05.10.2022

Gesellschaft

Bauministerkonferenz: Offener Brief zur Bauwende

Bei der Bauministerkonferenz 2022 ging es um die Zukunft des Bausektors. Foto: Scott Blake via Unsplash
Bei der Bauministerkonferenz 2022 ging es um die Zukunft des Bausektors. Foto: Scott Blake via Unsplash

Planende und Wissenschaftler*innen von Architektenkammer, bda und Architects for Future rufen die Politik in einem offenen Brief zum Handeln auf. Sie fordern anlässlich der Bauministerkonferenz eine nachhaltige Bauwende.

Die Bauministerkonferenz 2022

Am 22. und 23. September fand die diesjährige Bauministerkonferenz in Stuttgart statt. Baden-Württemberg hat turnusgemäß für die Jahre 2022 und 2023 den Vorsitz der Konferenz inne. Daher leitet das Bundesland die Arbeitsgemeinschaft.

Bei der Bauministerkonferenz stellte sich schnell heraus, dass Bund, Länder und Kommunen vor großen Herausforderungen stehen. Insbesondere die Frage nach bezahlbarem Wohnraum stand im Vordergrund. Dabei ging es um die Frage, wie Wohnraum nicht nur bezahlbar, sondern auch würdevoll und im Einklang mit der Natur gestaltet werden kann.

Die Teilnehmenden diskutierten außerdem die anhaltenden Folgen der Corona-Pandemie. Insbesondere Innenstädte sind hart betroffen. Der Trend zum Wohnen und Arbeiten auf dem Land wächst. Daher besteht ein Ziel der Baubranche nun darin, gleichwertige Lebensverhältnisse auf dem Land und in der Stadt zu schaffen.

Auch die aktuell steigenden Energiepreise machen sich in der Wohnungsbaubranche stark bemerkbar, ebenso wie hohe Materialpreise und Zinsen. Als Reaktion darauf forderte die Bauministerkonferenz 2022 staatliche Rahmenbedingungen, um den Wohnungsbei weiter voranzutreiben. „Wir haben es infolge von Krieg und Energiekrise auch mit einer Krise beim Bauen und Wohnen zu tun. Denn auch hier findet die Zeitenwende statt“, sagte Baden-Württembergs Ressortchefin Nicole Razavi (CDU) als Vorsitzende der Bauministerkonferenz.

400 000 neue Wohnungen bundesweit?

Schon vor dem Krieg in der Ukraine war das Ziel von 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr ambitioniert. Die nun explodierenden Preise im Bausektor machen das Ziel noch schwerer zu erreichen. Jedoch stellte sich bei der Bauministerkonferenz heraus, dass Bund und Länder an dem Ziel festhalten wollen. Für das Jahr 2022 wird mit 200 000 neuen Wohnungen gerechnet. 2021 waren es knapp 300 000 Wohneinheiten. Bundesbauministerin Klara Geywitz sagte dazu am letzten Tag der Bauministerkonferenz: „Das Ziel ist das Ziel. Und das Ziel ist ja keine politische Erfindung, sondern abgeleitet vom Bedarf.“

Zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten Teilnehmende die Stuttgarter Erklärung. Das Dokument enthält die folgenden Punkte:

  • Anmahnung verlässlicher und stimulierender staatlicher Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau
  • Begrenzung der finanziellen Belastungen für Mietende und Vermietende
  • Begrüßung der geplanten Wohngeld-Reform und des Heizkostenzuschusses
  • Aufruf zu deutlich vereinfachten Verfahren zur finanziellen Entlastung
  • Bekräftigung der Zielmarkte von 400 000 Wohnungen pro Jahr
  • Kritik an der Reform der Förderung für energieeffiziente Gebäude und des KfW-Förderstopps 2022

Offener Brief anlässlich der Bauministerkonferenz

Die Deutsche Umwelthilfe und die Architects for Future verfassten anlässlich der Bauministerkonferenz einen offenen Brief, um zu einer nachhaltigen Bauwende aufzurufen. Sie fordern, dass das Umbauen zum Standard wird und den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden berücksichtigt.

