01.08.2021

Wettbewerb

Berlin-Brandenburg 2070: Sieger*innen des Ideenwettbewerbs

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Die meisten Entwürfe des Städtebaulichen Ideenwettbewerbs Berlin-Brandenburg 2070 denken die Region von Berlin her – und bleiben aber leider am sogenannten Speckgürtel hängen. Der Siegerentwurf von Bernd Albers, Silvia Malcovati und Günther Vogt allerdings überzeugt durch seine Weitsicht.

Der Städtebaulichen Ideenwettbewerb Berlin-Brandenburg sucht einen neuen Plan für die Hauptstadtregion für das Jahr 2070. (Visualisierung: Unvollendete Metropole: 100 Jahre Städtebau für Groß-Berlin)

Corona und die Erfahrungen, dass Bildschirmarbeit auch zu Hause möglich ist, haben in Berlin dem alten Traum vom Leben im Grünen neue Nahrung gegeben. Waren schon 2019 die Grundstückspreise im sogenannten Speckgürtel und darüber hinaus auf Rekordhöhe gestiegen, hat das Coronajahr 2020 auch die Brandenburger Peripherie erreicht. Im Landkreis Oder-Spree etwa sind zuletzt auch die Bodenpreise in Fürstenwalde und Beeskow gestiegen. Die Giga-Factory von Tesla, in der einmal 12 000 Menschen arbeiten sollen, ist da noch gar nicht mit eingerechnet.

Kronprinzenpalais in Berlin zur Ausstellungseröffnung "Unvollendete Metropole" (Foto: Till Budde)
Tobias Nöfer (Vorsitzender AIV) an der Ausstellungseröffnung "Unvollendete Metropole" (Foto: Till Budde)
Michael Müller (Regierender Bürgermeister Berlin) im Gespräch mit Jan Lerch (Moderator) an der Ausstellungseröffnung "Unvollendete Metropole" (Foto: Till Budde)

Berlin-Brandenburg 2070 – 100 Jahre Groß-Berlin

Berlin boomt, Berlin strahlt aus. Kommt die gemeinsame Planung beider Bundesländer aber dem Trend hinterher? Welche planerischen Herausforderungen und Ideen sind damit verbunden? Und wie lässt sich die Peripherie jenseits des Speckgürtels folgerichtig einbinden? Groß denken also, diese Aufgabe hat sich der Architekten- und Ingenieurverein Berlin-Brandenburg (AIV) gestellt. Zum hundertsten Jubiläum der Gründung Groß-Berlins 1920 hat der AIV deshalb einen Städtebaulichen Ideenwettbewerb Berlin-Brandenburg ausgelobt, der einen ähnlich großen Wurf hervorbringen soll – also einen Plan für die Hauptstadtregion für das Jahr 2070.

Mehr zu aktuellen Entwicklungen in der Hauptstadt lesen Sie hier.

Berlin-Brandenburg 2070: die Gewinner

Mit anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen lobte der AIV 2019 den offenen, zweiphasigen „Internationalen Städtebaulichen Ideenwettbewerb Berlin-Brandenburg 2070“ aus. Das Ziel waren laut offizieller Stelle städtebauliche Visionen für die Zukunft der Hauptstadtregion, die das Leitbild des „Siedlungssterns“ der Gemeinsamen Landesplanung zum städtebaulichen Thema machen. Die Bekanntgabe der Gewinnerentwürfe erfolgte am 16. Juli 2020.

1. Preis: Zusammenwachsen Landschaft(f)tStadt

1. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Zusammenwachsen – Landschaf(f)tstadt
1. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Zusammenwachsen – Landschaf(f)tstadt
1. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Zusammenwachsen – Landschaf(f)tstadt
1. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Zusammenwachsen – Landschaf(f)tstadt

2. Preis: Stadtlandschaft Brandenburg-Berlin 2070 – Kontur eines Übergangs-Gesellschaft

 

Bildrechte: Bernd Albers Gesellschaft von Architekten mbH, Vogt Landschaft GmbH, Arup Deutschland GmbH

2. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Stadtlandschaft Brandenburg- Berlin 2070 – Kontur einer Übergangsgesellschaft
2. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Stadtlandschaft Brandenburg- Berlin 2070 – Kontur einer Übergangsgesellschaft
2. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Stadtlandschaft Brandenburg- Berlin 2070 – Kontur einer Übergangsgesellschaft
2. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Stadtlandschaft Brandenburg- Berlin 2070 – Kontur einer Übergangsgesellschaft

3. Preis: Sternarchipel Berlin-Brandenburg

 

Bildrechte: Kopperroth / SMAQ / Alex Wall (Berlin und Cambridge, USA), Dipl.-Ing. Stefan Tischer, freischaffender Landschaftsarchitekt, Office MMK – Urban Technologies

3. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Sternarchipel Berlin-Brandenburg
3. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Sternarchipel Berlin-Brandenburg
3. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Sternarchipel Berlin-Brandenburg

4. Preis: Landschaft der Unterschiede

 

Bildrechte: Jordi & Keller Architekten / Pellnitz Architektur und Städtebau (Berlin), Christina Kautz Landschaftsarchitektur, Ludwig Krause Stadtplaner

4. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Landschaft der Unterschiede
4. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Landschaft der Unterschiede
4. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Landschaft der Unterschiede

5. Preis: Archipel – Labor: Ein Atlas von urbanen Inseln für Berlin

 

Bildrechte: Thomas Stellmach Planning and Architecture / fabulism GbR (Berlin), Lysann Schmidt Landschaftsarchitektur, Melissa Gómez (Beraterin für nachhaltige Mobilität und urbane Innovation), Marcus Andreas (Berater für Nachhaltigkeit), Florian Strange (Berater für Urbanismus & Design Prozesse)

5. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Archipel – Labor: Ein Atlas von urbanen Inseln für Berlin
5. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Archipel – Labor: Ein Atlas von urbanen Inseln für Berlin
5. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Archipel – Labor: Ein Atlas von urbanen Inseln für Berlin

Weitere Entwürfe von Berlin-Brandenburg 2070

 

Bildrechte: Pedro Pitarch (Madrid)

Die Entwürfe wurden im Rahmen der Ausstellung „Unvollendete Metropole“ bis zum Lockdown im Kronprinzenpalais gezeigt. Folgt man einigen der mehr als 50 eingereichten Arbeiten, ist Brandenburg in der Fläche allerdings nicht selten zu wenig ausgeleuchtet. So konzentriert sich der Entwurf „Landschaft des Wassers“ des Prager Büros gogolák + grasse alleine schon in der Auswahl der drei geforderten Vertiefungsbereiche auf Berlin und sein unmittelbares Umland. Näher untersucht werden also Hellersdorf-Hönow, Köpenick und die Jungfernheide. Dabei hätte die Grundannahme des Büros ohne Probleme auch die Mark mitdenken können. Im Begleittext heißt es: „Die Topografie des Berliner Gebiets ist durch die Gletscherverschiebung und durch Flussläufe geprägt worden.“ Die Hauptstadtregion zwischen Elbe und Oder mit „Spreeathen“ in der Mitte, dazu die Fragen von Klimawandel, Dürre und Wasserhaushalt: Das hätte was werden können. Sollte es aber nicht, denn die Fixierung auf Berlin ist dem Entwurf eingeschrieben. Folglich: Berlin pur, Brandenburg außen vor.

Stadt und Land in Brandenburg: Rathaus Hohen Neuendorf, rechts Altbau, links Neubau, 2019. Foto: Harald Bodenschatz

Brandenburg – der weiße Fleck

Etwas weiter reicht der Horizont des Wettbewerbsbeitrags „Die Weiterentwicklung der Region im europäischen Kontext“. Allerdings legt er sein Augenmerk einzig und alleine auf die von West nach Ost verlaufende Achse der A2, des südlichen Berliner Rings A10 und der A12. Es ist die südlich von Berlin verlaufende Autobahntrasse nach Moskau – woher das Büro RTDA, dessen Entwurf es ist, kommt. Auch hier reichen die geforderten Teilbereiche einer planerischen Vertiefung nicht über Berlin und sein engeres Umland hinaus. Sie betreffen in Potsdam die Sanierung des Zentrums Ost, in Berlin die Entwicklung des Kraftwerks Klingenberg zu einem mischgenutzten Wohnquartier sowie die Untersuchung eines Areals am neuen Hauptstadtflughafen BER. Der Rest Brandenburgs bleibt planerisch ein weißer Fleck.

