Ein markant kritischer Blick auf Österreich
Wenig andere Länder machten in den letzten Jahren mit so vielen, scheinbar sehr guten und mutigen planerischen Impulsen auf sich aufmerksam wie Österreich. Gerade die Stadt Wien tat sich im internationalen Vergleich immer wieder durch außergewöhnliche Projekte hervor. In der Februarausgabe untersuchen wir anhand der Städte Graz, Innsbruck, Linz und Wien wie fortschrittlich die österreichische Planung tatsächlich ist, werfen einen Blick auf die IBA Wien und diskutieren mit österreichischen Planer*innen die aktuellen Herausforderungen in ihrem Heimatland.
Coop Himmelblau, Alles Wird Gut, querkraft – allein die Namen vieler österreichischer Planungsbüros machen schon Laune, oder? Sie hinterlassen einfach einen anderen Eindruck als die typische „Nachname + Partner“-Kombi, die sonst viele europäische Büropartner*innen so gerne anwenden.
Und überhaupt: Kamen nicht gerade aus Österreich in den vergangenen Jahren besonders viele spannende Projekt-Neuigkeiten? Allen voran aus der Hauptstadt Wien? Die Seestadt Aspern machte immer wieder auf sich aufmerksam, ähnlich wie der Westpark Wien, die vielen Dachbegrünungsbestrebungen ließen so manch deutsche Politiker*innen vor Neid erblassen, und dann auch noch die Eröffnung des innerstädtischen Ikeas am Wiener Westbahnhof vergangenes Jahr!
Okay, politisch läuft es für Österreich und Wien aktuell echt nicht rund, planungstechnisch scheinen Land und Hauptstadt jedoch wirklich viel richtig zu machen. Seit letztem Oktober gibt es gar ein Klimaticket, mit dem man für ganze drei Euro am Tag alle ÖVs in Österreich nutzen kann.
Grün, innovativ und mutig – so wirkt die österreichische Planung. Zumindest von außen. Irgendwie zu schön, um wahr zu sein, oder? Das dachten wir auch und haben uns aus diesem Grund entschieden, in der vorliegenden Ausgabe der G+L die Planungs- und Projektlandschaft vor Ort genauer unter die Lupe zu nehmen.
Im Gespräch mit Lilli Lička, Landschaftsarchitektin und Professorin an der BOKU Wien, machten wir uns für dieses Heft auf die Suche nach den aktuellen Herausforderungen der österreichischen Planungsdisziplin. Turns out: Das sind nicht gerade unwesentliche – allen voran das Thema des angemessenen Gehalts ist in der österreichischen Landschaftsarchitektur ein ziemliches Problem.
Ähnlich schwierig: Österreichs Flächenverbrauch. Der ist einer der größten in ganz Europa. Gut, dass es vor Ort Büros wie nonconform gibt, die seit Jahren für eine strukturelle Änderung des „Flächenfraßes“ kämpfen. Wie die genau aussehen könnte, das lesen Sie im Plädoyer von nonconform-Geschäftsführer Roland Gruber auf den folgenden Seiten.
Besonders spannend fanden wir aber auch die Beobachtung unserer Autorin Rosa Schaberl zu den Entwicklungen des Wiener Naschmarktes. Der bekannte Wiener Platz soll in den kommenden Jahren umgestaltet werden. Doch wie diese Umgestaltung aussehen soll, hierzu lieferten sich SPÖ und die Grünen vergangenes Jahr einen kleinen Kampf – und zwar mit Visualisierungen. Auch an anderer Stelle kam raus: PR und Kommunikation sind ein wichtiges Mittel in der österreichischen Planung mit nicht unrelevanten Auswirkungen.
Und dennoch, trotz der Herausforderungen und „Painpoints“ bleibt unsere Hochachtung für das Engagement der österreichischen Projekte und Bürolandschaft ungebrochen. Aber wir geben frei heraus zu: Das, was wir in unserer Arbeit mit diesem Heft lernen durften, hat uns doch überrascht. Allen voran der markant kritische Blick der österreichischen Kolleg*innen auf die Entwicklungen in ihrem eigenen Land.
Sie finden die G+L 02/22 zum Thema Österreich bei uns im Shop.