entwickeln können. Zugleich sind Bäume aber aufgrund ihrer Kühlung durch Verdunstung sowie durch den Schatten das wirkungsvollste Mittel gegen die Hitze.
Laut der Züricher Stadträtin und Tiefbauvorsteherin Simone Brander müsse man davon ausgehen, dass sich Städte infolge des Klimawandels immer mehr überhitzen. Die Anzahl der Hitzetage könnte sich bis 2040 auf 44 pro Jahr verdoppeln. Städte wie Zürich haben laut Brander das Potenzial, auf lokaler Ebene die Hitzeminderung zu unterstützen. Dabei ist die Wolke laut der Stadträtin eine Sofortmaßnahme, während Bäume und Flächenentsiegelungen eine mittelfristige Wirkung ausüben. Insgesamt ist eine Kombination aus verschiedenen Mitteln nötig.
Auch andere Städte, zum Beispiel Wien, experimentieren mit Maßnahmen zur Hitzeminderung in Form von künstlichen Wolken. Wie effektiv „Alto Zürrus“ ist, wird sich ab 2024 zeigen, wenn es an die Auswertung der Daten geht.
Lesen Sie hier mehr über den Hitze-Hotspot Stadt sowie über Maßnahmen für eine klimabewusste Stadtplanung.