Laut den beiden Verfassern verursachen die Herstellung, Errichtung, Nutzung und Entsorgung von Gebäuden etwa 40 Prozent der gesamten CO2-Emissionen Deutschlands. Daher rufen sie zu einer Musterbauordnung auf, die sich auf Klimaschutz und nachhaltiges Bauen und Sanieren konzentriert. Sie soll die Bestandssanierung und den Umbau von Gebäuden gegenüber dem Ersatz- oder Neubau priorisieren. Darüber hinaus forderten die Umwelthilfe und Architects for Future eine Senkung des Energiebedarfs am gesamten Lebenszyklus von Gebäuden.

Diese Maßnahmen dienen als konkrete Soforthilfe für eine nachhaltige Bauwende. Die geforderte Novelle der Musterbauordnung soll zur Erreichung der Klimaziele beitragen, den Ressourcenschutz fördern und eine Kreislaufwirtschaft im Baubereich einführen. Schon im Juli 2021 schickte Architects for Future Vorschläge einer Umbauordnung an die Bauministerkonferenz. Diese wurde von einem breiten Bündnis aus der Bau- und Immobilienbranche unterstützt.

DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz sagte: „Nur mit klimafreundlichem und ressourcenschonendem Bauen und Sanieren erreichen wir die gesetzlichen Klimaschutzziele. Derzeit ist der Gebäudesektor noch immer nicht auf dem richtigen Pfad, verfehlt Jahr für Jahr seine Klimaziele.“

Die Deutsche Umwelthilfe und Architects for Future fordern klimafreundliches, ressourcenschonendes Bauen. Foto: Josh Olalde via Unsplash
Die Deutsche Umwelthilfe und Architects for Future fordern klimafreundliches, ressourcenschonendes Bauen. Foto: Josh Olalde via Unsplash

Energiebedarf als zentrale Bewertungsgröße

Die Deutsche Umwelthilfe und Architects for Future forderten außerdem, dass der Energiebedarf eine zentrale Bewertungsgröße für den klimaneutralen Gebäudebestand bleiben sollte. Dies ist für die Fortschreibung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) wichtig. Auch schädliche Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus sind eine wichtige Bewertungsgröße.

Die Verfasser des offenen Briefes sehen es als kritisch, dass die Bauministerkonferenz Treibhausgas-Emissionen als maßgebliche Leitgröße sehen. Sie fordern, dass bei der Fortschreibung des GEG und der Bundesförderung für effiziente Gebäude der Energiebedarf als zusätzliche wichtige Bewertungsgröße bestehen bleibt. Denn Treibhausgas-Emissionen allein sind als Indikator nicht ausreichend, um einen sozialverträglichen Klimaschutz zu ermöglichen. Zwar kann das Heizen mit erneuerbaren Energien die CO2-Emissionen reduzieren, aber es hilft nicht dabei, den Energiebedarf zu verringern. Somit werden weder der Energiesektor noch die Rechnungen der Bürger*innen entlastet.

Im offenen Brief forderte Architects for Future die Bauministerkonferenz dazu auf, die Musterbauordnung zu beschließen und die Regelungen direkt in den jeweiligen Länderbauordnungen anzupassen. So soll es gelingen, klimaneutrales und kreislauffähiges Bauen sowie das Bauen im Bestand zum Standard zu machen.

Die Bauwende

Bauwerke sind nicht nur für Treibhausgasemissionen und Energieverbrauch, sondern für etwa die Hälfte der Rohstoffentnahmen sowie für große Abfallmassen verantwortlich. Daher tragen sie in hohem Maße zu Klimaerwärmung und Ressourcenverbrauch bei. Die heutige Art zu bauen ist entsprechend nicht nachhaltig.

Um das weltweite Klimaziel, die globale Erwärmung auf maximal 2 Grad zu beschränken, zu erreichen, sind massive Anstrengungen nötig. Insbesondere im Betrieb und bei der Herstellung von Bauwerken sind wichtige Ansatzpunkte vorhanden. Auch der Ressourcenschutz ist Teil der Bauwende. Dazu gehört eine umweltfreundliche Extraktion von Materialien ebenso wie die Wiederverwendung von Abbruchmaterialien.

Ein kreislauffähiges Baumodell bedenkt das Lebensende des Bauwerks sowie die Wiederverwendung von Materialien von Anfang an. Indem möglichst viele kreislauffähige Materialien zum Einsatz kommen, ist eine hochwertige Wiederverwertung möglich. Dies bringt sowohl ökologische als auch soziale und wirtschaftliche Vorteile und Ersparnisse.

Ebenfalls interessant: Die IG Bau fordert mehr Know-how bei Sanierungen, um die Klimaziele zu erreichen.

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