Jordi & Keller mit Christina Kautz

Ganz anders dagegen operiert der Entwurf „Sternarchipel Berlin-Brandenburg“ von Jordi & Keller Architekten/Pellnitz Architektur und Städtebau in Zusammenarbeit mit Christina Kautz Landschaftsarchitektur und dem Verkehrs- und Stadtplaner Ludwig Krause. Er wurde von der Jury mit dem dritten Platz ausgezeichnet und untersucht nicht nur die Potenziale von Brandenburg an der Havel, immerhin eine Stadt in zweiter Reihe, sondern denkt auch den Siedlungsstern weiter – jene Urbanisierungsstruktur des Großraums Berlins entlang der Radialen der Bahn, die schon vor der Gründung von Groß-Berlin 1920 entstanden war und bis heute auch die Grünräume der Region prägt.

Adieu Grün?

Denn die Zwischenräume zwischen den sternförmig ins Umland zeigenden Fingern haben keine Schwimmhaut bekommen, sie blieben meistens frei vom Neubebauung. Zum Siedlungsstern gehören also auch die Grünkeile dazwischen. Leider schüttet der Entwurf auf Berliner Territorium das Kind mit dem Bade aus, geht es ihm dort vor allem um die kritische Rekonstruktion und damit die Bebauung jener Freiräume im Zentrum, die die sozialistische Moderne der vereinigten Stadt hinterlassen hat. Draußen Grün, in der Stadt dagegen kann es weg.

Berlin vs. Siedlungsbrei

Verpflichtend für die Teilnahme aller 56 eingereichten Arbeiten war der von den Landesregierungen in Berlin und Brandenburg abgestimmte Landesentwicklungsplan (LEP) Hauptstadtregion. Dieser besagt, dass das Wachstum im Umland, aber auch darüber hinaus, auch bis 2070 entlang der Siedlungssterne konzentriert werden soll. Die Brandenburger CDU, die den LEP noch im Wahlkampf 2019 bekämpft hatte, trägt ihn nun im Rahmen der Kenia-Koalition mit SPD und Grünen mit. Es ist damit politischer Konsens sowohl des Berliner Senats als auch der Landesregierung in Potsdam, dass auch in einer Phase anhaltenden Wachstums in der Hauptstadtregion kein Siedlungsbrei entstehen soll.

Zum 2. Preis von Berlin-Brandenburg 2070

2. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Stadtlandschaft Brandenburg- Berlin 2070 – Kontur einer Übergangsgesellschaft

Zum 1. Preis von Berlin-Brandenburg 2070

 

Bildrechte: Kopperroth / SMAQ / Alex Wall (Berlin und Cambridge, USA), Dipl.-Ing. Stefan Tischer, freischaffender Landschaftsarchitekt, Office MMK – Urban Technologies

Dieser Vorgabe für den Wettbewerb Berlin Brandenburg 2070 trägt der zweitplatzierte Entwurf Rechnung. Er stammt vom Büro Kopperroth/Smaq/Alex Wall und stellt den Begriff der Stadtlandschaft in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Denn die Lösung der Zukunftsfragen ist für die Verfasser*innen nicht die Verstädterung des Umlands, sondern der Grundgedanke, „dass eine zukunftsfähige Metropole nur aus der Landschaft entwickelt werden kann“. Am Beispiel der Siedlungsachse Pankow-Buch-Bernau-Barnim deklinieren sie ein intellektuell ebenso aufregendes wie spielerisches Modell einer kleinräumigen Parzellierung der Landschaft durch. So existieren bald erstens städtische wie ländliche Nutzungen nebeneinander und zweitens bilden ein neues Gewebe am Übergang von Berlin in sein Umland und andersherum.

