21.11.2019

Event

ASLA Konferenz 2019: Planung als Kulturforschung

San Diego
San Diego

Die ASLA-Konferenz 2019 hinterfragte die US-Identität in aufgeregten Zeiten. Ein Kongressreport

ASLA Conference on Landscape Architecture 2019, San Diego, CA
Opening Session Speaker Gina McCarthy
EPNAC

ASLA Konferenz 2019: „Es geht um räumliche, aber auch historische Integrität“

Der Begriff des „Elephant in the room“ hat eine schöne Doppeldeutigkeit. Er bezeichnet einerseits etwas Wichtiges, das allen bekannt ist, aber nicht explizit angesprochen wird. Er umschreibt andererseits aber auch ein riesiges trampeliges Etwas, das ohne größere Sensibilität gegebene Strukturen zerlegen kann. In dieser Doppeldeutigkeit war der momentane US-Präsident Trump genau jener Elefant auf der diesjährigen Jahreskonferenz der ASLA, der American Society of Landscape Architects, in San Diego. Denn es wurde explizit zwar wenig über den Donald und seine mitunter elefantöse Politik gesprochen. Doch deren Folgen für die amerikanische Gegenwart spielte, doch immer wieder implizit eine Rolle.

Am direktesten galt dies natürlich für die vielen Panel und Vorträge, die sich mit den Folgen des Klimawandels befassen. Die Umweltpolitikerin und Forscherin Gina McCarthy legte quasi die atmosphärische Grundlage dafür. In ihrem rhetorisch fulminanten Vortrag machte sie klar: Die Regierung Obama hat viele konkrete Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht. Diese wurden bisher nicht alle revidiert – und können wohl auch kaum sämtlich zurückgenommen werden. „The train is running“, so ihre letztlich optimistische Botschaft. Das Publikum quittierte es mit standing ovations, als faktenorientierter Europäer musste man sich indes an McCarthys Massenprediger-Vortragsstil erst mal gewöhnen.

Eine Art gemäßigter ökologischer Grundoptimismus geht von Veranstaltungen wie der ASLA-Konferenz fast zwangsläufig aus, weil sich diese ja mit konkreten Verbesserungsschritten befassen. So stellte eine Field Session die Regenerierung des Ökosystems „San Diego River“ vor. Weitere Panels präsentierten Lösungen für die durch die Erderwärmung teils unbewohnbar werdenden Gegenden im trocken-heißen Südwesten der USA oder landschaftsarchitektonische Ansätze für eine bessere Luft. Der Eindruck: Die Landschaftsarchitektur ist sich ihrer Verantwortung bewusst und nimmt diese auch in einem rauen politischen Klima an.

Dieses politisch-gesellschaftliche Klima spielte aber noch eine andere Rolle. Viele Diskussionen adressierten die Identität prägende und verhandelnde Rolle der Raumplanung. Die USA (und nicht nur die) erscheinen ja heute als ein Land auf der Suche nach seiner „Identität“. Gesamtgesellschaftlich herrscht eine Art existenzielle Verunsicherung. Da kann der Raum, in dem wir leben, eine Orientierung stiftende Funktion einnehmen – für ganze Gesellschaften, für kleinere kulturelle Einheiten, aber auch für Individuen und ihr direktes soziales Umfeld. In diesem Zusammenhang sehr spannend war ein Panel über US-amerikanische Nachkriegs-Plätze.

Die Chefin der „Parks Conservancy“ der Stadt Pittsburgh präsentierte die behutsame Umgestaltung des Mellow Square in Pittsburgh. Der in den USA sehr bekannte Landschaftsarchitekt Ken Smith zeigte drei unterschiedliche Neugestaltungen aus New York und San Francisco, unter anderem den Außenraum vor Mies van der Rohes ikonischem Seagram Building in Manhattan. Bei allen präsentierten Platzprojekten wurde deutlich: Hier wird US-amerikanische kollektive Erinnerung verhandelt. Die Nachkriegsmoderne war prägend für die US-Kultur – und muss entsprechend pfleglich behandelt werden. „Es geht um räumliche, aber auch historische Integrität“, so Charles Birnbaum, Chef der „Cultural Landscape Foundation“.

Der Elefant „La Frontera“

Wobei sich natürlich die Frage stellt, wer Integrität zuschreibt oder für wen diese gilt. Denn die Idee der Gesellschaft als homogene Einheit zerfällt ja gerade, nicht nur in den USA. Entsprechend gilt es, unterschiedliche Perspektiven in der Landschaftsplanung zu vereinen oder zumindest zu Wort kommen zu lassen. Heterogenität zulassen war quasi das Oberthema vieler Panels. „Landscapes with an edge“ könnten so entstehen, so der Tenor einer Diskussion zur Bedeutung der Subkultur in der Planung. „Lassen Sie Provokation zu, schaffen Sie Räume für Subversion“, so das Plädoyer des Planers und Podcasters Michael Todoran (er betreibt den Podcast „LArchitect“). Wobei die Frage ist, wo Subkultur, wo Provokation aufhört und wo bloße Kommerzialisierung anfängt. Ob beispielsweise die auch in den USA die Straßen füllenden eScooter, wie in dem Panel vorgeschlagen, als Subkultur gelten können, wäre zu diskutieren.

Dennoch – die kulturelle Sensitivität der diesjährigen ASLA-Konferenz war hoch. Ein kulturell aufgeladenes Thema jedoch, das angesichts des Veranstaltungsortes San Diego nahe gelegen hätte, wurde leider weit gehend ausgespart: Mexiko und die planerische Herausforderung der Grenze. Zwar ging ein (schnell ausgebuchter) Field Trip nach Tijuana. Aber in den inhaltlichen Panels kam die Grenze kaum vor. Und das, obwohl die neue ASLA-Präsidentin Wendy Miller im Interview gegenüber Garten + Landschaft sagte, die Planer hätten die planerischen Dimensionen von „La Frontera“ durchaus im Auge (das Interview im Wortlaut lesen Sie unter www.topos-magazine.com). Doch vielleicht stellt jene Grenze ja auch eine Art Elefanten im gedanklichen Raum der US-Kultur dar. Sie ist da, sie ist riesig, wird aber nach Kräften ausgeblendet.

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