Der interdisziplinäre Wettbewerb für die Helmut-Schmidt-Universität ist entschieden. Es handelt sich hierbei um einen klimaneutralen Masterplan der Universität der Bundeswehr Hamburg im Stadtteil Jenfeld. Die Jury unter dem Vorsitz von Architekt Stefan Behnisch prämierte letzten Endes das Stuttgarter Team h4a Gessert + Randecker Architekten, Glück Landschaftsarchitektur und Wick+Partner Architekten Stadtplaner. Als Unterstützung diente das Ingenieurbüro Olaf Hildebrandt, Holzgerlingen zur Energieberatung. Der Siegerentwurf trägt den Titel „nachhaltig. innovativ. klimaneutral.“.
Neuordnung: Bildung in der Bundeswehr
Auf dem sechsundzwanzig Hektar großen Gelände entstand in den 1930er Jahren die Douaumont-Kaserne. Diese nutzte man bald als Heeresoffiziersschule. In den 1970ern entwickelten heinlewischer Architekten (Stuttgart) dort den Hochschulcampus der Bundeswehr. Dies lässt sich auf den damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt zurückführen, als er die „Kommission zur Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr“ einberief. Der Wissenschaftsstandort wurde deshalb auch nach ihm benannt. Heute bietet die Helmut-Schmidt-Universität Platz für circa 2 500 Studierende.
Planungsaufgabe: Nachverdichtung und Denkmalschutz
Der städtebauliche Kontext des Campus wird durch die Bautypologien der Kasernen- und Universitätsgebäude im Grundstücksinneren geprägt. Die Freiflächen betten diese parkartig ein. Das Ensemble aus den Bauten sowie die Landschaftsplanung von Wolfgang Miller stehen inzwischen unter Denkmalschutz.
Heute, fünfzig Jahre später, wurde im Rahmen eines zweiphasigen Wettbewerbs nach einem städtebaulich-freiraumplanerischen Konzept für die Helmut-Schmidt-Universität gesucht. Das Ziel war dabei eine Campusentwicklung mit der Ausformulierung eines mittel- und langfristigen Masterplans. Zum einen plant man die Zentralisierung mehrerer, bisher auf anderen Liegenschaften verteilter, Standorte. Zum anderen besagt ein Gutachten der Ausloberin, die Bundesbauabteilung Hamburg, in manchen Gebäuden „bauordnungsrechtliche Mängel sowie funktionale Defizite identifiziert, die eine Komplettsanierung der Gebäude zwingend erforderlich machen“. So entschloss man sich in Kooperation mit dem Denkmalamt für einen Rückbau. Eine weitere übergeordnete Prämisse ist die Entwicklung zu einem klimaneutralen Campus. Allgemein wird die derzeitige Bruttogrundfläche von circa 88 000 auf 107 000 Quadratmeter steigen. Die Neuplanung der Helmut-Schmidt-Universität wird dabei wohl etwa eine Milliarde Euro kosten.
Hochbau: strukturelle Kraft und Flexibilität
Der Wettbewerbssieger zur Helmut-Schmidt-Universität überzeugt mit gekonnt dimensionierten Gebäudeclustern, die sich ohne Strenge und wie selbstverständlich in den Bestand einfügen. Dabei werden die Baumassen vorwiegend in der Grundstücksmitte gebündelt. Das Konzept greift die modulare Struktur des Bestandsgebäudes und damit die architektonische Grundidee aus den 1970ern auf. Dies erlaubt eine lockere Verbindung von Alt und Neu sowie eine flexible Zuordnung der Nutzungsbereiche. Die Bibliothek wird in gleicher Formensprache entwickelt, jedoch bildet sie als Solitär einen Kontrast und Orientierungspunkt. Die Positionierung und Akzentuierung des Gebäudes markiert die Campusmitte und befindet sich in direkter Nähe zu der Mensa. Zusammenfassend lobt die Jury den Masterplan für die Helmut-Schmidt-Universität insbesondere für die strukturelle Kraft, Flexibilität und das schlüssige Gesamtkonzept.
Freiraum: Verknüpfung und Subtilität
Das Preisgericht ist auch von der räumlichen Qualität und Funktionalität der Freiraumplanung für die Helmut-Schmidt-Universität begeistert. Denn die Landschaftsarchitektur baut ebenfalls auf dem bestehenden Gestaltungskonzept auf, zum Beispiel bezüglich des modellierten Geländes. Somit wird die Bestandsstruktur nicht überboten. Stattdessen verbindet eine offene „Bildungslandschaft“ nun die landschaftliche wie auch bauliche Historie und Zukunft. Der Freiraum greift die Maßstäblichkeit und Körnung des Hochbaus auf: neben den vielen quadratischen Gebäuden fließen nun organische Inseln durch das Gelände. Der Freiraum öffnet sich dabei gen Süden in den bestehenden Landschaftsraum. In der Grundstücksmitte etabliert man einen großen multivalenten Aufenthaltsbereich.
Wie wird auf Aspekte des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit eingegangen? Auf das Thema Bestandsbäume reagiert man mit „Erhalt, Ergänzung und Ersatz“. Die grünen Inseln bieten nicht nur dem Menschen natürlich beschattete und bespielte Bereiche. Auch die Tierwelt profitiert von dem Habitat-Mosaik. Darüber hinaus plant man ein aktives Wassermanagement gemäß des Schwammstadt-Konzepts. Und auf den Dächern befinden sich auch Photovoltaik-Anlagen zur Eigennutzung. Bei den verwendeten Baustoffen wird auf regional, wiederverwendbar und recycelt gesetzt.
Wie sieht es mit den Randbereichen der Helmut-Schmidt-Universität aus? Die bauliche Zentralisierung sorgt für einen bespielbaren und grünen Saum. Dies ermöglicht einen sanften Anschluss zur Umgebung, vor allem zu der Wohnbebauung im Norden. Zwar verortet man in den Randbereichen die Auto- und Fahrradstellplätze, jedoch bindet man sie unter Gründächern topografisch ein. So gelingt es, einer trist aussehenden Erschließungssituation vorzubeugen. Durch die Schaffung einer Ringstraße ist das Campusinnere weitgehend verkehrsfrei. Auch toll: Man bietet campusinterne Mobilitätsangebote in Form von beispielsweise Rollern und Fahrrädern an. Die bisher recht abweisenden Grundstückszugänge wertet man durch lockere Zugangsplätze adressbildend auf.
Verbesserungsbedarf: Nachhaltigkeit, Lokalisierung und Nutzbarkeit
Doch es gibt auch Aspekte, die bei dem Masterplan für die Helmut-Schmidt-Universität noch nicht überzeugen. Die fast identische Rekonstruktion der Kubatur weckt die Frage nach dem Sinn des Komplettabbruchs und Eingriffs ins Denkmal. Und wie soll das veraltete Nutzungskonzept durch fast identische Baukörper verbessert werden? Auch die Positionierung und damit die Nutzbarkeit der Bibliothek und der Technikzentrale kritisiert die Jury.
Die Landschaftsarchitektur weist dagegen einen als unnötig hoch empfundenen Versiegelungsgrad in der Campusmitte auf. Auch die an sich wünschenswerten Regenwassermulden überzeugen noch nicht im Detail. Hier muss man noch an der Lage, Funktion und Optik feilen.