1. Platz Berlin-Brandenburg 2070: Zusammenwachsen – Landschaf(f)tstadt

Siegerentwurf Berlin-Brandenburg 2070 mit Weitblick

 

Bildrechte: Bernd Albers Gesellschaft von Architekten mbH, Vogt Landschaft GmbH, Arup Deutschland GmbH

Während dem zweiplatzierten Entwurf allerdings das Potenzial fehlt, in reale Planung umgesetzt zu werden, sucht die Nummer eins von Bernd Albers, Silvia Malcovati und Günther Vogt nicht so sehr das Experiment, sondern setzt auf Altbewährtes. Dazu zählt etwa der Vertiefungsraum Tempelhof-Südkreuz mit einer Blockrandbebauung entlang der Stadtautobahn und, auch wenn das aber für Kontroversen sorgen dürfte, am Rand des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Ein zweiter Verdichtungsstandort ist Bernau bei Berlin. Hier setzen Albers, Malcovati und Vogt ebenfalls auf eine Reurbanisierung ehemaliger Bahnflächen. So soll es nördlich und südlich der Bahntrasse eine dicht bebaute Blockstruktur geben, ähnlich wie bei den Potsdamer Bahnhofspassagen. Nach Nordosten hin sollen darüber hinaus U-förmige Gebäude entstehen, die sich zum Pankepark auf der gegenüberliegenden Seite der Bahntrasse öffnen.

Das wichtigste Element des Entwurfs ist aber die Planung für Schwedt. Anders als etwa Eberswalde, Brandenburg an der Havel, Fürstenwalde oder Luckenwalde gehört die Oderstadt nicht zu den Städten der zweiten Reihe, denen der Landesentwicklungsplan einen neuen Schub geben soll, sondern zum äußeren Verflechtungsraum, wie es das im Planerdeutsch einmal hieß, um nicht Peripherie sagen zu müssen. Allerdings ist Schwedt, wo die Pommersche Medizinische Akademie Stettin (PAM) im Uckermarck-Klinikum ein Lehrkrankenhaus betreibt, aber auch Teil der Entwicklungsachse zwischen Berlin und dem Oberzentrum der polnischen Woiwodschaft Westpommern. Die Wahl, einen der Vertiefungsbereiche Schwedt zu widmen, ist also ein Hinweis auf den Weitblick, den der Siegerentwurf von Albers, Malcovati und Vogt wagt.

Ein neues Kapitel für die Infrastruktur

Geradezu visionär wird es aber, wenn die drei Planer*innen den Vorschlag eines neuen Kapitels in der Geschichte der Infrastruktur in der Hauptstadtregion unterbreiten. So soll es neben dem S-Bahn-Ring und um den Bahnring um Berlin herum außerdem einen neuen, dritten Eisenbahnring geben. Er würde folglich erstens Oranienburg, Bernau, Erkner, Königs Wusterhausen, Zossen und Trebbin miteinander verbinden und zweitens diesen Städten als Knotenpunkten im Netz Aufschwung verschaffen.

Ein 3. Ring für Berlin

„Durch den 3. Ring wird die Mobilität im Berliner Umland wesentlich erhöht und die Abhängigkeit der Städte von Berlin reduziert“, schreiben die Autor*innen des erstplatzierten Entwurfs. Platz für eine Million Menschen soll er schaffen, ohne dabei aber die Konzentration auf den Siedlungsstern aufzuweichen. Ach ja, der dritte Eisenbahnring soll auch noch nachhaltig gebaut werden: „Zur Schonung von Kulturlandschaft, Landwirtschaft und Tierwelt wird der 3. Ring als Hochbahn konzipiert. Damit werden auch Kreuzungen mit Straßen, Autobahnen und Flüssen vereinfacht. Eine leichte Bautechnologie befördert das harmonische Verhältnis zu Natur und Landwirtschaft. Die erhöhte Sicht aus dem Zug schenkt de Reisenden ein Landschaftserlebnis, die Bahnhöfe in den Städten werden zu attraktiven Orten.“

Gewappnet für die Corona-Stadtflucht

Mag letzteres nun doch wie ein schönes Bild daherkommen, in seiner Gesamtheit ist der Entwurf von Albers, Malcovati und Vogt aber zurecht zum Sieger gekürt worden. Und er ist der einzige, der Brandenburg erstens nicht aus Berlin heraus entwickelt, und zweitens beide Teilregionen der Hauptstadtregion gleichberechtigt denkt. Mit ihm wäre die Region also gut für die Corona-Stadtflucht gewappnet und den Treibern der Suburbanisierung, die noch folgen. Die Zukunft kann deswegen kommen.

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