Am 18. September hat der Berliner Senat beschlossen, die Tempelhofer Parklandschaft nicht wie ursprünglich geplant zu verwirklichen. Eine fragwürdige Entscheidung, meint Nicole Uhrig. Ende September wurden die Pläne der schottischen Landschaftsarchitekten Gross.Max für die Tempelhofer Parklandschaft gekippt. Was war passiert? Durch das Berliner Flughafendesaster war die auf 61,5 Millionen Euro bezifferte Finanzierung für den Park nicht mehr möglich. Schon im Vorfeld war das Geld knapp. Es war eine politische Entscheidung, die bisherige Parkplanung zugunsten punktuell implantierter Sitzbänke, Bäume und Kinderspielflächen aufzugeben.
Die vordergründige Argumentation zu dieser Entscheidung beruft sich auf den Volkswillen und lautet, „der Park sei in dieser Form nicht erwünscht (ernsthaft strittig war jedoch nur der Kletterfelsen) und man reagiere auf die „Ergebnisse einer Umfrage unter den Besuchern der Grünfläche“ (siehe Artikel “Bäume und Bänke – kein Kletterfelsen” in der Berliner Morgenpost). Dabei war der Entwurf aus jahrelangen umfassenden Bürgerbefragungen hervorgegangen. Diese methodisch gesammelten Erkenntnisse einer einzelnen Umfrage unter Besuchern gegenüberzustellen, ist ohne Frage unzulässig.
Die Argumentation einer einzelnen Interessengruppe für sich zu instrumentalisieren zeugt zudem von einem deutlichen Missbrauch des Instruments „Bürgerbeteiligung“. Neben der zusätzlichen Diskreditierung eines ganzen Berufsstandes durch den amtierenden Bürgermeister, der sich klar gegen den Park ausspricht „’für den Landschaftsarchitekten Preise gewinnen’, der aber nicht das ’Wohlfühl-Gefühl’ der Menschen verbessere“, werden vor allem die großen und international verfolgten Bemühungen um ein umfassendes partizipatives, demokratisches Planungsmodell bei lebendigem Leibe erstickt und vor aller Augen ad absurdum geführt. Das ist ein Imageverlust für Berlin sondergleichen.
Ohne das finanzielle Desaster am neuen Berliner Flughafen hätte man die Planung einfach weiterentwickelt, wenn auch bei knapp bemessener Kasse. Der Rahmen war gesetzt und die Entwicklungsstrategie hatte Raum für Kursänderungen vorgesehen. Möglicherweise hätte die Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ noch Änderungen herbeiführen können, doch zu einem „fast Erhalt“ des Status quo wäre es nicht gekommen, denn der Bedarf an breiter gefächerten Nutzungsmöglichkeiten besteht nach wie vor.
Jetzt wird der Verwertungsdruck auf die Freifläche wieder zunehmen. Insbesondere angesichts des innerstädtischen Wohnraummangels, der die Wohnungsmieten in Berlin derzeit um bis zu elf Prozent ansteigen lässt. Hier muss die Lobby des Freiraums unbedingt aktiv werden und neue, bessere politische Allianzen schmieden, um den Wert und das große Image- und Marketingpotenzial der Grünflächen herauszustellen und um einen gesunden Interessenausgleich zu finden. Oder um die Prioritäten in der Stadtentwicklung neu zu verhandeln – der Wiederaufbau Stadtschlosses soll vergleichsweise 590 Millionen Euro kosten.
Vor allem darf jedoch die Chance auf eine große Idee nicht verspielt werden. Sie ist unentbehrlich und immer noch möglich, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Um die Tempelhofer Freiheit erhalten zu können, wird es zwar Zugeständnisse geben müssen, doch bleibt zu hoffen, dass zumindest eine mittelgroße Freiheit realisiert werden kann, die gleichsam überzeugend ist. Die einen Konsens innerhalb eines starken gestalterischen Leitrahmens repräsentiert, der in demokratischer Manier die Träume und Visionen möglichst vieler Wirklichkeit werden lässt.
Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Beitrags “Tempelhofer Freiheit oder Marketingobjekt: Aktuelle Parkpolitik in Berlin“ aus:
Stefanie Hennecke, Regine Keller, Juliane Schneegans (Hg.): “Demokratisches Grün – Olympiapark München”, 224 Seiten, 28 Euro, ISBN 978-3-86859-230-6.