15.05.2018

Projekt

Das Wort auf der Goldwaage

Der Student Tomo Kihara der TU Delft hat ein Werkzeug zur „Straßen Debatte“ entworfen: Das Street Debating Tool. Es soll Obdachlosen dabei helfen Geld zu verdienen ohne ihre Würde zu verlieren. Wir haben uns mit dem Studenten des Studienfachs “Design for Interaction” über seine Idee unterhalten.

Der Beginn der Idee (Foto: Tomo Kihara)
Ein Street Debater in London in Aktion (Foto: Tomo Kihara)

Wie kam die Idee zustande?
Tomo Kihara: Ein Großteil der Gesellschaft blickt auf Obdachlose hinab, als würden sie gerne betteln. Ich war auch dieser Ansicht, bis ich eines Tages einem Obdachlosen begegnete, der günstige CDs auf der Straße verkaufte. Er erzählte mir, dass er lieber CDs verkauft, anstatt zu betteln, da er so seine Würde bewahren kann. Da begriff ich, dass Menschen, die betteln nicht nur versuchen an Geld zu kommen: Sie tauschen ihre Würde für ein paar Münzen.

Wie genau funktioniert dein Street Debating Tool?
Der Street Debater ist eine Waage, die eine Frage zu einem bestimmten Thema stellt, um in eine freundliche Diskussion mit den Passanten zu treten. Diese sind eingeladen durch einen kleinen Geldbetrag ihre Meinung auf der Waage zu verdeutlichen. Es ist auch eine Möglichkeit für Leute aus ihrer Social Media Blase zu treten und sich mit Menschen unterschiedlicher Meinung auseinanderzusetzen.

Was war deine Intention?
Ich möchte klarstellen, dass Street Debating ein Aktivisten-Job ist, den im Grunde jeder machen kann. Auch wenn ich anfangs Alternativen zum Betteln bieten wollte. Es ist ein neuer Job, der einen Raum für offene Dialoge auf der Straße bietet, in dem die öffentliche Meinung durch Münzen sichtbar wird.

Bist du der Meinung, dass Obdachlose viel zu selbstverständlich in der Stadt wahrgenommen werden?
Ich glaube ja. In vielen großen europäischen Städten wird die Wohnungsnot schlimmer. Wir haben uns daran gewöhnt Obdachlose auf der Straße zu treffen, dadurch werden sie unsichtbar.

Wie haben Obdachlose auf deine Idee reagiert? Und Passanten?
Sie freuen sich auf diese Art Geld verdienen zu können, da sie sich wie „Straßen-Performer“ fühlen. Passanten gehen dadurch mehr auf sie ein.

Der Beginn der Idee (Foto: Tomo Kihara)
Ein Street Debater in London in Aktion (Foto: Tomo Kihara)

Wer stellt die Fragen?
Die Street Debater denken sich die Fragen aus. Wenn man sie fragt, haben sie viele Vorschläge: Ein Fußballfan beispielsweise schlug eine Debatte zwischen gegnerischen Mannschaftsfans vor dem Wembley Stadion vor. Ein anderer hatte die Idee vor dem Kino nach der Meinung zu dem Film zu stellen, den die Besucher gerade gesehen hatten. Und wenn seine Frage erfolgreich genug wäre, würde er sich gerne ein Kinoticket mit dem verdienten Geld kaufen.

Was ist der aktuelle Stand des Projekts? Wie viele Street Debater Tools gibt es?
Derzeit ist das Projekt Open Source, und jeder kann es nachbauen. Ich bekomme Mails aus Valencia, Seoul, Berlin und Paris von Leuten, die gerade die Waage mit der Anleitung bauen. Ich schätze, dass es derzeit zwischen fünf und zehn Tools gibt. Mich haben auch Mitarbeiter von Wohlfahrtsorganisationen kontaktiert. Wir untersuchen gerade, ob sie das Tool dort anbieten können.

Was sind deine persönlichen und beruflichen Ziele in der Zukunft?
Als Designforscher möchte ich weitere spielerische Interventionen planen, die gesellschaftliche Themen hinterfragen. Ich glaube fest daran, dass das Spiel ein Mittel dafür sein kann.

Scroll to Top