12.06.2022

Projekte

Landschaftsrouten Norwegen

Die Landschaftsrouten in Norwegen sind legendär. 2022 werden elf neue Architekturprojekte entlang der Routen fertiggestellt werden.
Die Landschaftsrouten in Norwegen sind legendär. 2022 werden elf neue Architekturprojekte entlang der Routen fertiggestellt werden. Foto: Simo Räsänen via Wikimedia Commons

Die Landschaftsrouten in Norwegen sind legendär. Im Jahr 2022 stellt die staatliche norwegische Straßenverwaltung insgesamt elf neue Architekturprojekte fertig. Ende 2022 wird es damit schließlich 172 abgeschlossenen Projekte auf den Norwegischen Landschaftsrouten geben. Hier finden Sie alle neuen Projekt im Überblick.

Sie sind weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Und ziehen jährlich Millionen an Tourist*innen an. Der norwegischen Straßenverwaltung ist es über die letzten 30 Jahre gelungen, die Norwegischen Landschaftsrouten zu einer internationalen Attraktion zu machen. Es handelt sich um 18 ausgewählte Straßenabschnitte, die an Küsten, Fjorden, Bergen und Wasserfällen vorüberführen. Sowohl Architektur wie auch Kunst finden sich am Straßenrand. Vor der Kulisse der beeindruckenden norwegischen Landschaft. Statt des schnellsten Weges über die Hauptverkehrsstraßen, wählen die Autofahrer*innen hier den Weg als Ziel.

Sognefjellet ist teil der Norwegischen Landschaftsrouten und die höchste Passstraße Nordeuropas. Foto: Simo Räsänen via Wikimedia Commons.

Eine kurze Geschichte der Landschaftsrouten Norwegen

Die Fahrt wird folglich zum eigentlichen Erlebnis. Die Installationen ziehen sich von Jæren im Süden bis hoch nach Varanger im Norden. Und spannen ein Straßennetz mit einer Gesamtlänge von 1 850 Kilometern auf. Ziel der Initiative war es, die Reise auf den Routen erlebnisreich und inspirierend zu gestalten. Dies ist der Tourismusbranche mit den Projekten über die letzten Jahre gelungen. 2022 kommen zu den bisherigen 161 Projekten elf weitere hinzu.

Das Projekt wurde 1994 gestartet und war ursprünglich auf einige wenige Straßen begrenzt. Vier Jahre später beschloss das norwegische Parlament jedoch, das Projekt auszuweiten. Daraufhin konnten sich Gemeinden selbst mit Vorschlägen bewerben. Aus den vornominierten Strecken wurden die 18 heute als Landschaftsrouten Norwegen bekannten Verkehrswege gewählt.

Die Region Hardanger repräsentiert die Norwegische Nationalromatik und ist gespickt mit Wasserfällen. Foto: Ernst Vikne via Wikimedia Commons.

Entwürfe geprägt von norwegischer Natur

Zu den Projekten entlang der Routen gehören Park- und Rastplätze, Aussichtspunkte und Konzepte zur Landschaftspflege. Weiterhin unterhalten mehrere Behörden in Kooperation Serviceeinrichtungen. So finden sich sowohl Unterkünfte, gastronomische Angebote als auch kleine Shops mit einheimischem Kunsthandwerk an den Strecken als Erweiterung des touristischen Angebots. Vorrangig gestalteten norwegische Künstler*innen und Architekt*innen die gebauten Attraktionen. Mit Ausnahme des Projektes Steilneset Memorial in Vardø. Dieses entstand im Gedenken an 91 Opfer, die hier der Hexerei angeklagt und anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Die französisch-amerikanische Künstlerin Louise Bourgeois und der Schweizer Architekt Peter Zumthor entwickelten in Erinnerung an die grausame Geschichte einen atmosphärischen Raum.

Sie entwarfen einen brennenden Stuhl umgeben von sieben Spiegeln, der in einer 125 Meter langen Gedenkhalle aus Segeltuch steht. Es ist ein besonderer Entwurf an einem ebenso bedeutsamen Ort. Dahinter liegt der Anspruch der Landschaftsrouten, die Kulturgeschichte und den Geist des Ortes einzufangen und durch Architektur entsprechend zu inszenieren. Auch die elf neuen Projekte haben Potential. Unter den beteiligten Planer*innen finden sich bekannte Namen.

Eine der bekanntesten Straßenabschnitte Norwegens ist der Trollstigen. Foto: Stefan Krause via Wikimedia Commons.

Funktion und Form

Das Büro Snøhetta entwarf in Trælvikosen, Helgelandskysten einen Rastplatz der ans Meer grenzt. 55 Trittsteine führen vom Festland auf eine kleine Insel und ermöglichen anschließend den Blick zurück zur Küste. Bei Ebbe sind die Steine sicht- und betretbar. Bei Flut hingegen komplett überspült. So spielen Snøhetta mit den Gezeiten und lassen die landschaftlichen Gegebenheiten Teil des Entwurfs werden. Eine Auseinandersetzung mit der Natur ist bei denLandschaftsrouten Norwegen wesentlich. Per Ritzner, Pressesprecher der Landschaftsrouten, formuliert es schließlich so: „Die norwegische Natur flößt Respekt ein. Und man muss ihr verantwortlich gegenübertreten.“

Auch die weiteren der elf neuen Projekte suchen dazu verschiedenste Herangehensweisen. Die Architeken Helen&Hard entwarfen in Tyrvefjøra, Hardanger ein Sanitätsgebäude. Sie verwenden dabei als Baumaterial unter anderem Baumstämme samt Wurzeln. So soll sich das funktionale Raumprogramm in die geheimnisvolle Atmosphäre des Fjords einfügen. Ebenfalls in der Fjordlandschaft angesiedelt ist das Projekt Espenes, Hardanger von Code Arkitektur.

Spektakuläre Aussichten über eine vielfältige Landschaft bietet die Route über Gaularfjellet. Foto: Simo Räsänen via Wikimedia Commons.

Landschaftsrouten in Norwegen: inszenierte Ausblicke

Über 64 m spannen sie eine Dachkonstruktion auf zwölf Stahlmodulen. Darunter finden sich Sitzgelegenheiten und Toilettenanlagen – mit Aussicht über den Sørfjord. Haugen/Zohar Arkitekter entwerfen in Flesefossen, Ryfylke ebenfalls Sanitäranlagen, die in eine Konstruktion aus Holz und Stahl integriert sind. Diese schließt an eine Plattform aus Beton an, welche über den Wasserfall Flesefossen ragt und folglich einen spektakulären Ausblick auf das Naturschauspiel ermöglicht. Haugen/Zohar Arkitekter sind gleich mit zwei Projekten vertreten. In Madland hamn, Jæren entwarfen sie eine erleuchtete Schutzhütte auf einem kleinen Hügel über der Nordsee. Sie erinnert an die Bootshütten im Hafen.

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In Sluppen, Aurlandsfjellet entsteht an der kurvigen Straße ein kleiner Rastplatz nach einem Konzept von Østengen og Bergo AS. Stufen aus Naturstein führen zum Wasserfall Erdalselvi. Am Wasserfall Vøringsfossen, Hardangervidda wird währenddessen eine neue Aussichtsplattform gebaut. Vom Felsplateau Fossetromma führen Treppen und Brücken über den Abgrund, gestaltet von Carl-Viggo Hølmebakk AS.

Eine ebenfalls beeindruckende Brückenkonstruktion ist die Bogenbrücke aus Stein in Måbø bru, Hardangervidda, gebaut im Jahre 1910 über den Fluss Borelo. Als 1986 mit der Fernstraße 7 eine neuere Trasse gebaut wurde, fiel die Brücke aus dem Betrieb und wurde unter Denkmalschutz gestellt. 3RW entwarfen in direkter Nachbarschaft zur Brücke neue Sitzgelegenheiten und einen Aussichtspunkt, von dem aus Fluss und Brücke zu überblicken sind. Der Ausblick ist auch beim Projekt Brunstranda, Lofoten von Studio Vatn & Jørgen Tandberg Arkitektur entwurfstragend. Ihr Sanitärgebäude steht direkt am Meer. Im warmen Inneren können Besucher*innen den Anblick der stürmischen Wellen entsprechend auf sich wirken lassen.

Architektur entlang der Norwegischen Landschatsrouten als Attraktion

Ursprünglicher kommen die Vogelbeobachtungshütten an der Küste in Hamningberg, Varanger daher. Die Architekt*innen von Biotope entwarfen Hütten mit wetterfest abgeflammter Außenfassade und einer Innerverkleidung aus Treibholz, das vor Ort gesammelt wurde. Hamningberg ist für Zugvögel ein wichtiger Zwischenstopp auf ihrer Route.

An Route über die Varanger-Halbinsel kann man im Sommer die Mitternachtssonne erleben. Foto: Ricksulman via Wikimedia Commons.

Zukünftig dürfte der Ort auch für Vogelliebhaber*innen zum Anziehungspunkt werden. Anziehen soll nebenher auch die Umgestaltung in Sundshopen, Helgelandskysten. Hier bauen Rever & Drage einen 65 Meter langen Steg von der Küste Helgelands ins Wasser. Und setzten dabei auf traditionelle Handwerkskunst aus Stein. 
Die elf neuen Projekte sind in ihrer Ausgestaltung vielseitig. Stets versuchen sie jedoch auf eine Art Funktionen des Reisebedarfs mit den Besonderheiten der Landschaft zu verbinden. Teils als stark architektonischer Kontrast in der unberührten Natur. Teils als subtil in die Landschaft eingewebtes Element. Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, werden sie die Norwegischen Landschaftsrouten als weitere Attraktionen ergänzen. Und in der Zukunft auch weitere Besucher*innen locken können.

Mehr über die Norwegischen Landschaftsrouten erfahren Sie auf der offziellen Webseite der norwegischen Straßenverwaltung.

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